Während viele Unternehmen ihre im Zuge der Pandemie erstellten Home-Office-Richtlinien überarbeiten, zeigt eine Studie des Collaboration-Software-Unternehmens Atlassian, dass Vorgaben für die Rückkehr ins Büro bei den Mitarbeitern unbeliebt sind. Außerdem beklagt die Hälfte derjenigen, die zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten, dass sie keinen Zugang zu Technologien für die verteilte Arbeit haben.
Die Studie basiert auf Antworten von 1.000 Knowledge Workern in den USA und Australien - dürfte aber auch Aussagekraft über diese Regionen hinaus haben. Von den Befragten gaben 71 Prozent an, dass sie mindestens einmal pro Woche remote arbeiten, doch nur 51 Prozent dieser Gruppe gaben an, dass ihr Unternehmen ihnen Tools für die verteilte Zusammenarbeit zur Verfügung stellt.
Ungeeignete Tools und fehlende Schulung
Darüber hinaus erklärten 26 Prozent derjenigen, denen Remote-Collaboration-Tools zur Verfügung stehen, dass diese Tools nicht unbedingt für ihre Arbeit geeignet seien oder dass sie keine ausreichende Schulung für diese Anwendungen erhalten hätten, um effektiv arbeiten zu können.
Gleichzeitig, so Atlassian, beklagten Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter zurück ins Büro holen wollen, einen vermeintlichen Produktivitätsrückgang und schieben ihn auf die Remote-Arbeit. Die Company, deren Anwendungen Jira, Trello und Confluence auf Hybrid-Work-Umgebungen ausgerichtet sind, kommt zu einem anderen Schluss: Schuld sei vielmehr der Umstand, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern nicht die richtigen Tools oder Arbeitsweisen zur Verfügung stellen, um eine solche Strategie erfolgreich umzusetzen.
"Viele CEOs sagen nun 'Oh, wir müssen zurück ins Büro', als ob das bessere Ergebnisse bringen würde", erklärt Annie Dean, Leiterin von Atlassians Team Anywhere. Diese Meinung stehe jedoch im Widerspruch zu der Tatsache, dass einige Unternehmen in den vergangenen drei Jahren gute Geschäftsergebnisse erzielt haben, während ihre Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiteten. Außerdem hätten Untersuchungen gezeigt, dass die Mitarbeiter sich selbst für produktiver fühlen, wenn sie von zu Hause aus arbeiten.
- Hans-Jürgen Jobst, Avaya
„Während Corona haben wir schon gestaunt, wie wenig remote-arbeitsfähig manche Organisationen waren. Viele hatten Desktop-orientierte Computer, keine VPN-Zugänge und waren kaum digitalisiert. Mittlerweile ist dies bei vielen geregelt und die Tools haben sich gefunden. Doch die Digitalisierung ist nach wie vor ein großes Thema, zum Beispiel bei Workflows im CRM, um mit seinem Rechner und einem Remote-Zugang tatsächlich von überall aus arbeiten zu können.“ - Matthias Berchtold, Cisco
„Vor der Pandemie gab es ‚ein‘ Büro. Mit Ausbruch von Corona gab es plötzlich 1000 kleine Büros, verstreut in den Wohnungen und Häusern der Mitarbeiter. Viele Unternehmen versuchen nun mit der gleichen Arbeitsweise wieder das große Büro zu etablieren. Und das funktioniert aus mehreren Gründen nicht: Zu Hause schmeckt der Kaffee besser, meist ist das Internet stabiler, die Atmosphäre angenehmer und der Arbeitsweg entfällt. Es muss also nicht das alte Büro wiederkommen, sondern ein Hub, in dem Zusammenkunft und kreativer Austausch möglich sind und eine Unternehmenskultur entstehen kann.“ - Marius Jarzyna, DeskNow
„In meinen Augen ist Hybrid Work zu über 90 Prozent Mitarbeiter-getrieben. Die Unternehmen haben in vielerlei Hinsicht noch nicht verstanden, wo die Vorteile sind und welche Möglichkeiten damit einhergehen. Wir beobachten dies immer wieder in Kundenprojekten: In 75 Prozent unserer Anfragen wurde die HR-Abteilung direkt von den Mitarbeitern angesprochen. Man müsse hybrid werden, um neue Fachkräfte zu bekommen.“ - Michael Mirwald, diconium
„Es geht bei Remote Work nicht nur darum, die Technik bereitzustellen. Unternehmen legen im Office so viel Wert auf Ergonomie am Arbeitsplatz. Im Homeoffice ist das alles vergessen und die Leute sitzen wie Gollum vorm Computer. Zur Befähigung sollte also auch gehören, den Mitarbeitern zu Hause einen ordentlichen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Sei es mit der Bereitstellung von Bürostühlen oder auch Yoga-Programmen, damit die Leute in ihren vier Wänden eben nicht so ungesund arbeiten.“ - Marie Pötter, DXC
„Wir müssen uns davon lösen, dass Kultur im Büro stattfindet. Wenn man starke Unternehmenswerte hat, die von der Unternehmensführung klar definiert, gut kommuniziert und entsprechend gelebt werden, entsteht viel mehr die Identität im Unternehmen. Und so kommt den Führungskräften auch eine besondere Rolle zu, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für New Work zu schaffen und zum Leben zu bringen, denn sie müssen situativ auf die einzelnen Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen können.“ - Ralf Kettnaker, Iron Mountain
„Die Infrastruktur, um Remote zu arbeiten, ist vielerorts vorhanden. Teilweise fehlen aber adäquate Lösungen, wie der digitale Posteingang. Es benötigt schlaue Strategien, um die Arbeit so zu verteilen, dass die Mitarbeiter:innen auch alle Informationen bekommen, die sie für ihre Arbeit benötigen. Und es braucht Strukturen, die den Umgang mit geteilten Dokumenten festlegen. Nicht nur, um in zehn Jahren nicht unter einem Datenberg zu verschwinden, sondern um Effizienz und Compliance sicherzustellen.“ - Holger Dörnemann, Nexthink
„Wir haben uns in der Pandemie intensiv mit Kunden beschäftigt, die nicht auf Homeoffice eingestellt waren. Für einige war das aus Sicherheitsgründen nie ein Thema (Verteidigungssektor, Verarbeitung sensibler Daten). Neben der kulturellen Thematik darf man auch die technische Realisierung nicht außen vor lassen. Technik muss daheim wie im Büro einwandfrei und sicher funktionieren. Nichts ist schlimmer als im Homeoffice zu sitzen und nichts funktioniert oder man bietet Angriffsfläche für Hacker – die meisten Unternehmen sehen heute, dass gutes und sicheres IT-Erlebnis trotz gestiegener Komplexität Pflicht und nicht nur Kür ist.“ - Jens Reichardt, SPIRIT/21
„Nicht jeder Mitarbeitende hat eine hohe Affinität zu Remote Work. Die Herausforderung liegt vor allem darin, die breite Masse abzuholen. Technik macht dies zwar möglich, löst aber die Grundproblematik nicht. Denn auch beim Arbeiten von zuhause oder unterwegs geht es vor allem um Menschen, die sich austauschen und interagieren wollen. Wenn hybride Arbeitsmodelle dauerhaft funktionieren sollen, reicht es deshalb nicht aus, die notwendigen technischen und ergonomischen Voraussetzungen zu schaffen. Ebenso wichtig ist es, Führungsstil und Kommunikationskultur weiterzuentwickeln und die Büroräume an das veränderte Nutzungsverhalten anzupassen.“ - Jens Weller, toplink
„Bei uns sind alle Meetings hybrid ausgelegt, während es bei Workshops eine Präsenzverpflichtung gibt. Da legen wir wirklich Wert darauf, die Mundwinkel zu sehen, die nach untern klappen, oder die unruhigen Beine, wenn eben jemand etwas nicht mit dem Mund sagt. Körpersprache kann ein wichtiges Signal sein, das Aufmerksamkeit benötigt. Und deshalb kann es nicht nur Remote geben, sondern es braucht auch Touchpoints, an denen man sich Zusammenfinden und alle Sinne gebrauchen kann.“
Rückgang der Produktivität von Remote Workern?
Ob die Produktivität der Mitarbeiter in Wirklichkeit zu- oder abgenommen hat, kann nicht zweifelsfrei beantwortet werden. So messen die Ergebnisse der Atlassian-Umfrage nicht die tatsächliche Produktivität der Befragten, und Unternehmen, die Back-to-Office-Vorgaben erteilt haben, präsentierten im Allgemeinen keine harten Daten, aus denen hervorgeht, ob die Produktivität der Mitarbeiter zurückgegangen ist oder nicht.
Auch wenn es vielleicht nicht die eine Kennzahl zur Produktivität gibt, sei es in jedem Fall eine äußerst schwierige Zeit für die Mitarbeiter, befindet Chris Marsh, Forschungsdirektor bei S&P Market Intelligence. Unabhängig davon, ob die Produktivität zurückgegangen ist oder nicht, seien die Spannungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern real.
"Grundlegende Herausforderungen im Zusammenhang mit der Arbeit [kollidieren jetzt] mit den Forderungen von Führungskräften nach mehr operativer Agilität und den wachsenden Erwartungen der Mitarbeiter hinsichtlich der Erfahrungen, die sie bei ihrer täglichen Arbeit machen", erklärt er.
Wachsende Spannungen zwischen Management und Mitarbeitern
Gleichzeitig fügt Marsh hinzu, dass es verschiedene Faktoren gibt, die zu den wachsenden Spannungen zwischen Management und Mitarbeitern beitragen. Dazu gehörten: betriebliche Silos, das unbeständige makroökonomische Klima, fragmentierte und unterfinanzierte Technologiestrategien und das Gefühl der Mitarbeiter, dass sie nicht unterstützt werden. "Die Lösung wird mehr als nur stückweise Veränderungen erfordern und lässt sich nicht durch die Rückkehr ins Büro erreichen", so Marsh.
Auch Atlassian vertritt den Standpunkt, dass Produktivitätsprobleme nicht das Ergebnis von verteilter Arbeit an sich sind. "Wir wissen, was die größten Arbeitsprobleme sind", so Dean. "Es gibt zu viele Meetings, E-Mails werden nicht zusammengeführt oder liefern nur halbgare Standpunkte, die keine gute Aufzeichnung dessen sind, was passiert.