Generell unterscheidet Vorwerk heute zwischen der "Commodity-IT", in der die eigene Fertigungstiefe niedrig sein soll, und der "differenzierenden geschäftskritischen IT". Für die Standardaufgaben etwa in Logistik, Produktion und ERP gibt die IT-Organisation die Architektur vor und steuert die Supplier, die entsprechende Anpassungen vornehmen. "Da, wo wir Wettbewerbsvorteile sehen, wo wir wirklich anders sind als die Konkurrenz, da bauen wir unsere eigenen Lösungen, basierend auf SAP-Plattformen", sagt der IT-Chef.
In Madrid entsteht ein Nearshore-Center
Scarponis Kollege Heiko Schandua, weltweit verantwortlich für IT Application Management und Enterprise Architecture, ist derzeit gemeinsam mit dem IT-Dienstleister und Joint-Venture-Partner Cognizant damit befasst, in Madrid ein Nearshore-Entwicklungszentrum mit mehr als 100 Developern aufzubauen. Dort sollen individuelle Systeme zur Unterstützung der vertrieblich relevanten Bereiche entwickelt werden.
"Wir sind noch in der Übergangsphase", sagt Schandua, "für uns bedeutet es einen Mindshift, die wichtigste Software vollständig selbst zu entwickeln. Der Aufbau in Madrid wird etwa zwei bis drei Jahre brauchen. Besonders wichtig für uns ist das richtige Fachpersonal, wir setzen auf Experten aus unterschiedlichen Bereichen." Derzeit seien noch einige wichtige Aufgaben an Partner aus dem Systemintegration-Umfeld und sonstigen Dritten ausgelagert. Sie sollen später im Nearshore-Center zusammengezogen werden.
"Für uns ist das ein großer Change, aber auch eine Herausforderung", sagt Schandua. Wie so viele andere Unternehmen findet Vorwerk in Deutschland nicht genügend gute Entwickler. Außerdem sei Madrid als Standort international durchaus zentral gelegen und es fänden sich dort auch die so begehrten SAP-Skills, die osteuropäische Nearshore-Regionen meistens nicht aufbieten könnten.
Scarponi betont, wie wichtig bei diesem Vorhaben die Partnerschaft mit dem IT-Dienstleister sei: "Wir arbeiten eng mit Cognizant zusammen, wenn es um Themen wie Infrastruktur und Bürogebäude in Madrid geht." Der IT-Dienstleister helfe, die neuen Mitarbeiter anzuheuern und zu testen.
Individuelle Apps für Vertriebler in den Ländern
In der spanischen Metropole sollen künftig mehr als 100 Entwickler Individualsoftware für den Vorwerk-Direktvertreib entwickeln. "Wir setzen dabei auf individuelle Apps, die unsere Berater in den Ländern nutzen können, um Aufträge zu erfassen, Leads nachzuverfolgen und die Incentivierung ihres Vertriebs zu verwalten", erklärt Schandua. Man gehe davon aus, diese Software ständig weiterentwickeln zu müssen, um Marktveränderungen berücksichtigen und die Konkurrenzfähigkeit erhalten zu können.
Warum dieser Aufwand? Gibt der IT-Markt keine vernünftige Standardsoftware für den Direktvertrieb her? Scarponi spricht von einer Nische, für die es einige Kleinanbieter gebe, die aber kein globales Operating Model auf die Beine stellen könnten. Es fehle dann oft am Support. "Wenn Sie ein Ticket in China stellen, dann sind kleinere Anbieter aus den USA meist nicht in der Lage, schnell genug auf die Kundenanforderung einzugehen."
Und weil sich Vorwerk schon lange in einer SAP-Welt bewege und teure Inkompatibilitäten vermeiden wolle, "haben wir gesagt: Lasst uns ein SAP-Produkt nehmen mit einem garantierten Supportmodell dahinter, das uns die Integration in die restliche Applikationslandschaft ermöglicht. Die Spezifika, die wir benötigen, bauen wir selbst ein", erklärt Schandua.