Wie der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) in einer Befragung unter 114 Marketing-Experten von Mitgliederunternehmen herausgefunden hat, geht es mit AR und VR auch in Deutschland langsam, aber stetig voran. Dabei sieht die Hälfte der Marketiers das größere Potenzial in der Augmented Reality. Lediglich 21 Prozent versprechen sich von Virtual Reality Nutzen für ihr Unternehmen. Für die übrigen 30 Prozent der Umfrageteilnehmer hält sich das Nutzenverhältnis der beiden Technologien die Waage.
Maik Herrmann von der Agentur Publicis stellt fest: "Während Virtual Reality noch immer stark mit Entertainment-Angeboten verknüpft wird, hat Augmented Reality vor allem im professionellen Einsatz schon Einzug gehalten". Herrmann ist Vorsitzender der Fokusgruppe Virtual und Augmented Reality im BVDW. Ihm zufolge zeichnet sich ab, dass beide Technologien in den allermeisten Unternehmen eine wichtige Rolle spielen werden.
Das bestätigt eine Analyse von IDC: Die Marktforscher schätzen den weltweiten Umsatz 2018 mit AR-Geräten auf 0,8 Millionen Dollar und mit VR-Headsets auf 8,1 Milliarden. Schon 2020 sollen diese Zahlen bei 26,7 Milliarden beziehungsweise 39,2 Milliarden Dollar liegen. Das würde im Segement der AR-Hardware ein durchschnittliches Marktwachstum von jährlich 140 Prozent bedeuten, im größeren VR-Segment läge das Plus immer noch bei 48 Prozent per annum.
Vielfältige Anwendungsszenarien
Allein mit VR-Filmen in 360 Grad beschätigt sich laut BVDW-Analyse derzeit jedes zweite Unternehmen - entweder aktiv (27 Prozent) oder noch in der Planung (23 Prozent). Nur jeder fünfte Befragte will von dieser Technologie weder heute noch in Zukunft etwas wissen. "Realtime Information", also das typische AR-Szenario, bei dem Live-Bilder mit virtuellen Zusatzinhalten kombiniert werden, nutzen derzeit 13 Prozent der Befragten. Weitere 29 Prozent hegen entsprechende Pläne und 38 Prozent halten dies für "spannend".
"Das Interesse an der Technologie ist riesig", beobachtet BVDW-Experte Herrmann. "Allerdings hapert es - wie für neue Technologien nicht ungewöhnlich - noch an der Investitionsbereitschaft." Laut BVDW-Studie wolen die Anwender erstmal testen, die durchschnittlichen Budgets liegen bei nur rund 70.000 Euro pro Jahr. Herrmann glaubt dennoch, dass sich VR und AR derzeit als Business-taugliche Technologien beweisen: "Hier werden schon bald ganz andere Budgets abgerufen werden."
Einsatzbeispiele in vielen Branchen
Mittlerweile gibt es viele Beispiele, wie Augmented Reality eingesetzt werden kann - beispielsweise um die vielzitierte Customer Journey zu verbessern. Das vielleicht populärste ist die weltgrößte Starbucks-Niederlassung in Shanghai, die der Café-Ketten-Betreiber gemeinsam mit den chinesischen Internet-Konzern Alibaba digital neu erfunden hat. Kunden können dort ihre Smartphones mit geöffneter App auf Röstfässer, Kaffeemaschinen oder Einrichtungsgegenstände richten, um unterhaltende, informative oder auch Geld sparende Zusatzinformationen abzurufen.
Viel Aufmerksamkeit hat auch der französische Kosmetikgigant L'oreal erregt, der seinen Kunden unter anderem die App "Style my Hair" anbietet. Nutzer können sich damit in einer 3D-Umgebung neu stylen und auf ihrem Smartphone herausfinden, welche Frisuren und Haarfarben ihnen stehen - die perfekte Vorbereitung auf einen Friseurbesuch.
Chirurgen mit Datenbrillen?
Doch nicht nur der Handel arbeitet daran, die natürliche Grenze zwischen realen und virtuellen Welten verschwinden zu lassen. In der Medizin beispielsweise tüfteln Wissenschaftler an Operationsverfahren für Chirurgen, die in der Regel keine Hand frei haben, aber immer wieder den Blick vom Patienten lösen und auf Bildschirme blicken müssen, um beispielsweise Vitaldaten zu überwachen oder bestimmte Informationen abzurufen. Sie werden auf absehbare Zeit spezielle Datenbrillen nutzen können, um sich - auch via Sprachbefehl - für die Operation relevante Details anzeigen zu lassen.
Die Technische Universität München arbeitet am Lehrstuhl für Informatikanwendungen in der Medizin & Augmented Reality auch mit einem System, das dem Arzt während einer Operation ein dreidimensionales Bild auf die betroffene Körperstelle projiziert, an der ein Eingriff erfolgen soll. Damit könnte exakter gearbeitet und das Operationsrisiko eingeschränkt werden.