In den vergangenen Jahrzehnten sind die Aufbauorganisationen in vielen Unternehmen durcheinandergeraten. Trends wie flache Hierarchien, Lean Startup, agile Projektteams sowie die gesellschaftlich geringere Akzeptanz von Autoritäten haben die Entscheider verunsichert. Wie viele Hierarchieebenen sind noch zielführend? Und wie stark darf Führung überhaupt noch sein?
Im Podcast "TechTalk Smart Leadership" von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO Online ordnet Stefan Kühl, Professor für Organisationssoziologie an der Universität Bielefeld und Organisationsberater bei Metaplan, die Entwicklung ein. "Hierarchie hat keine gute Reputation", sagt Kühl, "doch sie hat eine wichtige Funktion". Ohne sie käme es zu "lähmenden Machtkonflikten vielfältigster Art".
"Ohne mittleres Management geht es nicht"
Auch ohne ein mittleres Management geht es nicht, meint Kühl. Es sorge für "einen Puffer zwischen Geschäftsführung und operativer Ebene" und habe die Aufgabe, all das, was von der Managementebene strategisch vorgegeben wird, in Handlungen zu übersetzen. "Die Frage ist allerdings: Wie ausgeprägt möchte ich ein solches mittleres Management haben? Brauche ich sechs oder sieben Ebenen oder reichen drei bis vier?"
Kühl geht auch auf die Vor- und Nachteile der Matrixorganisation ein, an der offenbar noch immer kein Weg vorbeiführt. Wo Linien- und Projektorganisation aufeinandertreffen, haben Angestellte oft zwei oder mehrere Chefs - was laut Kühl zumindest für die Betroffenen kein Nachteil sein muss. Es könne einen gewissen Autonomiegewinn bedeuten, da die Menschen ihre Aufgaben oft eigenständig priorisieren und auch mal Ansagen ablehnen könnten. "Der Nachteil ist", so der Organisationssoziologe, "dass die Vorgesetzten sich in solch komplexen Organisationsstrukturen für Entscheidungen besser abstimmen müssen, was ihnen oft schwerfällt."
Aufstiegschancen motivieren
Wichtig sind Hierarchien laut Kühl auch deshalb, weil sie den Beschäftigten die Chance zu einem beruflichen Aufstieg bieten und damit motivierend wirken können. "Organisationen, die Hierarchiestufen radikal abgebaut haben, konnten sofort beobachten, dass Leute sagten: Soll ich jetzt die nächsten 20 Jahre hier arbeiten, ohne aufsteigen zu können? Was gibt es denn stattdessen?" Habe ein Unternehmen darauf keine gute Antwort, bekäme es ein Demotivationsproblem. "Das klingt fast pervers, aber es kann Sinn machen, eine Hierarchie aufrechtzuerhalten, nur damit die Anreizmechanismen weiter funktionieren." (mb)