CW: Sie haben in den vergangenen Monaten einige Veränderungen in Ihrem Management vorgenommen. Mit Abid Ali Neemuchwala haben Sie erstmals einen COO eingestellt, der von Tata Consultancy Services kommt. Warum dieser Schritt?
KURIEN: Das ist im Wesentlichen den Veränderungen im Markt geschuldet. In der Vergangenheit haben die Kunden Services von uns gekauft, basierend darauf, wie sie selbst organisiert waren. IT-Abteilungen hatten einen Applikations-, einen Infrastruktur-, einen Daten-Verantwortlichen. Jeder hat genau das geordert, was seinen Interessen entsprach.
Wir glauben, dass die Welt der IT-Infrastruktur nun in eine neue Phase eingetreten ist. Kunden kaufen Services jetzt auf einem Prozess-Level: Infrastruktur, Anwendungen und Daten werden als kombinierter, integrierter Stack gekauft. Es geht darum, Dinge zu vereinfachen und Kosten zu senken - wobei Effizienz nur ein Aspekt von mehreren ist.
Vor diesem Hintergrund verantwortet mein COO alles, was Prozesse inklusive Anwendungen, Infrastruktur und Daten betrifft. Dazu entwickelt er einen Service-Integration-Layer, der über allem liegt. Wir brauchen jemanden, die das ganze überblickt und aus Kundensicht für eine integrierte Lösung verantwortlich ist. Dafür haben wir jetzt einen COO.
CW: Was bedeutet das für die Effizienz im Bereich Service Delivery?
KURIEN: Der Backoffice-Stack, den wir all die Jahre an verschiedene Kundenbedürfnisse angepasst haben, wird künftig standardisierter und viel einfacher zu verwalten sein. Hier geht es um Integration und um Kosten. Wir haben in unserem klassischen Geschäft alle existierenden Stacks in einen einzigen integriert. Und wir haben als zweite große Division Wipro Digital aufgemacht. Services für die digitale Transformation werden in einer völlig anderen Art und Weise eingekauft als traditionelle Backoffice-Services.
CW: Wie sehen Sie künftig Ihre Rolle als CEO von Wipro? Sind Sie nur noch für Strategie und Innovation verantwortlich?
KURIEN: Ich sage Ihnen, wie es laufen wird: Der COO wird derjenige sein, der alle Service-Lines integrieren und für die Delivery zuständig sein wird. Er ist aus Kundensicht für den Stack verantwortlich und liefert. Die Verticals, die unsere Kunden mit ihrem Domain-Wissen adressieren, werden dagegen an mich berichten. Marktzugang, insbesondere auch zu neuen Märkten, und das Digital-Business werden mein Fokus sein.
- Autobauer, Einzelhandel und sogar Tagebau
Wir zeigen gelungene Beispiele für die digitale Transformation deutscher und internationaler Unternehmen. - Red Tomato Pizza Dubai
Wer in Dubai Hunger auf Pizza bekommt, dem gereicht ein Knopfdruck zum Italo-affinen Gourmet-Glück. Der Red Tomato-Lieferdienst bietet einen Kühlschrank-Magneten an, der über die Koppelung an ein Smartphone dafür sorgt, dass die Lieblingspizza ofenfrisch und frei Haus schnellstmöglich anrückt. - Hamburger Hafen
Der Hamburger Hafen ist Europas zweitgrößter Containerhafen. Um die Effizienz der begrenzten Verkehrswege zu verbessern und größere Gütermengen umschlagen zu können, hat die für das Hafenmanagement zuständige Hamburg Port Authority (HPA) zusammen mit der SAP und der Deutschen Telekom in einem Pilotprojekt die IT-Logistikplattform "Smart Port Logistics" aufgebaut. Die IT-Lösung soll die Unternehmen, Partner und Kunden des Hafens enger miteinander vernetzen.<br /><br />Durch ein IT-gestütztes Verkehrsmanagement will man LKW-Fahrern Echtzeit-Informationen zu Frachtaufträgen und zur Verkehrslage bereitstellen. Dadurch sollen Staus im Hafen und auf den Zufahrtswegen sowie Wartezeiten minimiert und der Warenfluss optimiert werden. Die IT-Logistikplattform ist mit mobilen Applikationen ausgestattet, über die Lkw-Fahrer Verkehrsinformationen und Dienstleistungen rund um den Hafen mithilfe mobiler Endgeräte wie Tablet-PCs oder Smartphones abrufen können. - Drive Now
In kaum einem Industriezweig vollzieht sich die Digitalisierung so vielschichtig wie im Automotive-Sektor. Einen besonderen Stellenwert nehmen dort seit einigen Jahren die "individuellen Mobilitätsleistungen" ein - besser bekannt unter dem Schlagwort Carsharing. Der Münchner Autobauer BMW hat gemeinsam mit seiner Tochter Mini und dem Autovermieter Sixt das DriveNow-Programm ins Leben gerufen. Gefunden und gebucht wird ein Fahrzeug in der Nähe per Smartphone-App, bezahlt wird per Kreditkarte. - SK Solutions
SK Solutions koordiniert mithilfe einer neuen Plattformlösung Kräne und andere Maschinen auf Baustellen. Eingebaute Sensoren sammeln Echtzeit-Daten für die Live-Analyse; Bewegung und Steuerung der Baustellenperipherie werden daraufhin automatisch angepasst, um Unfälle und Kollisionen zu verhindern, die sonst - möglicherweise auch erst in einer Woche - passieren würden. - Xbox Live
Disketten und Cartridges sind längst passé - nun wendet sich die Gaming-Industrie langsam aber sicher auch von der Disc ab. Wie Sonys PlayStation Network bietet auch der Xbox Live-Service inzwischen viel mehr als nur Multiplayer-Schlachten. Games- und Video-on-Demand-Dienste machen physische Datenträger nahezu überflüssig. Zahlreiche Apps wie Youtube, Netflix oder Skype verwandeln die aktuellen Spielkonsolen in Multimedia-Stationen. - Novartis & Google
Der Schweizer Novartis-Konzern gehört zu den wenigen großen Playern der Pharma-Industrie, die die Digitalisierung vorantreiben. Zu diesem Zweck haben sich die Eidgenossen die Lizenz gesichert, Googles Smart Lens-Technologie für medizinische Zwecke nutzen und vermarkten zu dürfen. Konkret arbeiten die Wissenschaftler derzeit an neuartigen Kontaktlinsen. Diese sollen sowohl Diabetikern als auch Menschen die auf eine Sehhilfe angewiesen sind, zu mehr Lebensqualität verhelfen. Das funktioniert mittels Sensoren und Mikrochip-Technologie sowie der Koppelung an ein smartes Endgerät. Zum einen soll die Kontaktlinse so in der Lage sein sollen, den Blutzuckerspiegel eines Menschen über die Augenflüssigkeit zu messen, zum anderen die natürliche Autofokus-Funktion des menschlichen Auges wiederherstellen. - Dundee Precious Metal
Die kanadische Minengesellschaft Dundee Precious Metal setzt unter Tage klassische Netztechnik wie WLAN oder 10-Gigabit-Glasfaser ein, um den Bergbau zu automatisieren und Edelmetalle effizienter zu fördern. Laut CIO Mark Gelsomini arbeitet das Unternehmen dank der neuen Technik nun 44 Prozent effizienter.<br /><br />Im ersten Schritt wurden klassische Kommunikations-Devices auf Voice over IP und Voice over WLAN umgestellt sowie neue Sensorsysteme verbaut. Fernziel ist, dass die Geräte unter Tage künftig ferngesteuert von der Oberfläche gesteuert werden, um so die Zahl der Bergleute, die einfahren müssen, zu reduzieren. - Axel Springer
Beim größten deutschen Medienhaus Axel Springer nimmt die Digitalisierung einen hohen Stellenwert ein. Im Jahr 2012 erwirtschaftete Springer mit den digitalen Medien erstmals mehr als mit seinen Print-Erzeugnissen. Doch nicht nur Paid-Content-Modelle wie "Bild Plus" sorgen für klingelnde Kassen - auch das Jobportal Stepstone.de, die Beteiligung an der Fitness-App Runtastic, die Etablierung des Reisemagazins travelbook.de, sowie zuletzt die Übernahme der Plattform Immowelt zeugen von dieser Entwicklung. - General Motors
General Motors hat eine eigene Software-Entwicklungsabteilung mit 8000 Developern aufgebaut und damit einen Outsourcing-Vertrag mit HP abgelöst, der den Konzern drei Milliarden Dollar im Jahr kostete. Der Autobauer entwickelt die Software-Lösungen für seine Autos und den internen Gebrauch nun komplett selbst, um besser auf Kundenwünsche eingehen zu können. - Deichmann
Wenn es um Schuhe geht, ist derzeit kein Unternehmen in Deutschland erfolgreicher als Deichmann. Das dürfte auch daran liegen, dass das Familien-Unternehmen als erster Schuhhändler Deutschlands einen Online-Shop installierte - im Jahr 2000. Inzwischen fährt Deichmann eine Omnichannel-Strategie und möchte den Online-Handel konsequent mit klassischen Einzelhandels-Geschäftsmodellen verknüpfen... - Deichmann
... Konkret sollen im Herbst die beiden Modelle "Ship2Home" und "Click&Collect" starten: Kunden sollen Schuhe, die im Laden nicht auf Lager sind, bequem nach Hause ordern können oder - andersherum - online in die Filiale. Social Networking, Blogging und Apps gehören ebenfalls zum Konzept von Deichmann. Dabei scheut man sich auch nicht davor, neuartige Konzepte zu testen. So bot das Unternehmen für einige Zeit auch virtuelle Schuhanproben an - die sich allerdings nicht durchsetzten. - Kreuzfahrtschiff "Quantum of the Seas"
Satelliten-Wifi auf Hochsee, Cocktails an der Bionic-Bar, digitaler Meerblick in der Innenkabine, bargeldloses Zahlen an Bord mit RFID-Armbändern und lückenloses Gepäck-Tracking: Die "Quantum of the Seas" von Royal Carribean kreuzt als schwimmendes High-Tech-Paradies in der Karibik und lässt keinen Geek-Wunsch offen. - Rewe
Die Frankfurter Allgemeine bescheinigt dem Lebensmittel-Konzern, es sei "wie kein anderes in seiner Branche dem Zeitgeist gnadenlos auf der Spur". Dabei ist die Rewe Group im Vergleich zum Konkurrenten Tengelmann erst recht spät auf den Digitalisierungszug aufgesprungen. Der erste Schritt war die Einführung von Online-Bestellungen, ... - Rewe
... inzwischen erlauben viele Rewe-Kassenterminals auch die Bezahlung per Smartphone. Überraschend hat sich das Unternehmen Anteile am Online-Möbelhändler Home24 gesichert. Warum? Rewes E-Commerc-Chef Lionel Sourque verrät: "Wir müssen von diesen Verrückten lernen, denn uns fehlt das Online-Gen in unserer Händler-DNA." - Commonwealth Bank of Australia
Die Commonwealth Bank of Australia ist das beste Beispiel dafür, dass es sich lohnt, beim Thema Digitalisierung Early Adopter zu sein. Im Jahr 2008 lief die digitale Umstrukturierung an - inzwischen hat das australische Finanzinstitut alle Privat- und Unternehmenskonten in ein einheitliches digitales System übertragen und ist dank neuer Strukturen laut den Management-Beratern von Bain&Company die Nummer 1 in Australien beim Online-Banking. In der Gunst der jungen Kunden liegt das nahezu vollständig digitalisierte Finanzinstitut ebenfalls an erster Stelle.
Stack-based Buying wird der neue Standard sein
CW: Ist das ein Trend, den wir bei allen Outsourcern sehen werden: Die Trennung des hochautomatisierten Back-Office-Geschäfts vom individuelleren und vermutlich lukrativeren Digital-Business?
KURIEN: Wir glauben natürlich, dass wir ganz vorne dran sind. Stack-based Buying wird unserer Ansicht nach sehr bald der neue Standard sein. Der Erfolg bei ersten Ausschreibungen zeigt, dass wir da richtig liegen.
CW: Unternehmen stecken heute in der digitalen Transformation, sprechen über das Data-driven Unternehmen und träumen vom Realtime Enterprise. Wie wollen Sie diese zukunftsträchtigen Geschäfte angehen?
KURIEN: Zunächst einmal ist Stabilität im operativen Geschäft bei optimalen Kostenstrukturen die Grundlage von allem. Das war bislang unser Fokus und USP. Doch dann kam die Digitalisierung dazu. Jetzt geht es um Wettbewerbsfähigkeit; Stabilität und Kosten sind selbstverständlich geworden. Es geht jetzt um den Impact. Das ist ein völlig anderer Ansatz. Deshalb haben wir Wipro Digital eröffnet: eine komplett andere Einheit mit eigenen Regeln, Systemen und Strukturen. Wie die Mitarbeiter dort entwickeln, wie sie Frontends designen, das folgt typischen DevOps-Ansätzen. Und so sprechen sie auch mit dem Kunden; ein anderer Kundentyp übrigens, als wir ihn kennen.
CW: Wie sehen die Schnittstellen zum klassischen Geschäft aus?
KURIEN: Schnittstelle ist der Verantwortliche für den Kunden-Account. Die Digital-Unit wird nicht einfach losziehen und verkaufen, ohne den Account-Verantwortlichen einzubeziehen. Er ist aber wirklich nur noch dafür zuständig, den Digital-Kollegen beim Kunden einzuführen, das ist schon alles.