Bewerbung und Karriere

Frauen müssen über ihre Leistungen sprechen

23.06.2015
Von 
Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.

Schwächen zu Stärken transformieren

CW: Was können Frauen denn richtig gut?

Birgit Zimmer-Wagner: Frauen können richtig gut Konflikte schlichten, positiv auf das Team wirken und Aufgaben durchziehen. Sie können Verantwortung übernehmen und sich sozial engagiert einbringen. Außerdem brennen sie für die Aufgabe und nicht den Titel. Es geht ihnen um die Sache und nicht um Spielchen.

CW: Das heißt ihre Schwächen sind auch ihre Stärken?

Birgit Zimmer-Wagner: In der richtigen Balance werden ihre Schwachpunkte zu Stärken.

CW: Auf der Messe Women & Work hat sich eine Reihe Kandidatinnen beschwert, dass viele Firmen sich kaum Zeit für sie genommen und sie nur auf die Stellenausschreibungen auf der Homepage verwiesen haben. Gerade Bewerberinnen, die nicht 100prozentig in das ausgeschriebene Jobprofil passten, wurden abgewiesen. Darunter Kandidatinnen mit dem eigentlich begehrten MINT-Profil. Was lief das schief?

Birgit Zimmer-Wagner: Viele Firmen haben die Messe als reine Image-Plattform genutzt im Sinne von Employer Branding: Schaut her, wir leben Diversity. Aber sie haben sich nicht wirklich für die Bewerberinnen interessiert. Eine Diplommathematikerin mit Nebenfach Informatik klagte, dass sie bei fast allen ausstellenden Unternehmen abgeblitzt sei, weil sie nicht ins klassische Informatikerprofil gepasst hat.

Sprechen Sie mit der Fachabteilung!

CW: Hat sie sich falsch verkauft?

Birgit Zimmer-Wagner: Beide Parteien haben aneinander vorbeigeredet. Die Personaler haben gefragt, warum die Kandidatin die Programmiersprache XYZ nicht kann, und die Diplommathematikerin konnte in den Gesprächen nicht vermitteln, dass sie Algorithmen entwickeln kann und sich davon die Programmierung ableitet. Sie kann vom theoretischen Wissen her viel mehr als viele Informatiker. Eigentlich hätte die Kandidatin darauf bestehen sollen, mit jemanden aus der Fachabteilung zu sprechen. Aber selbst namhafte Unternehmen hatten keine Spezialisten dabei. Einige Bewerber sprachen vom reinen "Lebenslauf-Shopping" - Einsammeln von Unterlagen mit ungewissem Ausgang.

CW: Was können denn Personaler tun, damit ihnen solche Perlen nicht durch die Lappen gehen?

Birgit Zimmer-Wagner: Unternehmen sollten Personal entwickeln, also vom Menschen aus denken, nicht nur von der Position, der Struktur aus. Sie sollten überlegen, wo hat der Kandidat Stärken und Schwächen. Wo will er hin. Und wie können wir ihn dabei unterstützen. Erst im zweiten Schritt sollten Personaler überlegen, welche Position haben wir dafür.

CW: Sie beraten nicht nur ITler, sondern auch viele Ärzte. Was können Informatikerinnen von Ärztinnen lernen?

Birgit Zimmer-Wagner: Ärztinnen können schneller entscheiden, weil sie in ihrem Beruf im schnell Entscheidungen treffen müssen. Das wenden sie auch in der Karriereplanung an. Sie sagen konkret, hier habe ich einen Termin, so sieht mein Schichtplan aus, aber an dem und dem Tag hätten sie Zeit für ein Karriere-Coaching. Wir wickeln die Terminierung per E-Mail ab, und ich erhalte meist schon vor dem ersten Gespräch konkrete Informationen und Zielvorstellungen der Klientinnen. Außerdem investieren Ärzte leichter in eine professionelle Karriereberatung.

ITler wollen das am liebsten umsonst. Viele sagen: Für den Job gebe ich kein Geld aus! Sie kommen meist auch zu spät zur Karriereberatung - erst nach einem Burnout oder wenn die Kündigung droht.

Jede Kandidatin, die Karriere machen will, sollte sich fragen: Was kann ich und was will ich?
Jede Kandidatin, die Karriere machen will, sollte sich fragen: Was kann ich und was will ich?
Foto: Ollyy - shutterstock.com

CW: Was können Frauen tun, damit es mit der Karriere besser klappt?

Birgit Zimmer-Wagner: Jede Kandidatin sollte sich überlegen: Was kann ich, was will ich und was ist möglich?

CW: Was ist am schwersten?

Birgit Zimmer-Wagner: Am meisten Schwierigkeiten bereitet es Frauen, ihre Erfolge anzuerkennen und zu sehen. Wenn wir unsere Klientinnen fragen, was ihre Erfolge sind, ist die erste Reaktion häufig: Ich habe keine. Oder wenige. Erst wenn sie nachdenken, schreiben sie drei Seiten - aber mit dem Kommentar, das sei ganz normal. Das erleben wir übrigens auch bei Männern, aber nicht so ausgeprägt.

Das Fundament ist also, was kann ich. Dann kann man ableiten, was der nächste Schritt sein könnte.

CW: Wie kommt frau dann an den Job?

Birgit Zimmer-Wagner: Sie sollten die klassische Bewerberautobahn verlassen, sprich nur nach Stellenanzeigen gucken. Diese machen nur 30 Prozent aller vakanten Stellen aus. Bewerberinnen sollten überlegen, welche Messen könnten interessant sein, Initiativbewerbungen angehen, ihr Netzwerk aktivieren. Dann bekommen sie auch Einladungen zum Vorstellungsgespräch. Oft klappt das über das Einholen von Referenzen. Unter der Hand bekommt man dann oft Tipps, wo es gerade offene Positionen gibt.

Die Personalexpertin Birgit Zimmer-Wagner von Bewerber Consult coacht und berät Akademiker und Führungskräfte in Bezug auf ihre individuelle Karriere- und Strategieplanung.