Ausgangspunkt war bei Daimler die Situation, "dass wir sehr wenig Fertigungstiefe im eigenen Haus hatten und daher natürlich wie alle viel Offshoring betrieben", erklärte Gorriz in einem Gespräch nahe der indischen Niederlassung in Bangalore. Dabei habe man festgestellt, dass es Probleme geben kann, wenn kulturelle Grenzen und Firmengrenzen zusammenfallen. Generell sei Offshoring nicht so einfach, fügte der Daimler-CIO hinzu, man müsse sehr prozessoral, sehr standardbasiert arbeiten. Und wenn es dann mal nicht so läuft wie geplant, komme gleich die Frage: Trägt sich der Mehraufwand?
Auf Basis dieser Erkenntnisse überlegte man sich bei Daimler vor zwei Jahren, wie man diese Probleme in den Griff bekommen und trotzdem die Vorteile von Indien nutzen könnte. Als Konsequenz wurden dann genau die Felder ausgesucht, die man prozessoral beschreiben und mit Standardprozessen bearbeiten kann, beschreibt Gorriz den Auswahlprozess - und diese wurden als Allererstes zur indischen Tochtergesellschaft MBRDI verlagert. In der dortigen Niederlassung in Bangalore sind inzwischen 1100 IT-Mitarbeiter für Daimler tätig, 2015 sollen 500 weitere dazukommen.
SAP-Wildwuchs wird eingedämmt
Eines der wesentlichen Elemente, die im Rahmen des Projekts "Save for Growth" von Daimler nach Indien geholt wurden, waren die Weiterentwicklung und der Betrieb der SAP-Systeme. Hintergrund war, dass sich bei Daimler ein Wildwuchs von mehreren hundert Produktivsystemen angesammelt hatte, so der IT-Manager - wobei jedes dieser Systeme irgendwie anders betrieben wurde; über Dienstleister, in allen möglichen Varianten und Schattierungen.
Da sich SAP als Technologie und als Plattform gut standardisieren lasse, sei man durch die ganzen Abteilungen durchgegangen und habe genau die Nahtstelle definiert, also festgelegt, was nach wie vor Ort gemacht wird, also in Deutschland, USA oder Frankreich oder wo auch immer das SAP-System benötigt wird, berichtet Gorriz. Die Teile, die man vereinheitlichen konnte, seien dann nach Indien geholt worden.
Als Resultat betreibt Daimler inzwischen auch SAP-Systeme aus Indien heraus, die absolut geschäftskritisch sind, wie das Lagerverwaltungssystem für den After-Sales-Bereich. Das sei etwas, womit man nicht herumspielen sollte, fügte Gorriz hinzu, denn "wenn das Lagerverwaltungssystem spinnt, dann gehen eben keine Ersatzteillieferungen raus und die Kunden, also die Werkstätten, können nicht länger arbeiten".
Weltweit vereinheitlichte Rollouts
Das zweite Thema, das Daimler nach Indien verlagerte, waren Rollout-Services. Auch hier war der springende Punkt, dass Rollouts immer nach dem gleichen Muster verlaufen, führt der Daimler-CIO aus: Sie gehen in ein Land und nehmen die Ist-Daten auf, überlegen, wie können Sie am besten migrieren, dann müssen Schulungsunterlagen gemacht werden, die am besten web-basiert sind, die Migration wird durchgeführt und dann gibt es noch ein bisschen Händchenhalten.
Als Beispiel für ein System, das jetzt von Indien aus gesteuert in sechs Ländern ausgerollt wurde, nennt Gorriz das Xentry-Portal, über das Händler Ersatzteile und Serviceunterlagen anfordern können. Dabei erfolgte der Rollout "mit einer Geschwindigkeit, die wir noch nicht hatten, weil wir hier kapazitiv hochfahren können", so der IT-Chef.
Ebenfalls von Bangalore aus findet in der Abteilung Engineering IT-Services aktuell die Umstellung des PLM-Systems von Catia auf Siemens NX statt, nachdem mehr als eine Million CAD-Objekte umgezogen wurden, steht das Projekt nach knapp zwei Jahren jetzt kurz vor dem Abschluss.