Burnout

Hotels für die Seelenruhe

02.02.2013
Von Thorsten Firlus-Emmrich
Boxen, Yoga und Darmreinigung - Hotels bieten ihren Gästen Programme, um dem fortgeschrittenen Stress zu begegnen.
Viele Hotels haben heute Angebote für Gestresste.
Viele Hotels haben heute Angebote für Gestresste.
Foto: Chefsamba - Fotolia.com

Der Weg sieht anstrengend aus. Er führt gleich hinter dem Parkplatz den Berg hinauf. Doch Walther bremst schon hinter den letzten Autos. Innehalten am ersten scheinbar x-beliebigen Baum, bevor noch ein Tropfen Schweiß fließen konnte an diesem sonnigen Herbsttag. Doch dieser Baum ist nicht irgendein Baum. Er steht da. Er hat sich als Samen durchgesetzt und es zu einer stattlichen Größe gebracht. Er wurzelt direkt an einem anderen, gemeinsam bilden sie ein Paar. Man möge es, wie Walther bittet, in Ruhe auf sich wirken lassen. Als spräche das Paar zu uns, jeder Ast und jedes Blatt. Walther meint es gut. Mit der Natur, mit seinem Gast, mit sich. Augen auf, Sinne an und aufnehmen, was einen umgibt.

Die Anhöhe oberhalb von Vaduz hat er mit seinem Hybridauto erklommen, um für zwei Stunden mit seinem Gast spazieren zu gehen. Kein weiter Weg, kein Marsch in unbekanntes Gelände, keine Nahtoderfahrung im Angesicht schwindelnder Höhen. Walther möchte, dass Ruhe einkehrt, die Büsche zu Begleitern, die Vögel zu Freunden werden. "Das ist ein liebevoller Satz, den du sagst", kommentiert er eine Beobachtung seines Gasts. Walther mag Menschen. Er liebt sie. Das soll auch sein Gast lernen. Runterkommen, durchatmen und sich auf das Wichtige besinnen.

Der Rundgang in Liechtenstein ist kein Selbsterfahrungsseminar in einem Kloster, keine spirituelle Offerte einer Ökosekte für gestresste Manager in Not. Es ist ein Angebot des Park Hotels Sonnenhof, eines kuscheligen Vier-Sterne-Luxushotels mit nur 29 Zimmern, Mitglied in der Vereinigung Relais & Châteaux, die üblicherweise für prachtvolle Gemäuer und die herausragende Küche ihrer Mitgliedsbetriebe gerühmt wird. Der Spaziergang mit Walther wird in der Hotelhalle annonciert auf einem Informationsständer mit goldenem Rahmen, keine fünf Meter von der Speisekarte des Gourmetrestaurants.

Merkwürdige Karriere

Dort kocht Hubertus Real, Inhaber des Betriebs, den seine Eltern 1962 erworben haben. Die Idee, einen Spaziergang mit Walther ins Programm aufzunehmen, hatte Real, weil er selber gute Erfahrungen damit gemacht hat. "2008, nach dem Klau der Bankdaten, brach das Geschäft um 40 Prozent ein", erinnert sich Real. Leute entlassen oder noch mal in die Vollen gehen? Real investierte. Viel Geld. Seine Ehe zerbrach, die Probleme des kleinen Betriebs zermürbten ihn. "Bei einem Spaziergang mit Walther brach es aus mir heraus." Stress, Überlastung. Burn-out?

Symptome einer Depression

Müdigkeit
Deutliche Geschlechtsunterschiede finden sich bei der sogenannten unipolaren Depression, von der Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Diese Form ist gekennzeichnet durch Symptome wie verminderten Antrieb oder gesteigerte Müdigkeit, ...

Depressive Stimmung
... depressive Stimmung in einem ungewöhnlichen Ausmaß, die fast jeden Tag mindestens über zwei Wochen hinweg auftritt, ...

Keinerlei Freude
...Verlust an Interessen, keinerlei Freude mehr an Tätigkeiten, die einem früher mal Spaß und Befriedigung gebracht haben, ...

Selbstvertrauen
...Verlust des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls sowie Selbstvorwürfe und Selbstzweifel, ...

Konzentration
...Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Appetitverlust oder gesteigerter Appetit.

(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)

Kaum ein Wort hat in den vergangenen Jahren unter Spitzensportlern oder -managern, aber auch unter normalen Berufstätigen, für so viel Aufsehen gesorgt wie Burnout. Die öffentlich bekannt gewordenen Fälle von Fußballtrainer Ralf Rangnick oder Skispringer Sven Hannawald sind nur die prominentesten Beispiele für ein Phänomen, das von den Krankenkassen bis heute nicht als Krankheit erfasst ist und sich auch nicht quantifizieren lässt: Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie weist in einem Positionspapier darauf hin, dass es keine verlässlichen Zahlen gebe. Doch der Begriff ist allgegenwärtig.

Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer spricht von der "merkwürdigen Karriere eines Begriffs", die dazu geführt habe, dass Burn-out mittlerweile als Auszeichnung empfunden wird, als Statussymbol neben Chefbüro und Dienstwagen. Burnout, so Schmidbauer, werde zum Mythos: "Die in ihm steckende Poesie von Feuer und Flamme, Glut und Asche wird nicht nur zum Verhängnis für seine präzise Verwendung, sondern auch zum Hindernis für eine gründliche Therapie."