"In drei Jahren wollen wir 35 Prozent weniger Leute haben"
CW: Wenn ich mir Ihren Wettbewerber Infosys anschaue, dann glaube ich, dass der neue CEO Vishal Sikka einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Automation ist für alle Offshoring-Unternehmen elementar, weil sich an dieser Stelle die eigenen Betriebskosten am ehesten senken lassen.
KURIEN: Absolut richtig. Aber wenn man wirklich glaubt, dass das wichtig für einen ist, dann sollte man auch einen Pfahl in den Boden rammen und sagen: So machen wir’s. Wir haben gesagt: Wir haben heute 158.000 Leute weltweit bei Wipro beschäftigt. In drei Jahren wollen wir 35 Prozent weniger Leute haben. Das ist der Pfahl, den wir in den Boden gerammt haben.
CW: Kommen wir zum deutschen Markt. Wie viele Kunden haben Sie hier und in welchen Märkten bewegen sie sich?
KURIEN: Ich kann Ihnen die Namen unserer Kunden nicht nennen. Aber wir haben schon einige hier. Wir sind stark im Banking-Bereich, bei den Versorgern, der Automotive-Branche, Maschinenbau und Elektrotechnik.
CW: Wie stark treffen Sie Probleme wie die Euro-Schwäche oder der Ölpreiseinbruch?
KURIEN: Stark. Wir sind der drittgrößte IT-Dienstleister für Ölkonzerne weltweit. Aber jede Schwächephase eröffnet auch Chancen. Für uns ist es wichtig, zu unseren Kunden zu stehen, wenn es mal nicht so läuft. Das zahlt sich später aus. Außerdem sind schlechte Zeiten eine Gelegenheit, sich zu hinterfragen und besser aufzustellen. Das tun wir.
"Es geht um Aggressivität"
CW: Haben klassische europäische IT-Dienstleister wie Atos, Capgemini oder T-Systems jetzt nicht aufgrund der günstigen Währungsbedingungen einen großen Vorteil?
KURIEN: Am Ende geht es nicht um Währungen, sondern um die Art und Weise, wie man arbeitet. Es geht um Aggressivität. Wir bei Wipro sehen uns als Attackierer, nicht als Verteidiger. Menschen, die Schlösser bauen und darin geschützt und ungestört leben wollen, werden irgendwann angegriffen, ihre Burg wird geschliffen. Verteidigung ist der falsche Weg. Wir sind von unserem Naturell her die Angreifer. Wir streben immer 12 bis 15 Prozent Wachstum an, nicht Stagnation oder ein kleines Plus.
- So wechseln CIOs den Outsourcing-Partner
Bei Unzufriedenheit unbedacht den Dienstleister zu wechseln ist gefährlich. Zu prüfen sind unter anderem Laufzeit, Folgekosten und Optionen wie Multisourcing. - 1. Die Gründe für das Outsourcing nochmals überprüfen:
"Rufen Sie sich die Gründe dafür zurück, warum Sie sich ursprünglich zum Auslagern entschieden haben", rät Edward J. Hansen von der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie. Wenn diese Gründe immer noch gelten, reicht es, sich einen neuen Dienstleister zu suchen. Falls nicht, muss die ganze Strategie überdacht werden - und das Unternehmen entschließt sich möglicherweise zum Insourcing. - 2. An die Vertragslaufzeiten denken:
Wer den Anbieter wechseln will, tut das am besten, wenn das bisherige Abkommen ausläuft. Die Zusammenarbeit während der Laufzeit zu beenden, ist nur in dringenden Fällen ratsam. - 3. Den Vertrag genau studieren:
Es kann Streit ums Geld geben, wenn ein Vertrag vorzeitig beendet werden soll. Schon aus diesem Grund muss der bestehende Vertrag genauestens unter die Lupe genommen werden. Wer geschickt ist, baut in künftige Abkommen ein, in welcher Weise ein Dienstleister den Kunden bei einem Provider-Wechsel unterstützen muss. - 4. Wiederverhandeln kann sinnvoller sein als Aussteigen:
Ein Anbieterwechsel kann sich kompliziert gestalten. Wer das vermeiden will, sollte den bestehenden Vertrag lieber neu verhandeln. Entscheider müssen die eigenen Motive für den Wunsch nach einem Wechsel überprüfen. - 5. Den bestehenden Dienstleister durchleuchten:
Dieser Punkt knüpft an den vorhergehenden an. Wenn der Grund für den Wechsel-Wunsch darin liegt, dass der Dienstleister schlechte Qualität liefert, muss sich auch der Kunde nach den Gründen dafür fragen. Ein offenes Gespräch kann in Neu-Verhandlungen statt im Wechsel enden. - 6. Es wird Ärger mit dem Faktor Mensch geben:
Wenn Mitarbeiter des neuen Dienstleisters ins eigene Unternehmen kommen, kann es zu zwischenmenschlichen Reibereien kommen. Das darf nicht unterschätzt werden. - 7. Beim Wechsel mit unproblematischeren Teilen beginnen:
Rechenzentrum-Services oder Disaster Recovery bieten sich als Erstes an, wenn der Dienstleister gewechselt werden soll. Generell gilt: Nicht mit dem Kompliziertesten anfangen! - 8. Die Kosten eines Wechsels kalkulieren:
Wer durch den Wechsel des Anbieters Kosten senken will, muss bedenken, dass die Neu-Organisation des Outsourcings selbst auch Geld kostet. Diese Ausgaben müssen gegen mögliche Einsparungen abgewogen werden. - 9. Multisourcing als Alternative:
Wer das bisherige Abkommen auflösen will, zielt meist auf Multisourcing ab, statt sich wieder für einen einzigen Anbieter zu entscheiden. Das ist zumindest die Beobachtung von Jeffrey Andrews (Anwaltskanzlei Thompson & Knight). Entscheider sollten sich des damit verbundenen Zeitaufwandes bewusst sein. - 10. Aus den eigenen bisherigen Fehlern lernen:
Das vielleicht Wichtigste ist, die eigenen Erfahrungen festzuhalten, um beim nächsten Mal daraus zu lernen.
CW: Wenn Sie Wachstum bei geringerem Headcount wollen, wird Automation nicht reichen. Sie brauchen innovative, höherwertige Services. Welche Rolle spielen Startups und Übernahmen in ihren Überlegungen?
KURIEN: Eine sehr interessante Frage. Wir investieren jedes Jahr 100 Millionen Dollar in Startups.
CW: Kaufen Sie auch zu?
KURIEN: Das ist nicht das Ziel. Wenn Sie ein Startup kaufen und in ein Großunternehmen integrieren, töten Sie es. Wir wollen von ihnen lernen, aber sie nicht absorbieren. Das machen wir höchstens, wenn wir enorme Werte für einen ganz bestimmten Unternehmensbereich sehen. Wir nutzen die Technik, die diese Startups haben, und ihre Skills. In der IT-Welt geht es heute vor allem um Talente, und es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese an sich zu binden. Sich mit Startups einzulassen und gute Ideen und Geschäftsmodelle zu fördern, ist eine davon.
CW: Im Zuge der Digitalen Transformation wird viel über Disruption gesprochen. Was sind die disruptiven Herausforderungen für Wipro?
KURIEN: Ich spreche lieber von Wandel. Für uns geht es darum, uns schneller als der Markt zu wandeln und dem Wettbewerb voraus zu sein. Unser Geschäft ist künftig zweigeteilt. Im klassischen Outsourcing geht es weiterhin um stabile, langjährige Kundenbeziehungen, nicht um Disruption. Im digitalen Business tut sich ein neues Universum auf, da müssen wir innovativ und vorneweg sein.
"Wir tragen keine Anzüge"
CW: Demnach braucht Wipro Digital auch eine andere Kultur als das klassische Geschäft.
KURIEN: Das ist ein Grund dafür, dass wir Wipro Digital komplett unabhängig aufgestellt haben. Wir haben es dort mit einem anderen Kaufverhalten und mit anderen Menschen zu tun. Die müssen wir anders ansprechen. Bei Wipro Digital tragen wir beispielsweise keine Anzüge. Die Leute sitzen in offenen Büro-Arrangements zusammen. Alle Incentive-Pläne sind für Teams gemacht, sie basieren auf Kundenerfolg.
CW: Wäre es nicht eine gute Idee, diesen kulturellen Wandel für Wipro ingesamt herbeizuführen?
KURIEN: Das glaube ich nicht. Die Geschwindigkeiten der Geschäfte sind zu unterschiedlich. Wenn wir diese Geschwindigkeit auf unser Hauptgeschäft übertragen würden, bekämen wir Probleme. Wir würden dort signifikante Disruption schaffen - im negativen Sinne. Das wollen auch die Kunden nicht hören, wenn ich denen heute sage: Wir werden das Data-Center-Geschäft ganz anders aufstellen. Im alten Kerngeschäft geht es um Zuverlässigkeit, Stabilität und Kosten. In der Wipro Digital geht es um Disruption, Innovation und Wandel. Zwei völlig verschiedenen Welten, und wir müssen in beiden agieren. In der neuen Welt müssen wir uns vorantasten und herausfinden, wie die Zukunft aussieht. Das entspricht unserem Slogan: "Sense forward and respond today". (sh)
- Zehn Thesen zur Digitalisierung
In Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister Dimension Data hat Crisp Research Ende letzten Jahres die unabhängige Studie "Digital Business Readiness" umgesetzt. Ziel war es, ein Stimmungsbild deutscher Unternehmen zum aktuellen Stand ihrer digitalen Transformation zu zeichnen. Hier finden Sie Zehn Thesen, die sich aus dieser Studie ableiten lassen - 1. Die digitale Transformation ist bereits in vollem Gange ...
... und hat mittlerweile sämtliche Branchen mehr oder minder fest im Griff. Dennoch steht die Wirtschaft noch am Anfang eines langen Transformationsprozesses. - 2. Die digitale Transformation wird die Unternehmen ...
... in den kommenden Jahren in Gewinner und Verlierer spalten. - 3. Das Gros der deutschen Unternehmen hat erkannt, ...
... welche weitreichenden Implikationen der digitale Umbruch nach sich zieht. Die absolute Mehrheit sieht sich gut bis sehr gut dafür aufgestellt. Allerdings haben nur 42 Prozent bislang eine funktionierende Digitalstrategie. - 4. 39 Prozent der befragten Unternehmen sehen sich als Profiteure ...
... und Gestalter des digitalen Wandels. 61 Prozent bezeichnen sich als Mitläufer und Skeptiker. - 5. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Digital Excellence ...
... und der erfolgreichen Implementierung einer Digitalstrategie. So haben bereits zwei Drittel (67 Prozent) der Digital Champions (Profiteure und aktive Gestalter) ihre Strategie erfolgreich implementiert und mit der Umsetzung in die Praxis begonnen. - 6. Die IT-Abteilungen sind die entscheidenden Akteure, ...
... wenn es gilt, die Strategie zu entwerfen und die Aktivitäten im Prozess der digitalen Transformation zu steuern und umzusetzen. Allerdings wirkt das Thema weit über die Grenzen der IT-Abteilung hinaus. - 7. Die Kunden sind Treiber der digitalen Transformation.
Von ihnen gehen die Veränderungen aus. - 8. Das Rechenzentrum ist das Epizentrum der Digitalisierung.
Für mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) ist es die alles entscheidende Basis der Digitalisierung. - 9. Für eine zukunftssichere Infrastruktur ...
... sind Investitionen nötig, die über das Rechenzentrum hinausgehen. - 10. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen glauben, ...
... dass sie für eine konsequente Umsetzung der digitalen Transformation professionelle Partner brauchen. Diese sollten eine hohe Kompetenz bei der IT-Integration sowie umfangreiches Prozess- und Branchen-Know-how mitbringen.