Wenn Manager nicht abschalten können

Burnout im Urlaub

28.07.2012
Von Anja Dilk und Heike Littger
Viele IT-Profis können auch in den Ferien nicht loslassen. Ärzte und Coaches sagen, was zu tun ist, damit die Erholungszeit nicht in Freizeitstress ausartet.

Der Kletterurlaub hatte es in sich. Morgens die steilen Serpentinen hinauf, mittags konzentrierter Kraxelgang am Klettersteig, nachmittags Slakline-Training vor der Berghütte, abends Knotenkunde und Sicherungstraining. Und dann ein ordentliches Bier. Oder zwei oder drei.

Jens Mischker** erinnert sich an diesen Durchlauf, als sei er gerade erst vorbei. An das Hochgefühl auf dem Gipfel. An den ausgepumpten Körper, den der Softwareentwickler endlich wieder mehr spürte als an seinen gehetzten Bürotagen. Ein toller Urlaub, wäre da nicht jener Samstagabend gewesen, an dem er auf der Hüttentreppe zusammensackte. War das geballte Sportprogramm an frischer Bergluft nicht genau das, wonach er sich gesehnt hatte? Doch das flaue Gefühl ließ sich nicht vertreiben. Immer wieder knickte der 36-Jährige ein. Zurück daheim ging Mischker zum Arzt. Diagnose: Burnout im Urlaub.

Die Spirale von Hast und Perfektion

Dass die Zahl der Burnout-Kranken seit Jahren zunimmt, ist längst bekannt, gerade in der IT-Branche. Doch über Burnout im Urlaub wird wenig gesprochen. Schließlich sind die Ferien der Raum, in dem Organismus und Psyche wieder zu ihrem Recht kommen und Kraft tanken sollen für die nächste Runde.

Bernd Sprenger, Arzt: "Man muss die Illusion der perfekten Kontrolle aufgeben."
Bernd Sprenger, Arzt: "Man muss die Illusion der perfekten Kontrolle aufgeben."
Foto: Bernd Sprenger

Genau da liegt für Bernd Sprenger der Knackpunkt. "Menschen, die sich im Beruf stets an der obersten Grenze der Leistungsfähigkeit bewegen, laufen im Urlaub in derselben Richtung weiter", sagt der Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Berlin. "Sie drehen an der gleichen Schraube von Hast, Perfektion und immer mehr. Und halten das für erholsam." Ein fataler Irrtum, dem jene aufsitzen, die ohnehin dazu neigen, sich dauerhaft zu überfrachten. Weil sie perfektionistisch der Idee erliegen, allem gerecht werden zu müssen. Weil sie sich nicht abgrenzen können. Weil sie glauben, mit reiner Willenskraft alles erreichen zu können und alles im Griff zu haben.

Die Illusion der perfekten Kontrolle

Das sind gefährliche Verhaltensmuster, die nur schwer aufzubrechen sind. "Solchen Menschen ist das Gefühl für den eigenen Rhythmus verloren gegangen", sagt Sprenger. "Der Wechsel zwischen Anstrengung und Loslassen gehört zum Leben. Man muss die Illusion der perfekten Kontrolle aufgeben, um dem Burnout zu entkommen."

Der Arzt behandelt ausgebrannte Führungskräfte und Unternehmer. Zunehmend begegnet er einer neuen Erscheinungsform des Burnouts: Urlauber, die nach drei Wochen Abenteuerurlaub schlapp im Bürostuhl zusammensinken oder wie Jens Mischker bereits vor Ort zusammenbrechen. "Die Zahl der Fälle hat in den vergangenen zwei, drei Jahren erheblich zugenommen", sagt Sprenger. Vor allem Menschen zwischen 30 und 50 Jahren, die im Job sehr leistungsbezogen sind, machen im Urlaub gern im gleichen Tempo weiter.