Wenn Manager nicht abschalten können

Burnout im Urlaub

28.07.2012
Von Anja Dilk und Heike Littger

Die hibbelige Gesellschaft

Dahinter verbirgt sich nach Sprengers Einschätzung die Funktionsweise einer "zunehmend hibbeligen Gesellschaft, die von einem permanenten Zuviel geprägt ist". Ein Zuviel an Angeboten, Optionen, Leistungserwartungen, Genussversprechen. Dieses Zuviel setzt sich im Urlaub fort. Das Geschäft mit Aktivurlauben und Abenteuerferien boomt ebenso wie Kreuzfahrten, Pauschaltrips und Ferienclubs mit einem Rund-um-die-Uhr-sorglos-Programm. Ein Sportangebot jagt das nächste, schon am Frühstücksbuffet winkt der Animateur, das Kreuzfeuer von Terminen vertreibt die Furcht vor Langeweile und Nichtstun. Und dreimal am Tag warten kulinarische Genüsse, die den Körper überfordern. "Viele Ferienanbieter bauen damit die Struktur des Berufslebens nach - und holen so das permanente Zuviel in den Urlaub hinein", sagt Sprenger. "Weil manche Urlauber auf keinen Fall etwas auslassen wollen, laufen sie fast automatisch in die Falle."

Das Zuviel ist das eine. Auch das Runterkommen und auf die Bremse treten kann Probleme verursachen. Als der SAP-Berater Hartmut Wagenburg** für zwei Wochen auf Erholungskur nach Mallorca startete, fiel es ihm schwer, sich auf den Rhythmus seiner Familie einzulassen. Das gemeinsame Kuscheln im Bett, der Spaziergang zum Bäcker, das Buddeln im Sand - alles ging dem 38-Jährigen zu langsam und schließlich auf die Gesundheit. "Erst wurde ich aggressiv, dann fühlte ich mich immer schlapper, zum Schluss kam ich fast gar nicht mehr aus dem Bett", erinnert sich Wagenburg. Seine Frau verlangte, dass er sich zusammenreiße und der Familie widme. "Aber ich konnte beim besten Willen nicht. Ich fühlte mich einfach nur elend."

Jörg-Peter Schröder, Arzt und Coach: "Auszubrennen hat auch damit zu tun, es allen recht machen zu wollen."
Jörg-Peter Schröder, Arzt und Coach: "Auszubrennen hat auch damit zu tun, es allen recht machen zu wollen."
Foto: Jörg Peter Schröder

Zurück in Deutschland ging er zu Jörg-Peter Schröder. Der Arzt und Coach aus Rheinhessen berät Manager, die nur noch ihren Job kennen. "Der Urlaub ist eine knifflige Zeit. Während sonst klar ist, der Papa geht morgens aus dem Haus und kommt abends erst spät heim, gibt es in den Ferien kein Verständnis für ‚Ich kann jetzt nicht.`" Zu lange haben Partner und Kinder auf die gemeinsame Zeit gewartet.

Eine Woche Kloster klappt nicht

Um Hartmut Wagenburg besser auf den nächsten Urlaub vorzubereiten, hat Schröder mit seinem Kunden Kofferpacken geübt. Müssen Tablet und Smartphone wirklich mit? Was ist mit Fotoapparat und Surfanzug? Wie viel Zeit will ich meiner Familie widmen, und wie viel brauche ich für mich? Schröder: "Auszubrennen hat auch immer etwas damit zu tun, es allen recht machen zu wollen, nicht Nein sagen zu können. Seine eigenen Bedürfnisse zu übergehen. Und sich für unentbehrlich zu halten."

Doch es ist extrem schwer, gewohnte Muster zu durchbrechen. Andreas Hillert, Chefarzt an der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee, beobachtet das jeden Tag. Ihn wundert es wenig, dass Burnout-gefährdete Power-Arbeiter auch in den Ferien nicht locker lassen: "Sie könnten gar nicht nichts tun." Es wäre auch ein fataler Fehler, es von ihnen zu verlangen: Ein Mensch, der 60 Stunden pro Woche hocheffizient arbeitet, kann nicht plötzlich eine Woche im Kloster hocken, abgeschnitten von Handy, Internet und E-Mail. "Er hat keine Strategien, so etwas gut zu finden oder gar zu genießen." Hillerts Rat: Eine Urlaubsform finden, die zu den Handlungsmustern passt, aber der Person nicht schadet. "Für aktive Menschen dürfte ein angemessen aktiver Urlaub erholsamer sein, als von einem Extrem ins andere zu fallen."