Die Zeit zum 24. Dezember verfliegt auch dieses Jahr im Eiltempo. Hier noch ein Meeting, dort noch ein Projekt, das abgeschlossen werden soll, und dann steht Weihnachten auch schon vor der Tür. Ausschlafen, Spazierengehen, mit den Kindern die neue Eisenbahn aufbauen, etwas mit der Familie streiten, Gänsebraten essen – alles Dinge, auf die Sie sich freuen können. Doch wenn es draußen stürmt und schneit, lockt sie ein gutes Buch auf eine kleine Reise aus dem Alltag. Wir hätten da ein paar Tipps für Sie. Neues ausprobieren hilft, flexibel im Kopf zu bleiben, meint ein altes Sprichwort. Deshalb eine Bitte: Falls Sie der ein- oder andere Titel neugierig macht, dann bestellen Sie das Buch doch in einer (kleinen) Buchhandlung um die Ecke. Weshalb? Nun, das fördert die lokale Wirtschaft, den Buchhändler freut es und vielleicht finden Sie dort selbst noch das ein- oder andere Geschenk.
Klug sein will jeder
Ein kluger Schachzug des Autors, sein neues Buch „Die Kunst des klugen Handelns" zu nennen und nur im Untertitel darauf hinzuweisen, was es zu vermeiden gilt: „52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen". Das spricht Managerinnen und Angestellte genauso an wie Studenten oder Hausmänner. Rolf Dobelli widmet sich alltäglichen Phänomenen, sammelt eifrig Beispiele und erklärt an Hand von wissenschaftliche Thesen, weshalb wir in Fettnäpfchen tapsen. Die 52 kurzen Kapitel, der einfache Schreibstil sowie Situationen aus dem (Berufs-) Alltag, machen das Büchlein zur wahren Schatztruhe. Selbst wer das ein oder andere psychologische oder mathematische Experiment kennt, lernt für das Arbeitsleben hinzu. Etwa weshalb sich finanziell ein MBA nicht lohnt, auch wenn die Anbieter das Gegenteil vorrechnen. Bei so vielen Aha-Erlebnissen denkt sich der Leser, „das klingt logisch, zukünftig tappe ich nicht mehr in diese Falle?. Doch wie sich mit den beschriebenen Theorien und den wertvollen Hinweise auch das Verhalten ändern lässt, das muss jeder Leser selbst herausfinden. Ein kluges Leben durch gründliches Lesen klingt jedenfalls plausibel.
Fazit: Die leicht zu lesenden Wissenshäppchen vermitteln den Eindruck, im kommenden Jahr besser gegen gängige Denkfehler gewappnet zu sein.
Rolf Dobelli: Die Kunst des klugen Handelns. 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen. Carl Hanser Verlag, München 2012. 235 Seiten, 14,90 Euro. Auch als e-Book erhältlich.
Macht Karriere glücklich?
Eigentlich hat der Protagonist von Stephan Thomes Roman „Fliehkräfte" alles erreicht, was sich der moderne Mann so wünscht: Frau, Kind und Karriere. Doch so ganz traut Philosophie-Professor Hartmut seinem Glück nicht. Die Bologna-Reform wirbelt das geordnete Arbeitsleben an den Hochschulen durcheinander, mittelmäßige Studenten reichen Doktorarbeiten ein, die nur mit viel gutem Zureden den Weg durch die universitären Instanzen gehen. Und dann kommt das Jobangebot eines Verlages. Ist eine Karriere jenseits der akademischen Welt mit Mitte 50 noch möglich? Hartmut denkt über sein Leben nach, wie er wurde, was er ist ,und lässt den Leser in Schleifen zwischen Gegenwart und Vergangenheit an seiner Midlife-Krise teilhaben. Zwar kein neues Thema, doch dem Autor gelingt es, den Leser auf diese Lebensreise mitzunehmen. Manches kommt sicher auch Managern bekannt vor, etwa die Situation des Ehepaars, das seit Jahren zwischen Berlin und Bonn pendelt. Doch nicht nur die räumliche Distanz sorgt für Unmut, auch die Gefühle des Protagonisten geraten durcheinander.
Fazit: Wer sich fragt, ob der eingeschlagene Karriere- und Lebensweg der richtige ist, kann sich mit diesem Buch auf eine fiktive Reise eines anderen Zweiflers begeben, ohne selbst ein Risiko einzugehen.
Stephan Thome: Fliehkräfte. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012. 474 Seiten, 22,95 Euro.
- Lesen, lesen, lesen
Legen Sie ihr Smartphone weg und nehmen Sie ein Buch zur Hand. Ingrid Weidner hat für Sie die besten Bücher zu Karriere, Wirtschaft, Europa, Familie, Kochen und Kunst ausgewählt. - Rolf Dobelli: Die Kunst des klugen Handelns
Rolf Dobelli widmet sich alltäglichen Phänomenen, sammelt eifrig Beispiele und erklärt an Hand von wissenschaftliche Thesen, weshalb wir in Fettnäpfchen tapsen. Die leicht zu lesenden Wissenshäppchen vermitteln den Eindruck, im kommenden Jahr besser gegen gängige Denkfehler gewappnet zu sein. - Stephan Thome: Fliehkräfte
Ist eine Karriere jenseits der akademischen Welt mit Mitte 50 noch möglich? Philosophie-Professor Hartmut denkt über sein Leben nach, wie er wurde was er ist und lässt den Leser in Schleifen zwischen Gegenwart und Vergangenheit an seiner Midlife-Krise teilhaben. - Juli Zeh: Nullzeit
Jurist Sven scheitert an einer Prüfungsfrage und gründet eine Tauchschule auf Lanzarote. Ein kluges und schön gestaltetes Buch über Fragen wie Lebens- und Karrierekonzepte. Nebenbei lernen Laien auch einiges über das Tauchen. - Arnold Retzer: Miese Stimmung. Eine Streitschrift gegen positives Denken.
Der Arzt und Psychotherapeut Arnold Retzer erläutert in einer sehr nüchternen Sprache, wie schädlich ein zu hoch dosierter Hoffnungsglaube für das Leben sein kann. - Michael Köhlmeier: Das große Sagenbuch des klassischen Altertums.
Für eine Portion klassische Bildung ist es nie zu spät, selbst moderne Alphatiere profitieren davon. Der Österreicher Michael Köhlmeier punktet mit einer moderneren Erzählweise der alten Sagen. - David Graeber: Schulden.
Keine leichte, jedoch durchaus lohnende Lektüre für alle, denen die oberflächliche Berichterstattung der Schuldenkrise nicht reicht und die gerne verstehen möchten, was dahinter stecken könnte. - Joseph Stiglitz: Der Preis der Ungleichheit.
Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zeigt in seiner Analyse, dass sich ein entwickeltes Wirtschaftssystem und eine liberale Gesellschaft Ungleichheit nicht leisten können. - Florian Illies: 1913. Der Sommer des Jahrhunderts
Wie ein Mosaik aus Begegnungen und Anekdoten montiert Florian Illies das historisches Material des Jahres 1913 und setzt es nach Monaten geordnet wieder zusammen. Es entsteht ein Kaleidoskop an Begegnungen, Ideen, Zeitströmungen und Entwicklungen. - Christian Strich, Tatjana Hauptmann: Das große Märchenbuch. Die hundert schönsten Märchen aus ganz Europa.
Dieser Prachtband eignet sich besonders gut zum Vorlesen für die Großen und zum Staunen für die Kleinen. - Burkhard Spinnen: Nevena.
Der Autor schildert die Annäherungsversuche von Vater und Sohn nach dem Tod der Mutter. Von Frustrationen, vergeblichen Versuchen und kleinen Erfolgserlebnissen auf diesem Weg, seinem 17-jährigen Sohn in die Untiefen von World of Warcraft zu folgen. - Harald Martenstein: Ansichten eines Hausschweins
Politik, Familie, Vater-Sohn-Geschichten und vieles mehr zerlegt Kolumnist Harald Martenstein Woche für Woche aufs Neue. Für scheinbar alltägliche Nichtigkeiten findet er immer wieder einen besonderen Dreh, der den Leser schmunzeln lässt. - Henry David Thoreau: Walden oder Leben in den Wäldern
Zwei Jahre zog sich der ehemalige Lehrer und Landvermesser Henry David Thoreau im Jahr 1845 in ein einsames Blockhaus an den Waldensee in Bundesstaat Massachusetts zurück. Ein Klassiker der Aussteigerliteratur. - Nigel Slater: Gemüse.
Slater rückt seinen eigenen Gemüsegarten in den Mittelpunkt. Was er dort anbaut und was sich damit kochen lässt, stellt er in 29 Gemüse-Rubriken von A wie Aubergine bis Z wie Zwiebel vor. Ein gutes Geschenk für visuell veranlagte Menschen mit Koch- und Gartenambitionen. - Stefan Palkoska: Kochbuch für Ingenieure
Der Titel hält was er verspricht, nämlich präzise Angaben dazu, wie technisch begabte Menschen pannenfrei Speisen zubereiten können. Mit gängigen Rezepten erleichtert der Autor Stefan Palkoska, selbst Ingenieur, dieser Berufsgruppe das Kochen. - Susanne Partsche: Wer hat Angst vor Rot, Blau Gelb?
Mit 60 ausgewählten Kunstwerken erklärt die Kunsthistorikerin Susanne Partsche moderne Kunst. Gut strukturiert, einfach und gut verständlich geschrieben, eine Zeitachse mit Erläuterungen am unteren Bildrand sowie hervorragend ausgesuchte Beispiele. - Andreas Altmann: Gebrauchsanweisung für die Welt
Andreas Altmann möchte zum Reisen verführen. Zwar erzählt der Reisejournalist ausgiebig von seinem abenteuerlichen Leben, doch eine gewisse Arroganz schwingt mit. Wenn er sich auf seine Geschichte konzentriert und das Macho-Gehabe für einige Seiten weg lässt, weiß er Spannendes zu erzählen. - Susanne Gretter: Wie immer unverhofft. Neue Weihnachtsgeschichten
Wer noch nach einer Einstimmung auf die fröhlichen Tage sucht, dem sei das freche Buch mit vielen modernen Weihnachtsgeschichten empfohlen.
Wie hießt Montesquieu mit Vornamen?
In Krisenzeiten überlegen manche, ob Aussteigen eine Option wäre. Den ehrgeizigen Juristen Sven in Juli Zehs neuem Roman „Nullzeit" bringt eine Prüfungsfrage nach dem Vornamen von Montesquieu aus dem Konzept. Aussteigen und auf Lanzarote eine Tauchschule gründen sind seine Antworten auf den Prüfungsschock. Spanisch und Englisch spricht er zwar nur mäßig gut, doch unter Wasser fühlt er sich wohl. Dort gelten klare Regeln. Im Alltag über Wasser legt sich Sven ungern fest, bleibt vage und unentschlossen. Mit dem extravaganten Paar Jola und Theo, das viel Geld für einen Tauchkurs ausgibt, kommt das sorgfältig austarierte Lebensmodell des Aussteigers in Schieflage. Sven und Jola erzählen im Rückblick die Geschichte aus ihrer Perspektive und lassen den Leser mit der Frage zurück, was wirklich beim verhängnisvollen Tauchgang passierte.
Fazit: Ein kluges und schön gestaltetes Buch über Fragen wie Lebens- und Karrierekonzepte. Nebenbei lernen Laien auch einiges über das Tauchen.
Juli Zeh: Nullzeit. Schöffling & Co., Frankfurt am Main, 2012. 256 Seiten. 19,95 Euro.
Lob der Depression
Glücksratgeber mit den immer gleichen Versprechungen dominierten viele Jahre die Bestsellerlisten. Alle versprachen mehr oder weniger überzeugend, dass jeder alles erreichen könne, wenn er sich nur redlich bemühe. Danach eroberten Burn-out-Ratgeber die Regale. Auch dort kam oft mit einem dünnen Mäntelchen verhüllt das gleiche Versprechen daher, dass es mit der richtigen Methode schon wieder klappen könnte mit der Turbo-Karriere. Eine Art Gegengift zu diesen Heilsversprechen lieferten einige Verlage zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse: So traute sich der S. Fischer Verlag „Miese Stimmung" auf den Markt zu bringen. Der Arzt und Psychotherapeut Arnold Retzer erläutert in einer sehr nüchternen, manchmal auch etwas langweiligen Sprache, wie schädlich ein zu hoch dosierter Hoffnungsglaube für das Leben sein kann. Dagegen argumentiert er, dass Krisen auch die Chance einer tiefgreifenden Korrektur alter Denk- und Glaubensgewohnheiten eröffnen.
Fazit: Keine wirklich neuen Thesen, doch lesenswerte Beispiele und Denkanstöße, wie eine Balance zwischen utopischem Hoffen und Realitätssinn die Sinne schärfen kann.
Arnold Retzer: Miese Stimmung. Eine Streitschrift gegen positives Denken. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2012. 19,99 Euro.