Zwang ist Gegenteil von Erholung
Manchmal sind aber auch wechselnde Phasen von Aktivität und Erholung ein funktionierendes Muster. "Was der Einzelne als entspannend erlebt, hängt von seiner Persönlichkeit und seinen Erfahrungen und Werten ab. Pauschale Vorstellungen, wonach man nur entspannen kann, wenn man wenig tut und kein Handy dabei hat, sind Unsinn. Es kann auch belastend sein, nicht erreichbar zu sein oder sich zu zwingen, zur Ruhe kommen zu müssen - Zwang ist das Gegenteil von Erholung", sagt Hilbert.
Berichte von einem Ausgebranntheitsgefühl im Urlaub analysiert Rolf Schneider pragmatisch. Sie sind für den Leiter der Neurologischen Klinik Aschaffenburg so etwas wie ein wertvolles Diagnoseinstrument. Wer drei Tage nach dem Bali-Trip schon wieder in den Seilen hängt, kann schwer die Augen davor verschließen, dass bei ihm etwas aus dem Ruder läuft. Daher rät Schneider seinen Patienten, die Ferien zu nutzen, um herauszufinden, wie es um sie steht.
Mit dem Laptop am Strand
"Pathogene Schieflagen treten im Urlaub besonders deutlich zutage", sagt Schneider. Der IT-Boss, der mit Laptop und Handy am Strand sitzt, Termine plant und Entscheidungen abnickt und nach dem Strand den nächsten Museumsgang auf die Tagesordnung setzt, stößt in den Ferien oft auf Widerstand. Plötzlich wird den anderen Familienmitgliedern deutlich, dass der Kneipenbummel, die stillen Stunden zu zweit, der unbeschwerte Nachmittag mit den Kindern illusorisch sind. Schneider: "Konflikte mit der Familie sollte man als Alarmsignal ernst und zum Anlass nehmen, sich sein Verhalten bewusst zu machen."
- Zielsicher in die Katastrophe
Viele Menschen steuern - bewusst oder weniger bewußt - über Jahre hinweg zielsicher auf den Burnout zu. Werden konsequent die häufigsten 13 Fehler gemacht, ist früher oder später der Burnout garantiert! - Allzeit bereit!
Bei Ihrem Job werden "flexible" Arbeitszeiten und Überstunden als selbstverständlich erwartet, auch Reisetätigkeiten, wechselnde Arbeitsplätze, internationale Zusammenarbeit über mehrere Zeitzonen hinweg und Erreichbarkeit 24 Stunden an sieben Tagen per Blackberry, Handy & Co. - Brennen für den Job
Ihre Tätigkeit begeistert Sie, Überstunden stören Sie nicht. Sie stehen für Flexibilität, Schnelligkeit und höchste Qualitätsansprüche. Das Team, der Chef, der Auftraggeber und alle anderen können sich stets auf Sie verlassen. Sie sind ehrgeizig, der nächste Schritt zum Projekt-Manager, Team- oder Abteilungsleiter winkt und fordert vollen Einsatz auf gleichbleibend hohem Niveau. Brennen Sie für Ihre Aufgaben, das Projekt, Ihr Team, Ihr Unternehmen - bis Sie ausgebrannt sind. - Entspannen? Was ist das?
Signale wie anhaltende Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Leistungsabfall, Schlafstörungen sowie die Unfähigkeit abzuschalten und aufzutanken, ignorieren Sie. Bedienen Sie sich bei auftretenden Zipperlein großzügig an Produkten der Pharmaindustrie. - Nur nicht wütend werden
Kümmern Sie sich auf keinen Fall um Ihre Gefühle. Wut, Ärger, Ängste, das Gefühl von Überforderung oder ständiger Gehetztheit ignorieren Sie, ebenso wie das Schwinden Ihrer Lebensfreude, zunehmende Teilnahmslosigkeit, Sinn- und Lustlosigkeit und Depressionen. Bei zunehmendem Leeregefühl lösen Sie sich von der Idee, dass Arbeit Sie innerlich erfüllen könnte. - Immer schön fleißig sein!
Ineffektiv verbrachte Arbeitszeit kompensieren Sie mit Mehrarbeit. Das vertreibt auch die Langeweile am Wochenende und im Urlaub. Sind Sie Freiberufler, verzichten Sie ganz auf Urlaub. Sie müssen die Aufträge abarbeiten, oder das Geld reicht nicht. Machen Sie möglichst mehrere Dinge gleichzeitig, um Zeit zu sparen. Sagen Sie "Ja" zu jeder neuen Aufgabe. - Verzweifelt? Sie doch nicht!
Machen Sie sich unentbehrlich. Auch wenn es unmöglich ist und Sie der Verzweiflung nah sind, versuchen Sie, möglichst alle Erwartungen von Teamkollegen, Auftraggebern, internen und externen Projektmitarbeitern, Vorgesetzten und Ihrer Familie und Freunde zu erfüllen. Am besten übertreffen Sie noch deren Erwartungen. - Warnsignale?
Verwerfen Sie sämtliche Warnungen, Vorhaltungen, Vorwürfe, Bitten und Sorgen von Ihrer/m Partner/in, Angehörigen oder Kollegen. Ihre Ausreden sollten wasserdicht sein: "Nach diesem Projekt wird alles besser" oder "nur noch dieser Fall". Oder: "Die Umstände/der Vorgesetzte/der Auftraggeber zwingen mich dazu, ich habe keine Wahl." - Im Hamsterrad
Hämmern Sie sich und anderen ein, es geht nicht anders, in Ihrem Job jedenfalls nicht. Wenden Sie sich dennoch auf Drängen anderer an eine professionelle Beratung, werden Sie es sicher verstehen, die Sinnlosigkeit dieser Maßnahme unter Beweis zu stellen. - Nur nicht drüber reden!
Gehen Sie auf Distanz zu Menschen, zu denen erstaunlicherweise noch Kontakt besteht. Als Eigenbrötler können Sie leichter die Fassade wahren. Sagen Sie niemandem, wie es Ihnen geht. Gemeinsame Mittags- und Kaffeepausen mit Kollegen sind zeitlich unmöglich, die Zeit mit der Familie wird immer knapper. - Jede Minute zählt - zum Arbeiten.
Streichen Sie sämtliche Hobbys einschließlich sportlicher Betätigungen. Falls Sie doch noch ein Privatleben haben, gestalten Sie die Terminplanung zwischen ihm und dem Job noch engmaschiger, nutzen Sie jede freie Minute. - Gesund leben? Maßlos überschätzt!
Gesundes Essen wird als Zeitkiller abgeschafft zugunsten von Fast Food und belegten Semmeln. Damit Sie überhaupt entspannen und von Ängsten und anderen unangenehmen Gefühlen abschalten können, gönnen Sie sich regelmäßig abends etwas Alkoholisches. - Perfektion, Perfektion, Perfektion
Seien Sie nie zufrieden mit Ihren Ergebnissen, auch wenn andere begeistert sind. Sie sind Ihr strengster Kritiker. Weniger als perfekt kommt für Sie nicht in Frage. Stecken Sie sich zusätzliche Ziele. Erlernen Sie eine Fremdsprache, machen Sie eine berufsbegleitende Ausbildung und laufen Sie Marathon. - Probleme? Ach was!
Lösen Sie keine Konflikte und Probleme grundlegend. Schieben Sie alles vor sich her, damit der Berg von Unerledigtem immer höher wird. - Ein Ausstieg ist möglich!
Falls Sie sich in unserem Text zu stark wiedererkennen, steiegen Sie aus! Je früher, desto besser. Gehen Sie zum Arzt, ändern Sie Ihre Lebensweise, solange es noch früh genug ist. Das raten Ihnen Ruth Hellmich, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin von CoachingTraining.
Sicher ist: Patentrezepte für einen erholsamen Urlaub gibt es nicht. Es gibt durchaus Manager, die sich am besten beim Himalaya-Trekking entspannen. Nach Einschätzung von Burnout-Fachmann Sprenger tut den meisten Vielarbeitern aber eine Besinnung auf das Einfache gut. Das heißt einerseits für den Körper angemessene Bewegung - "Spaziergang oder leichtes Jogging statt perverser Marathon-Einheiten" -, ausreichend Schlaf und ausgewogene Ernährung: regelmäßig, nicht zu üppig und wenig Alkohol. Andererseits Reflexion für den Geist: Wie geht es meiner Beziehung? Habe ich Zeit für Freunde und Verwandte? Schätze ich mich selbst wert - auch wenn ich nichts Außergewöhnliches leiste? Was sind meine Ziele, und warum verfolge ich sie? Habe ich Spaß an meiner Arbeit und am Leben? "Für viele ist zunächst nicht vorstellbar, dass es um nichts weniger als einen Paradigmenwechsel für das eigene Leben gehen könnte", sagt Sprenger. "Und eben nicht darum, sich mal eben schnell mit Wellness- und Beauty-Treatments wieder fit für die nächste Runde zu machen."