Schlafkulturen der Belegschaften
Wie wichtig Schlaf für die Leistung im Job ist, hat sich auch in den deutschen Chefetagen herumgesprochen. Ford-Deutschland-Chef Bernhard Mattes etwa schläft nach eigenen Angaben "sehr gut und meistens ausreichend". Meistens ist er müde genug, zügig einzuschlafen, aber die letzten Nachrichten im Fernsehen geben ihm das beruhigende Gefühl, den Tag informiert abzuschließen. Unter der Woche kommt er meist auf sieben Stunden Schlaf, nur auf Dienstreisen sind es bisweilen weniger. Gerade dann achtet er darauf, abends wenig und leicht zu essen. In klimatisierten Hotels öffnet er gerne die Fenster. Und sofern es sein Zeitplan zulässt, geht er eine Runde joggen. Doch bisweilen kommt Mattes trotzdem nur auf fünf Stunden Schlaf: "Das ist machbar", sagt er, "aber nur für eine begrenzte Zeit."
Viele Personalabteilungen arbeiten deshalb an der Schlafkultur ihrer Belegschaften. Pharmakonzern Roche Diagnostics in Mannheim bietet seit 2012 regelmäßig Schlafseminare und Entspannungsübungen an.
Andreas Trautmann hat solche Kurse nicht mehr nötig. Der Deutschland-Chef der US-Agenturgruppe McCann Erickson profitiert einerseits von seiner Wehrdienstzeit bei der Marine - damals hatte er bei tagelangen Manövern Einsätze im Vier-Stunden-Wechsel. Andererseits jobbte er als Student als DJ und Barkeeper. Seitdem kann er zwischendurch selbst in kurzen Schlafphasen Energie tanken.
Das kommt ihm besonders zugute, wenn er zu Terminen fliegt. Als Vielflieger legt er Wert darauf, möglichst als Erster einzusteigen und immer einen Fensterplatz zu buchen, gerne mit Kissen. Dadurch schläft er meist vor dem Abflug ein, wird zwischendurch nicht gestört und kommt so auf die richtige Schlafdauer.
Aber was bedeutet das, richtig schlafen? Diese Frage hört Hans-Günter Weeß oft. Er leitet das Interdisziplinäre Schlafzentrum am Pfalzklinikum in Klingenmünster. Schlafbedarf sei abhängig vom Alter, Geschlecht und den Genen. "Jeder muss selbst herausfinden, wie viel Schlaf er braucht", sagt Weeß. "Wichtig ist nur, auf sich zu achten und Alarmzeichen rechtzeitig zu erkennen."
Annette Grub erkannte die Zeichen zu spät. Auf Anraten ihres Arztes besuchte sie im vergangenen Jahr erst ein Schlaflabor, dann ein Schlafseminar. Und stellte fest, dass der Preis für eine Fortsetzung ihrer Karriere zu hoch ist: Seit April 2012 ist Grub krankgeschrieben, im kommenden November verlässt sie das Unternehmen nach 28 Jahren Betriebszugehörigkeit. Dann will sie im Elektrofachbetrieb ihres Mannes mithelfen.
Immerhin sechs Stunden schläft Grub mittlerweile jede Nacht: "Ich kann nur jedem raten, Schlafprobleme ernst zu nehmen."
(Quelle: Wirtschaftswoche)