Samstagabend, das Smartphone gibt ein "Bling" von sich, mit neugierigem Blick wird die E-Mail geöffnet: Es ist der Chef mit einer Kritik zum vorgelegten Quartalsbericht. Nur die wenigsten Angestellten sind so entspannt, dass sie nach dieser Mail-Lektüre mit einem Lächeln in ihr Wochenende zurück kehren. Smartphones und Tablets machen uns das Leben leichter, zugleich öffnen sie aber auch ganz neue Möglichkeiten, uns wirklich immer zu erreichen - unter Umständen auf Kosten der Gesundheit. "Wir sehen, dass Langzeiterkrankungen, die aus psychischer Belastung resultieren, deutlich zugenommen haben. Das ist besonders bei Unternehmen der ITK-Branche der Fall", sagt Juan-Carlos Rio-Antas vom Vorstand der IG Metall. Dazu gehörten Symptome wie Überforderung, Erschöpfung oder Depressionen. "Dass es sich um ein echtes Problem handelt, bestreitet heute niemand mehr. Es geht darum, das Thema differenziert zu betrachten", so Rio-Antas. Denn neben den Risiken böte die zunehmende Mobilität von Arbeit auch Chancen zugunsten der Beschäftigten.
Studien zeigen, dass sich viele Mitarbeiter eher überverantwortlich verhalten. In einer IG-Metall-Umfrage unter mehr als 500.000 Arbeitnehmern gaben zwölf Prozent an, dass ihr Arbeitgeber erwartet, sie häufig oder ständig außerhalb der Arbeitszeit per Mail oder Handy erreichen zu können. Zugleich sagten 22 Prozent der Beschäftigten, dass sie häufig oder ständig außerhalb der Arbeitszeit arbeiten. Laut einer Umfrage des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen sind über 80 Prozent der Beschäftigten außerhalb der Arbeitszeit erreichbar, die erwartete Erreichbarkeit liegt jedoch deutlich darunter. "Häufig herrscht eine Kultur, in der nicht so klar ist, dass man wirklich ‚abschalten‘ kann, wenn man heimgeht", konstatiert der IG-Metall-Experte.
Bisher setzen sich die Arbeitgeber nur zögerlich mit dem Thema auseinander. "Es geht für Unternehmen darum, eine Regelung zu finden und ganz klar zu signalisieren, dass die Leitungsebenen hinter dieser Regelung steht", so Rio-Antas. Dabei sollte eine Kultur der Nichterreichbarkeit bewusst gepflegt werden. "Wir halten es für wichtig, dass Tätigkeiten, die aus der Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit rühren, tatsächlich als Arbeitszeit angerechnet wird und ein Ausgleich erfolgt", meint Rio-Antas auch. Volkswagen war 2011 mit einer strikten E-Mail-Sperre nach Feierabend vorgeprescht - diese gilt allerdings nur für Tarifbeschäftigten mit einem Dienst-Smartphone: Ende 2013 also für rund 3.500 Mitarbeiter, Führungskräfte ausgenommen.
- Gekappte Leitung
Erste Unternehmen zwingen ihre Mitarbeiter zur Nichterreichbarkeit während der Freizeit, andere verzichten komplett auf Regeln. Hier finden Sie Informationen zu den unterschiedlichen Vorgehensweisen. - Volkswagen: Keine Mails nach Feierabend
Volkswagen war eines der ersten Unternehmen in Deutschland, das die Nichterreichbarkeit schriftlich fixiert hat. Der Konzern regelt in einer mit dem Betriebsrat abgestimmten Betriebsvereinbarung den Umgang mit dienstlichen Smartphones. Demnach werden nach Feierabend in der Zeit von 18.15 Uhr bis 7.00 Uhr vom Server keine E-Mails zugestellt. - BMW: Vertrauen statt Regeln
BMW räumt den Beschäftigten in einer neuen Betriebsvereinbarung das Recht auf Nichterreichbarkeit ein. Mitarbeiter an den deutschen Standorten können "Mobilarbeit" in ihren Arbeitszeitkonten erfassen und abbummeln. - Daimler: Urlaub von der E-Mail
Seit Weihnachten 2013 läuft bei Daimler der Abwesenheitsagent "Mail on Holiday". Er soll dafür sorgen, dass der elektronische Posteingang der Mitarbeiter bei Abwesenheit entlastet wird - das gilt auch für Manager. - Continental: Tipps für Kommunikationspausen
Continental hat keine strikte Regeln im Umgang mit elektronischen Endgeräten definiert. Das Unternehmen gibt den Mitarbeitern aber Ratschläge zur Nichterreichbarkeit an die Hand. - Telekom: Definierbare Nichterreichbarkeit
Bereits seit 2010 gibt es bei der Deutschen Telekom eine Policy, die den Führungskräften empfiehlt, möglichst keine E-Mails am Feierabend zu verschicken. Viele Mitarbeiter geben zudem Zeiträume an, in denen sie nicht erreichbar sind. - e.on nimmt Führungskräfte in die Pflicht
e.on verzichtet auf Richtlinien, die die ständige Erreichbarkeit auch in der Freizeit regeln. Alle Führungskräfte und Mitarbeiter sind angehalten, verantwortungsvoll mit dienstlichen elektronischen Kommunikationsmitteln umzugehen. - Boston Consulting Group: Berechenbare Freizeit
Das Beratungshaus Boston Consulting Group (BCG) hat zunächst in den USA die „Predictable Time Off“ eingeführt. Diese angekündigte Freizeit soll den Beratern einen Feierabend ohne geschäftliche Störung gewährleisten.