CEO John Donahoe im Interview

"ServiceNow war immer eine Plattform-Company"

15.02.2019
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Als CEO von ServiceNow surft John Donahoe auf einer Erfolgswelle. Das Unternehmen erreicht mit seinen Cloud-basierten ITSM-Lösungen viele Großkonzerne. Doch eigentlich seien es nicht die Anwendungen, sondern die "Plattformidee", die ServiceNow voranbringe.
  • ServiceNow-CEO Donahoe ist sicher: Die CIOs sind die Architekten der digitalen Transformation, nicht die CDOs
  • Digitale Workflows verbinden Applikationsinselon und verhelfen Kunden und Mitarbeiter zu besseren Erlebnissen
  • Machine Learning hilft überall - auch dabei, die Mitarbeiter von ServiceNow im Kundenservice zu entlasten.

ServiceNow hat gerade wieder einmal gute Quartalszahlen vorgelegt. Ist das IT Service Management (ITSM) immer noch so ein gutes Geschäft oder verdanken Sie auch dem Service Management in Bereichen wie HR und Customer Service dieses Wachstum?

John Donahoe, CEO von ServiceNow, positioniert sein Unternehmen als Digital Workflow Company mit Wurzeln in der Cloud.
John Donahoe, CEO von ServiceNow, positioniert sein Unternehmen als Digital Workflow Company mit Wurzeln in der Cloud.
Foto: ServiceNow

Donahoe: Lassen Sie mich einen Schritt zurückgehen, bevor ich diese Frage beantworte. Ich will Ihnen sagen, was unsere Geschäfte generell antreibt. Die ganze Welt erlebt gerade die digitale Transformation. Das ist kein Buzzword, sondern eine zentrale strategische Entwicklung. Jedes Unternehmen wird derzeit disruptiv durch Software verändert.

Seit ich vor zwei Jahren bei ServiceNow angefangen habe, habe ich sicherlich 600 oder 700 CIOs getroffen - überall in der Welt. Sie alles sagen dasselbe: Software disruptiert jedes Unternehmen in jeder Branche und jeder Geographie. Die digitale Transformation genießt oberste Priorität.

Was meinen Sie denn eigentlich konkret, wenn Sie von digitaler Transformation reden?

Donahoe: Es geht darum, wie Unternehmen digital mit ihren Kunden vernetzt sind, wie sie eine bessere Digital Experience für ihre eigenen Mitarbeiter schaffen und wie sie digitale Technologien nutzen, um Effizienz und Produktivität zu verbessern. Unternehmen müssen ihre knappen Talente und Ressourcen bündeln und in erster Linie dafür einsetzen, für ihre Kunden zu innovieren. Eine zu hohe Komplexität in der Aufrechterhaltung des Betriebs in einem globalen Enterprise bindet zu viele Kräfte.

Welche Rolle spielt Ihres Erachtens der CIO in der digitalen Transformation?

Donahoe: Die Vorstandsvorsitzenden schauen heute sehr genau auf ihre C-Level-Mitarbeiter und fragen sich: Wer ist die Person, die uns in die digitale Zukunft führen kann. Und die absolut geeignete Person dafür ist der CIO.

Wer ist John Donahoe?

John Donahoe (58), CEO von ServiceNow, hat eine beeindruckende Karriere vorzuweisen. Bevor er vor zwei Jahren die Geschäftsführung von ServiceNow übernahm, war er von 2008 bis 2015 CEO und President von Ebay. Davor arbeitete er 20 Jahre für das weltweite Beratungsunternehmen Bain & Co., wo er 1999 ebenfalls CEO und President wurde. Bei Ebay, Intel und PayPal sitzt der Absolvent der Stanford School of Business im Aufsichtsrat.

Das ist ja nicht ganz unstrittig, manche Unternehmen ernennen einen Chief Digital Officer (CDO)…

Donahoe: Es kommt aber auf den CIO oder auch den Chief Technology Officer (CTO) an. Ein CDO hat nicht immer das nötige technologische Basiswissen. Der CIO ist gefragt, und er muss seine Rolle als crossfunktionale Aufgabe definieren. IT ist nicht mehr eine reine Back-Office-Funktion.

Haben CIOs diese Rolle in ihren Unternehmen inne?

Donahoe: Mich erinnert das Ganze ein bisschen an die Rolle des Chief Finance Officer (CFO) vor 20 Jahren. Er war ein mäßig respektierter Manager mit der Aufgabe, die Kosten im Griff zu haben. Finanzen waren eine etwas schläfrige Back-Office-Funktion. Das hat sich dann aber fundamental geändert. Der Fokus liegt heute auf Business Value, nicht nur auf den Kosten. Der Finanzbereich spielt jetzt eine strategische Rolle, die weit über Kosten, Audits und Steuern hinausgeht.

Der CIO steckt in einer ähnlichen Situation, wie seinerzeit der CFO: Wir sind in einer Übergangsperiode, in der Technologie jeden Teil des Unternehmens erfasst. Es geht nicht mehr um die Back-Office-IT, es geht jetzt um Technical Empowerment and Technical Enablement. Das sind die natürlichen Aufgaben für diejenigen, die etwas davon verstehen: der CIO und seine IT-Organisation. Die meisten CIOs sind dafür gewappnet, es gibt aber natürlich auch welche, die es nicht sind.

Kunden und Mitarbeiter wollen eine gute User Experience

Wenn Sie von einer crossfunktionalen Rolle der IT sprechen: Ist das überhaupt noch eine zentrale Aufgabe? Bräuchte nicht eigentlich jeder Unternehmensbereich - Personal, Finanzen, Marketing oder Produktion - mehr IT-Kompetenz in den eigenen Reihen?

Donahoe: Die Geschichte der Software in den Unternehmen sieht ja so aus, dass wir beispielsweise Marketing-, Finanz-, HR- oder Produktionssoftware relativ getrennt voneinander halten. All diese Lösungen sprechen nicht miteinander, so dass es Unternehmen schwer fällt, für ihre Kunden und Mitarbeiter optimale Benutzererlebnisse zu schaffen. Man bekommt so nicht diesen transformativen Impuls auf Customer Experience oder Produktivität, den es eigentlich braucht.

Schauen Sie auf die Consumer-Welt: Den Kunden ist es völlig egal, ob Ebay, PayPal oder Amazon ihre Marketing-, Sales- und Finanzsysteme im Griff haben. Ihre Kundenerfahrung ist ihnen aber nicht egal. Wenn die nicht gut ist, gehen sie woanders hin. So ist es auch bei den Mitarbeitern in den Unternehmen: Die erwarten von ihrer Software eine gute User Experience. Die separaten Systeme dahinter, etwa für HR, Legal, IT, Finanzen, interessieren sie nicht.

In der digitalen Transformation haben die Mitarbeiter in den Unternehmen ähnliche Erwartungen an Customer Experience wie im Privatbereich. Die führenden Unternehmen weltweit haben das verstanden. Sie haben diesen crossfunktionalen Mindset.

Am Münchner Stachus hat ServiceNow nun auch eine Niederlassung eröffnet. Das Unternehmen hat für dieses Jahr große Pläne in Deutschland und Japan.
Am Münchner Stachus hat ServiceNow nun auch eine Niederlassung eröffnet. Das Unternehmen hat für dieses Jahr große Pläne in Deutschland und Japan.
Foto: ServiceNow

Führende Unternehmen sind vor allem Amazon, Google, Microsoft und Facebook - alle mehr oder weniger im Internet geboren. Haben Traditionsunternehmen mit einer längeren Historie überhaupt eine Chance, sich crossfunktional aufzustellen?

Donahoe: ServiceNow bedient 75 Prozent der Fortune-500-Unternehmen. Große Konzerne wie Federal Express, J.P Morgan oder Walmart bemühen sich massiv um nahtlose crossfunktionale Prozesse mit dem Kunden im Zentrum. Genau dasselbe tun sie für ihre Mitarbeiter, damit die möglichst produktiv ihren Jobs nachgehen können.

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das Onboarding von neuen Mitarbeitern. Das ist ein klassischer unstrukturierter Workflow. Sie bekommen, wenn Sie in ein Unternehmen eintreten, einen Badge von der Security, einen Schreibtisch vom Facilities Management, Laptop und Smartphone von der IT, E-Mail-Zugang und Anwendungen von einem anderen Teil der IT, persönliche Informationen und Gesundheitshinweise von HR, Gehaltsinformationen von Finance und und und…

ServiceNow hat eine Onboarding-Anwendung geschrieben, die das in einer mobilen App nahtlos zusammenführt und vereint. Die App ist mit allen unterstützenden Systemen verbunden, verbirgt aber die Komplexität vor dem Mitarbeiter. Unsere Rolle ist es, solche Digital Workflows umzusetzen. Wir wollen Customer- und Employer-Erfahrung verbessern und dabei Produktivitätsvorteile heben. Dies ist nur ein Beispiel für einen crossfunktionalen Prozess, davon gibt es viele. Die Unternehmen haben alle diese Systeme, aber es fehlt ihnen die eine Anwendung, die alles zusammenführt und die Komplexität verbirgt. Und die bieten wir an.