Spätestens seit dem Release von GPT-3 haben es die Unternehmen eilig mit der Einführung von künstlicher Intelligenz (KI), um keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Doch die wichtige Frage lautet: Sind diese Unternehmen überhaupt bereit, das Potenzial der Technologie auszuschöpfen?
Im Rahmen einer Diskussionsrunde zum Thema "AI-ready Enterprise", mit der der Startschuss für die neue KI-Studie von Computerwoche und CIO fällt, sind sich die geladenen Experten weitgehend einig: Jeder will dabei sein, aber viele sind sich nicht im Klaren darüber, wo sie KI sinnvoll einsetzen können.
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Chancen erkennen und auch ergreifen
Generative KI bietet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, die weit über die Automatisierung einfacher Prozesse hinausgehen. Doch wie Kirsten Bruns von NTT Data Business Solutions feststellt, fehle den Unternehmen immer noch der Plan: "Der unstrukturierte Aktionismus, mit dem viele Unternehmen das Thema KI angegangen sind, hat einen strategischen Einstieg unmöglich gemacht. Der muss nun dringend nachgeholt werden - gerade im deutschen Mittelstand."
Dabei gäbe es genügend anstehende Herausforderungen, die sich durch den Einsatz von KI lösen ließen. Harald Gunia von Infosys betont in dem Zusammenhang, dass das gesamte Potenzial von generativer KI noch nicht genutzt und häufig unterschätzt werde - insbesondere die Möglichkeit, menschliches Fachwissen und fachspezifische Problemlösungen abzubilden. Also genau die Expertensysteme, die gerade jetzt in Deutschland helfen könnten, das Wissen und die Fähigkeiten der Babyboomer-Generation zu konservieren. Dies sei besonders relevant in Zeiten des demografischen Wandels, in denen viele erfahrene Fachkräfte in den Ruhestand gingen und ihr Wissen mit ihnen verloren zu gehen drohe.
Der AI-Act als Bremse
Die Diskussion um die Bereitschaft von Unternehmen, KI-Lösungen einzusetzen, zeigt, dass noch viel Potenzial ungenutzt bleibt. Während einige Vorreiter bereits erfolgreiche Anwendungen vorweisen können, kämpfen viele andere mit den Herausforderungen der Implementierung und Nutzung von KI. Andere fangen gar nicht erst an und warten lieber auf die nationale Umsetzung der europäischen KI-Verordnung (AI-Act). Und so bleibe zu hoffen, "dass wir dadurch nicht unseren Markt gefährden und im globalen Wettbewerb mit den USA, China oder Japan zurückfallen. Schon heute haben wir teilweise Schwierigkeiten, mit dem rasanten Tempo mitzuhalten," äußert sich Daniel Hummel von Reply etwas besorgt. Und auch Kirsten Bruns von NTT Data Business Solutions sieht so schnell noch keine rasante Entwicklung: "Budgets sind eindeutig da, aber gerade im DACH-Raum sind viele Unternehmen sehr vorsichtig und warten lieber noch den AI-Act ab."
- Volker Tjaden, Databricks
"Durch die DSGVO haben wir schon länger strengere Auflagen, um die Speicherung von Daten und den Zugriff darauf zu kontrollieren. Aber besonders bei großen Projekten und wenn KI anfängt Entscheidungen zu treffen, spielt Governance eine große Rolle." - Stephan Schulz, F5
"Es gilt erstmal sicherzustellen, dass diese AIs auch richtig genutzt werden. Jedem einzelnen Mitarbeiter muss klar sein, dass Interna und wichtige Daten nicht in irgendeine Suche oder Chat einzugeben sind. Beim Thema Sicherheit und Transparenz gibt es aktuell noch große Herausforderungen." - Harald Gunia, Infosys Consulting
"Der Standort Deutschland hätte die Chance, jetzt innovative Sachen zu machen, indem man das gesamte Potential von generativer KI nutzt und nicht nur das gleiche macht wie alle anderen auch." - Kirsten Bruns, NTT DATA Business Solutions
"Datendemokratisierung ist den Fachabteilungen zwar ein Begriff, aber die Datensilos in den Köpfen aufzubrechen erfordert, das Mindset grundlegend zu ändern. Dass man nicht mehr alle Daten generell vor anderen Bereichen schützen will, erfordert einen Wandel der Kultur, auch mit Unterstützung vom Management." - Wolfgang Dreyer, Oracle
"In verschiedenen Industrie-Segmenten haben wir teilweise große multinationale Unternehmen, die eigene Firmen ausgliedern, um AI-Services anzubieten. Das ist eine sehr gute und effiziente Art und Weise, einzusteigen." - Daniel Hummel, Reply
"Viele Kunden setzen KI ganz oben auf ihre strategische Agenda, ohne genau zu wissen, welche konkreten Ziele sie damit verfolgen möchten."
Über simple Prozesse hinaus
Dabei gibt es bereits einige Erfolgsgeschichten von Unternehmen, die innovative Lösungen entwickelt haben und durch den Einsatz von KI Wettbewerbsvorteile erzielen. Beispielsweise in der Automobilindustrie, wo durch KI die Produktion bis ins letzte Detail überwacht und optimiert wird - oder im Gesundheitswesen, wo KI-Systeme bei der Diagnose von Krankheiten und der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden unterstützen. Diese Anwendungen zeigen, dass KI nicht nur dazu beitragen kann, die Effizienz zu steigern, sondern auch die Qualität von Produkten und Dienstleistungen zu verbessern.
Allerdings sind die derzeitigen Lösungen nur unterstützende Prozesse und keine vollwertigen Automatisierungen. "In den kommenden Jahrzehnten könnten wir in bestimmten Aufgabenbereichen dieses Niveau erreichen. Bis dahin ist es entscheidend, dass wir die Benutzererfahrung so gestalten, dass der Mensch integriert bleibt und produktiv sowie effizient arbeiten kann", sagt Daniel Hummel von Reply. Es wird also zunehmend wichtiger werden, die Benutzerfreundlichkeit zu optimieren, um sicherzustellen, dass Mensch und Maschine harmonisch zusammenarbeiten können.
Die nächste Hürde stellt das "Fach" in den "Fachabteilungen" dar. Denn sobald das Vokabular zu speziell werde, stießen Chatbots schnell an ihre Grenzen, wie Volker Tjaden, Databricks feststellt: "Retrieval Augmented Generation - RAG - ist der Anwendungsfall, den wir bei Kunden aktuell am häufigsten sehen. Das hat den einfachen Grund, dass ChatGPT zwar weiß, wer die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 gewonnen hat, aber mit dem speziellen Vokabular und den Prozessen der Fachbereiche nichts anfangen kann." RAG kombiniert die Fähigkeit von KI, generische Informationen zu verarbeiten, mit spezifischem Fachwissen, um relevantere und genauere Antworten in spezialisierten Bereichen zu liefern.
Studie "AI-ready Enterprise 2024": Sie können sich noch beteiligen! |
Zum Thema "AI-ready Enterprise" führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Verantwortlichen durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Julia Depaoli (julia.depaoli@foundryco.com, Telefon: +49 152 90033824) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Zur Sicherheit
Um das volle Potenzial von KI zu nutzen, müssen Unternehmen also bereit sein, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und in neue Technologien zu investieren. Gleichermaßen bergen solche datenverarbeitende Technologien ein gewisses Sicherheitsrisiko. Dabei spielt auch die Ausbildung und Weiterbildung der Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle, um sich sicher auf der noch unbekannten grünen Wiese zu bewegen. Nur wenn die Belegschaft über die notwendigen Fähigkeiten und das Wissen verfügt, können die Vorteile von KI vollständig ausgeschöpft werden.
Die DSGVO reglementiert den Umgang mit Daten bereits in vielen Bereichen. Und selbst hier haben noch nicht alle Unternehmen ihre Mitarbeitenden entsprechend sensibilisiert. Doch wann immer neue Technologien entwickelt werden, entsteht ein neuer Anwendungsfall. Stefan Schulz von F5 sieht den Grund für das zögerliche Vorgehen daher nicht in den Sicherheitsbedenken der Unternehmen: "Wir sind gewohnt, diese Applikationen zu nutzen - aber problematisch ist oft, dass zuerst genutzt wird, dann entsprechende Regulierungen nachkommen und erst später an Security gedacht wird."
Für ihn bedeute AI-Security auch gleich API-Security, weil AI-Plattformen sehr stark von API-Kommunikation abhingen. Doch Themen wie Sichtbarkeit, Monitoring, Discovery und Echtzeitschutz könnten ebenfalls automatisiert umgesetzt werden.
Das Fazit dieser Expertenrunde lautet also: Das Budget wäre für die KI-Einführung bei vielen Unternehmen vorhanden - ebenso wie der Need, für einige Problemstellungen neue Lösungen zu entwickeln oder entwickeln zu lassen. Es bedarf jedoch eines ganzheitlichen Ansatzes beziehunsweise eines Plans, der sowohl technische als auch organisatorische und kulturelle Aspekte berücksichtigt, um die Vorteile von KI voll ausschöpfen zu können.
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