Was versteht man unter Komplett-Virtualisierung?
Technisch gesehen wird bei der Komplett-Virtualisierung jedem Gastsystem, unabhängig von der realen Host-Hardware, eine angepasste standardisierte virtuelle Hardware präsentiert. Letztere wird für jede aktive VM in einem eigenen unabhängigen Prozess durch die Virtualisierungsschicht bereitgestellt, also: 10 VMs = 10 x Hardwareprozess. Prozessor- und Hauptspeicherzugriffe werden direkt (jedoch nicht zwingend unverändert) an die physikalische Hardware durchgereicht, andere Geräte werden "emuliert". Diese werden je nach Notwendigkeit durch die Virtualisierungsschicht angepasst.
Die Emulierung der Hardware (Massenspeicher, Netz und Grafik) kostet jedoch Systemleistung, die dem Gesamtsystem verloren geht ("Virtualisierungsschwund"). Der Leistungsverlust bewegt sich je nach Virtualisierungssoftware und Zugriffsart der Gastsysteme zwischen zwei und 25 Prozent. Die Hersteller von Virtualisierungssoftware arbeiten aber daran, die Treiber für die virtuellen Komponenten weiter zu optimieren, um den Virtualisierungschwund weiter zu reduzieren.
Die VMs und damit die im Gast installierten Betriebssysteme wissen nichts von der virtuellen Hardware, arbeiten also wie mit Physik und benötigen daher im einfachsten Fall nur die vom Hersteller mitgelieferten Treiber.
Welche Varianten der Komplett-Virtualisierung gibt es?
Bei den Komplettvirtualisierern wird zwischen "Hosted" und "Hypervisor"-Produkten unterschieden: Ein Hosted Produkt (etwa VMware Server, Microsoft Virtual Server) benötigt ein auf der Hardware installiertes Betriebssystem, das heißt: Microsoft Virtual Server wird auf dem Windows 2003 Server installiert. Die Virtualisierungslösung nutzt den Hardwarezugriff des Host-Betriebssystems und greift selbst nicht direkt auf die Hardware zu.
Hypervisor-Produkte, die sich als Standard für die Virtualisierung im Data Center etabliert haben, wiederum setzen dagegen direkt auf der Hardware auf und benötigen keine vorherige Betriebssystem-Installation. Das setzt allerdings vom Hypervisor unterstützte Hardware voraus. Xen (Xen-basierende Produkte: Citrix XenServer, Virtual Iron), VMware ESX und Microsoft Hyper-V sind Hypervisor-Produkte.
Hinsichtlich der Geschwindigkeit ist die Hosted-Virtualisierungslösung dem Hypervisor-Produkt unterlegen, punktet jedoch bei der Treiberunterstützung.
Stärken und Schwächen Hypervisor-Virtualisierung
Plus
-
keine Anpassung der Gast-Betriebssysteme notwendig;
-
vom Host und anderen Gästen unabhängige Gastsysteme (Betriebssystem-Typ, -Version);
-
vielseitige Gast-Hardware möglich;
-
flexible Anpassung der Gast-Hardware (teilweise auch während der Laufzeit).
Minus
-
Hardware muss durch die Virtualisierungssoftware unterstützt werden;
-
manche Hardware lässt sich im Gastsystem nicht abbilden (etwa Faxkarten);
-
virtuelle Hardware wird für jede VM als Prozess abgebildet ("Schwund" / Leistungseinbußen);
-
Prozessorvirtualisierung erforderlich (mit Ausnahme von VMware ESX);
-
Installation von Tools im Gast notwendig, um optimale Leistung zu erzielen;
-
es werden hohe Systemkapazitäten pro Gast benötigt.