Zeitenwende bei SAP

Hasso Plattner tritt ab von der SAP-Bühne

15.05.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Für Plattner war das Zögern nicht nachvollziehbar. "Mich stimmt traurig, dass wir nach dem großen Verkaufserfolg, den in Rekordzeit abgeschlossenen Implementierungen und den zufriedenen Produktivkunden immer noch mit den gleichen Fragen und Bedenken konfrontiert werden", schrieb der SAP-Gründer Ende 2015 in einem Gastbeitrag für die COMPUTERWOCHE. Fast zehn Jahre später sind die Vorbehalte immer noch nicht ganz ausgeräumt. Vor allem die Frage nach dem Business-Value treibt die Anwenderunternehmen in Zeiten knapper IT-Budgets weiter um.

Gretchen-Frage: Wie setzt SAP seine Kunden in Bewegung?

Doch das Wartungsende für die ältere Produktgeneration rückt näher. 2027 ist Schluss und der Betrieb alter SAP-Instanzen wird teurer. Es geht nicht nur um die Migration auf S/4HANA, sondern auch darum, die Kunden auf Cloud-Kurs zu trimmen. Anwender sollen nicht wieder in die alten Muster verfallen und ihr SAP-System quasi einfrieren. Erste S/4HANA-Installationen der frühen Umsteiger drohen bereits wieder aus der Wartung zu laufen, weil die Kunden ihre Systeme mehr oder weniger eingefroren und es versäumt haben, Updates einzuspielen.

Dazu kommt, dass SAP den Druck auf seine Kunden erhöht. Mitte 2023 kündigte Klein an, Innovationen beispielsweise rund um KI nur noch für Cloud-Kunden anzubieten, und auch nur für solche mit einem RISE oder GROW with SAP Vertrag. Mit diesen Vertragsmodellen gibt SAP eine standardisierte Methode vor, wie Kunden in die neue SAP-Welt umzusteigen haben, und übernimmt den Basisbetrieb des Systems. Damit will man in Walldorf sicherstellen, dass die SAP-Umgebungen rund um einen Clean Core bereit sind für kontinuierliche Innovation und zusätzliche Services.

Die neue Direktive des SAP-Managements kam bei den Kunden gar nicht gut an. Gerade die Kunden, die früh auf S/4HANA, aber auf die On-Premises-Variante, eingeschwungen waren, fühlten sich von SAP im Stich gelassen. Der Softwarehersteller lasse seine Anwender im Stich, lautete die harsche Kritik seitens der Anwendervereinigung DSAG. SAP indes macht keinen Hehl daraus, an seinem Weg festhalten zu wollen. Der führe zielstrebig in eine modulare Cloud-Welt, macht Klein unmissverständlich klar.

SAP darf den KI-Anschluss nicht verpassen

Für SAP geht es auch darum, nicht wieder den Anschluss zu verpassen. Für das aufziehende KI-Zeitalter braucht es auf Kundenseite aufgeräumte, moderne SAP-Infrastrukturen, die sich flexibel mit neuen Funktionen erweitern lassen. Die Basis für solche Landschaften bildet heute die Cloud. Doch da sind viele SAP-Anwender mit ihren Systemen noch nicht.

SAP hatte den Cloud-Trend verschlafen. Während die Gründer im vergangenen Jahrtausend die großen Wendepunkte - im speziellen vom Großrechner- ins Client-Server-Zeitalter - souverän gemeistert hatten, wurde der Konzern von der Dynamik der Cloud überrascht - auch Plattner. Das Unternehmen startete spät mit eigenen Entwicklungen. Immer wieder drangen Gerüchte über gewaltige Softwareprojekte an die Öffentlichkeit. Herausgekommen ist wenig, Milliarden Euro wurden offenbar versenkt. Später versuchte SAP-Chef McDermott mit Übernahmen den Rückstand aufzuholen - Concur und SuccessFactors sind nur einige Namen.