Deutsche Führungskräfte fühlen sich permanent überfordert, weil das Arbeitspensum ständig wächst. Im kurzfristigen operativen Tagesgeschäft fehlt die Zeit, über langfristige Strategien nachzudenken. Die Folge: ein orientierungsloses und unkoordiniertes Führungshandeln. Das ist ein Kernergebnis der Studie "Jeder für sich und keiner fürs Ganze?", die das Wissenschaftlicher Zentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), die Stiftung neue Verantwortung und die Beratungsfirma Egon Zehnder International durchführten. Auch die Komplexität der Aufgaben steigt aufgrund der globalen Vernetzung durch moderne IT-Technologien.
Das beschleunigt den Informationsfluss, macht ihn vielschichtiger und führt zu Veränderungen, die unberechenbar sind und sich der Kontrolle der Entscheider entziehen. "Alles verändert sich täglich. Man muss ständig das Wissen erneuern. Alles wird immer komplexer und übergreifender. Man sieht immer nur kleine Teilaspekte", zitiert die Studie einen Unternehmensgründer.
Entscheidungszyklen radikal verkürzt
Durch die gefühlte und tatsächliche Beschleunigung in einer globalisierten und vernetzten Welt werden auch Entscheidungszyklen radikal verkürzt. Ebenso fordern diverser Anspruchsgruppen mehr Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Das gilt gleichermaßen für die Wirtschaft und für die Politik. Nicht zuletzt beurteilt eine aufmerksame Öffentlichkeit die Entscheidungen von Führungskräften zunehmend kritisch.
Alle Aspekte zusammen setzen Spitzenkräfte enorm unter Druck. Die meisten Befragten befinden sich dabei in einem Teufelskreis. Aufgrund der steigenden Anforderungen müssen sie noch mehr Aufgaben als bisher bewältigen und in einer Always-On-Welt außerdem ständig erreichbar sein.
Die Führungskräfte reagieren darauf, indem sie einfach noch mehr arbeiten und somit Privates und Geschäftliches verschmelzen. Dadurch geraten sie körperlich und mental an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und fühlen sich ständig ausgelaugt. Was fehlt ist ausreichend Regeneration und eine gesunde Work-Life-Balance. Beides lässt sich nur erreichen, wenn Führungskräfte Aufgaben und damit auch Verantwortung delegieren.
- Typ1: Wer ermüdet ist,
braucht Regeneration im Urlaub. - Typ 2: Wem die Routine im Berufsalltag stresst,
sollte für Abwechslung im Urlaub sorgen. - Typ3: Wer unter Stress leidet,
braucht dringend Entspannung. - Typ 4: Wer Frust und Ärger im Job verspürt,
braucht in seiner Auszeit Erfolgserlebnisse. - Zeit für sich allein
Menschen, die nur noch für ihren Job brennen, wissen nicht, was ihnen guttut. Deswegen kann es hilfreich sein, vor dem Sommerurlaub mit der Familie ein paar Tage nur für sich zu haben. Wenn das nicht geht: Zeiten vereinbaren, in denen man sich zurückziehen kann. Spazieren gehen, in der Sonne liegen, über den Wochenmarkt streifen. - Ein medizinischer Check-Up...
sollte folgende Fragen klären: Stimmen die Blutwerte, wie hoch ist das Herzinfarktrisiko, was machen die inneren Organe und der Stoffwechsel? Stimmt das biologische mit dem tatsächlichen Alter überein? Wie hoch sind der Stresspegel und die mentale Leistungsfähigkeit? Was machen der Rücken und die körperliche Flexibilität? - Welche Nährstoffe....
fehlen dem Körper? Welcher Sport ist ideal? - Nach dem Urlaub weitermachen
Mit der Familie frühstücken, meditieren oder eine Runde um den Block laufen - wer sich morgens positiv auf den Tag einstimmt, hat nicht das Gefühl, von früh bis spät fremdgesteuert zu sein, und bleibt nach dem Urlaub länger gelassen. - Zeitfresser enttarnen
Wer täglich zwei Stunden mit Kollegentalk, Netzwerken auf Xing und E-Mails beantworten befasst ist, sollte genau hinschauen: Was davon bringt mich wirklich weiter? Wie viele Personen müssen wirklich auf cc gesetzt werden? - Neuer Umgang mit E-Mails
Übung: Mails nur alle drei Stunden und nicht alle 15 Minuten abfragen und beantworten. - Finger weg vom Mountainbike
Wer erschöpft und gestresst ist, sollte nicht mit dem Mountainbike über die Alpen preschen.
In turbulenten Situationen und bei hohem persönlichen Druck können Werte als Kompass dienen, um sich zu orientieren und langfristiges Denken zu stärken, sagten die Umfrageteilnehmer. Vor allem jüngere Führungskräfte unter 45 hoben diesen Aspekt hervor. Allerdings waren die Interviewpartner auch der Ansicht, dass eine gemeinsame gesellschaftliche Wertebasis fehlt. Allerdings sprach auch kein Umfrageteilnehmer darüber, wie diese Wertebasis geschaffen werden könne.
- Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder:
"Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen." - Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten." - Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden." - Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder:
"Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie." - Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge:
"Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten." - Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder:
"Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden." - Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind:
"Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind." - Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder:
"Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."