Collaboration-Programme im Test

Es muss nicht immer Exchange sein

08.04.2016
Von 
Andrej Radonic ist Experte für Virtualisierung, Cloud-Technologien und Open Source Anwendungen. Der Fachbuchautor ist Vorstand der interSales AG und entwickelt für mittelständische Unternehmen anspruchsvolle E-Commerce Lösungen.
Wir vergleichen sieben Collaboration-Alternativen zu Microsofts Exchange und Outlook - mit Datenblättern sowie den Vor- und Nachteilen.

Trotz der Marktführerschaft Microsofts in Sachen E-Mail-Infrastruktur sind echte Alternativen zu Exchange und Outlook gefragter denn je, denn auch die neuesten Versionen konnten Exchange einige notorische Nachteile nicht abgewöhnen. So ist der Mail-Server ein ressourcenhungriges System und gilt aufgrund seiner Komplexität als aufwändig zu administrieren. Ferner sorgt die Lizenzpolitik bei vielen Anwendern für Unmut. Zudem setzt das Produkt auf eine Reihe proprietärer Techniken (PST-Format, MAPI-Interface) und stellt obendrein die Groupware-Funktionen ausschließlich mit Outlook als Client zur Verfügung. Gerade kleinere Unternehmen sehen sich durch den Wegfall des Microsoft SBS-Servers außerdem höheren Lizenzkosten für Exchange gegenüber.

Grund genug, sich mit der Phalanx von Wettbewerbern mit ihren alternativen Ansätzen und Techniken zu beschäftigen.

Outlook-Anwender im Visier

Diese locken mit günstigeren Preisen, niedrigeren Gesamtkosten, oftmals kostenfreien Editionen, einem üppigen Funktionsumfang und viel Flexibilität bei Betrieb, Lizenzierung und Integration in die eigene Landschaft. Vor allem aber versprechen sie, Outlook-Anwender, die über 70 Prozent der Mail-User in Unternehmen ausmachen, nahtlos zu integrieren und die gewohnten Funktionen transparent zur Verfügung zu stellen. Auch die offenen Schnittstellen, plattformunabhängige Client-Unterstützung bis hin zu Mobilgeräten und innovative Erweiterungsfunktionen sind wichtige Pluspunkte. Mail, Directory-Integration und flexible Schnittstellen bilden seit jeher eine Domäne von Open-Source-Lösungen, und so überrascht es nicht, dass die meisten Groupware- und Collaboration-Produkte aus dem Lager der quelloffenen Software stammen, wobei in allen Fällen eine kommerzielle Produktlinie inklusive kostenpflichtiger Supportleistungen etabliert ist.

Alle hier vorgestellten Groupware-Server arbeiten unabhängig von einer bestimmten System- oder MS Office-Version, unterstützen andere Client-Lösungen als Outlook und lassen sich mit Bordmitteln sichern. Die Systeme beherrschen alle Standardprotokolle wie SMTP, Imap und POP3. Benutzer können sie lokal verwalten oder sich in ein bestehendes LDAP- oder Active-Directory einklinken. Alle getesteten Produkte unterstützen zudem Microsofts ActiveSync-Protokoll, um Daten mit Smartphones abzugleichen.

Allgemeiner Funktionsumfang

Dabei bilden die Lösungen einen zumeist enormen Funktionsumfang ab, um den gängigen Anforderungen von Anwendern und Administratoren gerecht zu werden. Denn von Mail- und Groupware-Systemen wird viel verlangt. Für den Administrator müssen sie skalierbar sein, sich nahtlos und sicher in das Netz einfügen, allen Viren- und Spam-Attacken trotzen und gut administrierbar sein. Den Ton geben jedoch vor allem die Anwender an. Sie sind verwöhnt durch die Universalität des Internets und ständige Verfügbarkeit von Cloud-Diensten sowie von banalen Anwendungen wie gängigen Web-Mailern. Ihre Ansprüche entstammen einer zunehmend durch Mobilität, Home Offices und leistungsfähige mobile Endgeräte geprägten Arbeitswelt.

Im Kern bieten alle gängigen Produkte mindestens diese Funktionsfelder:

  • E-Mails, Kontakte und Aufgaben im Team nutzen;

  • gemeinsam Termine planen und Ressourcen reservieren;

  • Einsatz weitergehender Verwaltungsfunktionen wie Vertretungsregeln;

  • Push-Mail und Synchronisation von E-Mails, Kontakten, Terminen und Aufgaben mit mobilen Geräten (iPhone, Blackberry, Windows Phone).

Bei der Systemauswahl sollten sich Verantwortliche genau überlegen, welche Funktionen sie benötigen, da die Produkte zwar ein ähnliches Spektrum abdecken, ihre Schwerpunkte aber unterschiedlich setzen. Zentrale Fragen sind dabei: Geht es vorwiegend um einen komfortablen Mail-Client? Sind Groupware-Funktionen wie Kalender und Aufgabenverwaltung wichtig? Wie sind die Anforderungen in Bezug auf die Anbindung mobiler Endgeräte? Welche Zusatzkomponenten wie Antivirus- oder Spam-Filter müssen zu welchen Kosten erworben werden? Habe ich den Anspruch, über das System Unified Communications abzubilden?

Klar ist dabei auch: Aufgrund der komplexen Aufgabenstellung sind alternative Programme nicht unbedingt einfacher zu implementieren und zu administrieren als Microsoft Exchange. Aber für Verantwortliche bestehen mit ihnen interessante Auswahlmöglichkeiten, um in Hinblick auf die eigenen Anforderungen die passende Lösung zu finden.

Trends bei Groupware-Lösungen

Mehrere Trends sind bei den marktführenden Systemen in den letzten Jahren zu beobachten:

  • Die Outlook-Unterstützung steht im Mittelpunkt und ist bei allen Wettbewerbern in etwa gleicher Güte umgesetzt.

  • Die Web-GUIs der Produkte werden immer besser. Anwender können die Groupware-Funktionen damit systemübergreifend nutzen und machen sich von Outlook unabhängig.

  • Die durchgehende und sichere Unterstützung mobiler Endgeräte wie Smartphones wird immer wichtiger.

  • Es gibt einen zunehmenden Trend zum Komplettsystem. Dazu gehören zum Beispiel integrierte Lösungen für zentrale Mail-Archivierung, aber auch Backup/Restore sowie integrierte Spam- und Virenabwehr.

  • Der Integration in Legacy-Applikationen wie ERP-Systeme, CRM und CMS kommt eine große Bedeutung zu.

  • Die Messaging-Plattform wird - je nach Produkt - zur Basis für Unified Communications: jeder User kann über jeden Kommunikationskanal - inklusive Social Media und Internet-Telefonie - über eine zentrale Adresse erreicht werden.