IT-Manager wetten

Verkaufen auf allen Kanälen

05.01.2015
Von Björn Wöstmann
Björn Wöstmann, Lloyd Shoes, wettet, dass es in zehn Jahren im Retail keine unterschiedlichen IT-Systeme für Online-Business und Offline-Business mehr geben wird.
Björn Wöstmann, Lloyd Shoes
Björn Wöstmann, Lloyd Shoes
Foto: Lloyd Shoes

Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit manifestieren sich alle rund 50 Jahre im Einzelhandel (engl. "Retail") grundlegende Veränderungen. Die fortschreitende Urbanisierung und der Ausbau des Eisenbahnnetzes vor rund 150 Jahren veränderten die Erwartungshaltung der Konsumenten und deren Kaufverhalten dramatisch.

Rund 50 Jahre später entstanden auf der Grundlage des sich ausbreitenden Individualverkehrs die ersten Einkaufszentren außerhalb der Innenstädte und stellten die etablierten Ladengeschäfte in den Stadtzentren vor eine völlig neue Wettbewerbssituation. Die 60er- und 70er-Jahre waren von aufsteigenden Discountern geprägt, die als "Game Changer" erneut einen massiven Wandel in der gesamten Einzelhandelslandschaft bewirkten.

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Und heute, wiederum rund 50 Jahre später, erleben wir alle, Händler und Kunden, wie mit dem elektronischen Handel, neudeutsch "E-Commerce", die nächste große Veränderung in den Einzelhandel einzieht. Und wiederum wird auch der E-Commerce die Absatzkanäle, die Wertschöpfungsketten und selbst die Arbeitskultur im Einzelhandel nachhaltig beeinflussen.

Die Bedeutung, die das Online-Business (oder der E-Commerce) bereits heute für den Einzelhandel erreicht hat, lässt sich an wenigen Zahlen verdeutlichen. Ausgehend von einem E-Commerce-Gesamtumsatz in Deutschland von 1,25 Milliarden Euro im Jahr 1999 hat sich der Umsatz bis 2013, also innerhalb von nur 14 Jahren, um mehr als den Faktor 26 auf 33,1 Milliarden Euro erhöht. Für das laufende Jahr erwartet der Handelsverband Deutschland eine weitere deutliche Steigerung um zirka 17 Prozent auf rund 38,7 Milliarden Euro (Quelle: statista.com). Das bedeutet für das Jahr 2014 einen E-Commerce-Umsatz im deutschen Einzelhandel von im Durchschnitt mehr als 100 Millionen Euro pro Tag!

Auf Basis einer Analyse des Beratungshauses OC&C aus dem Jahr 2012 kaufen Konsumenten primär aus fünf Gründen online (in Webshops) statt offline (im stationären Einzelhandel):

  • Einkaufen ist jederzeit möglich,

  • das Produktangebot ist größer,

  • die Informationen zu Produkten und Preisen sind besser,

  • die Preise sind niedriger und

  • der Kunde spart Zeit.

Betrachtet man diese fünf Gründe für einen Online-Einkauf aus Konsumentensicht, gelangt man schnell zu dem Ergebnis, dass der stationäre Handel nur begrenzt in der Lage ist, seinerseits zu punkten: Öffnungszeiten rund um die Uhr sind auf Basis rechtlicher Rahmenbedingungen und der resultierenden Personalkosten für den stationären Handel schwierig bis unmöglich. Eine Ausweitung des Produktangebots scheitert oft - insbesondere in Innenstädten und Top-Lagen - an baulichen Möglichkeiten und den vielerorts steigenden Kosten für Einzelhandelsflächen. Der Zeitaufwand für den Weg zu den Ladenlokalen der Einzelhändler ist ebenfalls selten entscheidend beeinflussbar. Mit anderen Worten: Der stationäre Handel wird kaum in der Lage sein, die aus Sicht der Kunden relevantesten Vorteile des E-Commerce im direkten Vergleich zu egalisieren.

Aus den genannten Vorteilen des Online-Handels gegenüber dem stationären Einzelhandel erklären sich - zumindest teilweise - die gewaltigen Zuwachsraten im E-Commerce. Bewertet man diese nun auch noch vor dem Hintergrund eines vergleichsweise kläglichen Umsatzwachstums im Einzelhandel in Deutschland von rund sieben Prozent über die vergangenen zehn Jahre, überrascht es wenig, dass viele Einzelhändler in den zurückliegenden Jahren auf den Internet-Zug aufgesprungen sind. Sie bieten ihre Waren parallel zum stationären Einzelhandel nun auch über eigene Webshops an.

Damit riskieren diese Händler allerdings, in dem neu betretenen Absatzkanal "Internet" in direkte Konkurrenz zu "reinrassigen" E-Commerce-Anbietern wie Amazon oder Zalando zu treten. An diese mussten sie bereits als stationäre Anbieter im indirekten Wettbewerb Umsatzanteile abgeben. Die stationären Händler befinden sich also derzeit in einem Dilemma: Mit rein stationären Geschäften schneidet man das eigene Unternehmen von dem einzigen signifikant wachsenden Absatzkanal E-Commerce ab. Wer sich hingegen ins Internet wagt, bekommt es mit sehr starken, etablierten "pure online playern" in deren ureigenem Absatzkanal zu tun.

Ist es also Zeit für einen Abgesang auf die "elektronische Mobilmachung" des stationären Handels? Keinesfalls!