Es war ein aus der Not geborenes Experiment, das jedoch für den künftigen Geschäftsbetrieb von OpenText weitreichende Konsequenzen haben könnte. "Wir werden etwa die Hälfte unserer Büros nicht wieder öffnen und ein Hybridmodell einführen, bei dem die Mitarbeiter weiterhin von zu Hause aus arbeiten", kündigte CEO und CTO Mark Barrenechea Ende April an. Der Manager will kleinere Büros dicht machen. Größere Niederlassungen, Länderzentralen sowie Kompetenz- und Innovationszentren sollen indes wiedereröffnet werden, sobald es die allgemeine Gesundheitssituation zulasse.
Barrenechea bezeichnete die zurückliegenden beiden Monate als einen groß angelegten Feldversuch im Bereich Remote Work. Fast alle OpenText-Mitarbeiter seien innerhalb einer Woche ins Home Office umgezogen. Der Produktivität habe dieser Schritt jedoch nicht geschadet, zog der Chef des Softwareherstellers Bilanz. Die Coronakrise habe sich als Chance erwiesen, in neue Richtungen zu denken, wie die Arbeit im Unternehmen künftig aussehen könnte. "Ohne Anlass hätte keiner von uns einer derartiges Experiment gewagt", räumte der OpenText-Chef ein.
Remote Work: "Wir gehen präventiv vor"
Rund 15 Prozent der etwa 15.000 Köpfe zählenden Belegschaft von OpenText sollen nun dauerhaft ins Heimbüro wechseln. Welche Niederlassungen konkret von der Schließung betroffen sind, wollten die Verantwortlichen noch nicht bekannt geben. Über die Büroschließungen hinaus arbeitet OpenText an einer Restrukturierung. Rund 750 Mitarbeiter könnten dabei ihren Job verlieren, hieß es.
Zudem sollen Ausgaben genauer unter die Lupe genommen und Einsparpotenziale bei den Manager-Gehältern ausgelotet werden. Der kanadische Softwarehersteller taxiert die Kosten der Reorganisation auf etwa 80 bis 100 Millionen Dollar und verspricht sich von den Maßnahmen jährliche Einsparungen in Höhe von 65 bis 75 Millionen Dollar. "Wir gehen präventiv vor", sagte Barrenechea. Man müsse sich darauf vorbereiten, weitere Herausforderungen zu meistern.
Der CEO geht davon aus, dass sich das Wachstum seines Unternehmens im Zuge der Corona-Pandemie verlangsamen wird - auf einen mittleren bis höheren einstelligen Prozentwert. Im soeben abgeschlossenen dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs hat OpenText knapp 815 Millionen Dollar eingenommen. Das entsprach einem Plus von 13 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Unter dem Strich stand ein Gewinn von etwa 26 Millionen Dollar. Im Vorjahresquartal waren es noch fast 73 Millionen Dollar.
Mit Home Office die Kosten senken
Barrenechea hat mit seiner Ansage, die eigenen Office-Kapazitäten zu reduzieren, etwas ausgesprochen, worüber derzeit wohl viele Manager weltweit nachdenken - zumal die Erfahrungen der meisten Unternehmen mit der neuen Arbeitssituation positiv ausfallen. Gerade angesichts unsicherer wirtschaftlicher Aussichten, könnte sich das Home Office als Möglichkeit erweisen, Kosten zu senken.
Beispielsweise hatte gerade erst der IT-Dienstleistungsgigant Tata Consultancy Services (TCS) mitgeteilt, nach der Pandemie viel mehr Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Derzeit sind 90 Prozent der weltweit 448.000 Mitarbeiter von TCS im Home Office, mehr als 400.000 Personen. Ab 2025 soll nur noch ein Viertel der Beschäftigten einen Büroarbeitsplatz haben. TCS teilte mit, man gehe davon aus, dass ortsunabhängiges Arbeiten nach der Krise auch in zahlreichen anderen Berufen zur Regel werde. Allerdings hätten noch nicht alle Firmen die Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter schaffen.
PriceWaterhouse Coopers (PwC) hat über 300 US-Manager gefragt, wie sie für ihre Unternehmen die Arbeit nach Corona planen. Demzufolge will knapp die Hälfte der Verantwortlichen die Option für Remote Work weiter ausbauen. Laut einer Gartner-Umfragen gehen sogar drei Viertel aller Finanzchefs davon aus, dass sie in der Post-COVID-19-Phase deutlich mehr Home-Office-Arbeiter haben werden als vor der Krise. Ein Viertel der über 300 befragten CFOs kann sich demnach vorstellen, bis zu 20 Prozent seiner Mitarbeiter permanent im Home Office zu halten.