Es ist souverän, nicht immer erreichbar zu sein
Im Frühjahr eröffnete der ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri gemeinsam mit Nikolaus Birkl und Georg Reider die "Akademie der Muße". Achtsamkeit und Entschleunigung lernen die Teilnehmer in den Kursen und Vorträgen. Ingrid Weidner fragte Anselm Bilgri, ob Manager auch mal faulenzen sollten.
CW: Wie hat sich die "Akademie der Muße" inzwischen etabliert, und wer bucht Seminare bei Ihnen?
BILGRI: Es hat sich gut und vor allem ganz anders entwickelt als wir dachten, denn es kommen Firmen auf uns zu, die sich auf ihr Unternehmen zugeschnittene Seminare wünschen. Wir haben auch schon für den Vorstand eines Unternehmens ein zweitägiges Einzeltraining konzipiert. Auch da ging es darum, Ruhephasen einzuplanen, Muße zu erlernen und sich nicht immer hetzen zu lassen.
CW: Was sind die häufigsten Fragen, mit denen die Teilnehmer zu Ihnen kommen?
BILGRI: Die meisten wünschen sich eine Entschleunigung ihres Arbeitsalltags und klagen über eine enorme Arbeitsverdichtung, denn sie müssen mehr in kürzerer Zeit schaffen, und das stresst viele. Wenn Unternehmen sagen, das Wertvollste sind ihre Mitarbeiter, dann sollten sie genau hinschauen, ob sie sie nicht ständig überfordern.
CW: Für Manager gehört "Gestresstsein" zum Standard-Repertoire, Sie aber sagen ihnen, dass sie das "Faulenzen lernen müssen". Weshalb?
BILGRI: Faulenzen passt nicht zu unserem hohen Arbeitsethos, wir müssen immer beschäftigt sein, das Handy klingelt ständig, und viele ziehen daraus ihr Selbstwertgefühl. Dagegen ist es souverän, nicht immer erreichbar zu sein oder seine E-Mails nur konzentriert in ein oder zwei Stunden am Tag zu beantworten. Wenn Führungskräfte Ruhe ausstrahlen und ihnen die Balance gelingt, nehmen sie die Mitarbeiter ganz anders wahr.
CW: Was raten Sie Hyperaktiven, denen Gelassenheit schwerfällt?
BILGRI: Ich empfehle, jeden Tag eine halbe Stunde nichts zu tun. In dieser Zeit sollten auch keine Pläne geschmiedet oder der Schreibtisch aufgeräumt werden. In den Seminaren üben wir dreimal pro Tag halbstündige Zen-Meditationen ein, also einfach nur still sitzen und an nichts denken. Das ist zwar anfangs ungewohnt, doch nach drei Tagen klappt es. Schön wäre es, wenn sich die Teilnehmer später in ihrem Arbeitsalltag wieder daran erinnern und solche Pausen einbauen.
CW: Was halten Sie von dem Modebegriff Work-Life-Balance?
BILGRI: Seine Balance finden ist wichtig für ein erfülltes Arbeitsleben, und Pausen gehören unbedingt dazu. Ob es Work-Life-Balance oder lateinisch ora et labora, also bete und arbeite, heißt, ist dabei egal. Anspannung und Entspannung sollten im Gleichgewicht sein, denn nur wenn beides ausgewogen ist, macht die Arbeit Freude.