Siemens, SBS und viele Krisen

Die Geschichte von Atos und SIS

16.01.2015
Von 
Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.

Ab 2001: Konsolidierung und erneute Probleme

Nachfolger von Friedrich Fröschl wird Paul Stodden, der zuvor bereits Fujitsu-Siemens Computers saniert hatte. Durch straffes Kostenmanagement mit Stellenstreichungen führt er SBS wieder in die Gewinnzone. Die Gewinnmarge liegt allerdings unter zwei Prozent; das Siemens-Management fordert mindestens fünf Prozent bis zum Jahr 2004.

Friedrich Fröschl wollte SBS unter die Top fünf der IT-Dienstleister bringen und die globale Expansion durch einen Börsengang finanzieren.
Friedrich Fröschl wollte SBS unter die Top fünf der IT-Dienstleister bringen und die globale Expansion durch einen Börsengang finanzieren.
Foto: SBS

Im Juni 2004 geht Paul Stodden, Nachfolger wird Adrian von Hammerstein, zuvor CEO von Fujitsu-Siemens Computers. Wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage streicht SBS bis Ende des Geschäftsjahres 2005 rund 1.000 Stellen. Zudem verpflichtet das Management von Siemens alle Geschäftsbereiche, IT-Services von SBS zu beziehen. Zusätzlicher Druck kommt vom seit April 2005 amtierenden neuen Siemens-CEO Klaus Kleinfeld. Er verpflichtet SBS auf eine Marge von mindestens fünf Prozent in genau zwei Jahren.

2005/2006: Entlassungen und Trennung vom Wartungsgeschäft

Im September 2005 folgt Christoph Kollatz auf von Hammerstein. Unter seiner Ägide kündigt SBS an, innerhalb von zwei Jahren 1,5 Milliarden Euro zu sparen und 5.400 Stellen zu streichen. Zudem spaltet Siemens seinen verlustreichen IT-Dienstleister SBS auf und verkauft den Geschäftsbereich "Produktnahe Dienstleistungen" (PRS), der für die Wartung von Computern und Servern zuständig war, an Fujitsu-Siemens. Das Geschäftsfeld PRS erwirtschaftet einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro mit 5000 Beschäftigten; SBS insgesamt macht im Jahr 2005 bei einem Umsatz von 5,37 Milliarden Euro einen operativen Verlust von 690 Millionen Euro. Im Vorjahr erzielte SBS noch einen Gewinn von 40 Millionen Euro.

Christoph Kollatz auf von Hammerstein.
Christoph Kollatz auf von Hammerstein.
Foto: SBS

In den folgenden Monaten forciert Siemens den Umbau seines verlustreichen IT-Dienstleisters. SBS sollte noch enger mit dem sonstigen Siemens-Geschäft verzahnt werden und in Branchen agieren, die auch von Siemens bedient werden. Dazu gehören die Automobilindustrie, Chemie und Pharma oder Energieversorger.

Nichtsdestotrotz häufen sich die Spekulationen über die Zukunft von SBS. Dies belegen einige Schlagzeilen aus dieser Zeit: "SBS wird zerschlagen", "Atos Origin verhandelt über eine Akquisition", "CSC hat Interesse an einer Übernahme".

2007: SBS wird zu SIS

Siemens entschließt sich im Jahr 2007, SBS nicht zu verkaufen, sondern mit vier weiteren IT-Sparten unter dem Dach der neu geschaffenen "Siemens IT Solutions and Services" (SIS) zusammenzufassen. Mit SBS werden die Bereiche Program and System Engineering (PSE, Österreich), Siemens Information Systems Ltd. (SISL, Indien), Development Innovation and Projects (DIP, Griechenland) sowie Business Innovation Center (BIC, Schweiz) in der SIS gebündelt. SIS-Vorstand wird der bisherige SBS-Chef Christoph Kollatz.

Siemens IT Solutions and Services.
Siemens IT Solutions and Services.
Foto: Siemens

SIS soll mit 43.000 Mitarbeitern etwa fünf Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Ziel von Siemens ist es, die vorhandene IT-Kompetenz in einem Bereich zusammenzufassen und nach Branchen ausrichten. Das soll zu mehr Kompetenz und Effizienz führen.

Im Dezember 2009 kündigt Siemens-CEO Peter Löscher an, SIS als eigenständiges Unternehmen aus dem Konzern auszugliedern. Der langjährige SIS-Chef Christoph Kollatz verlässt das Unternehmen daraufhin im Streit. Der Manager hat die Sparte zwar zeitweise erfolgreich saniert, für ein paar Quartale erfüllt SIS sogar die Renditevorgaben des Konzerns. Eine nachhaltige Zukunftsstrategie findet aber auch Kollatz nicht.

Unter der Leitung seines Nachfolgers Christian Oecking wird SIS als GmbH ausgegründet. Im Zuge der Ausgliederung streicht SIS weltweit 4.200 der 35.000 Jobs. Oecking versucht, den externen Vertrieb zu stärken, kann den Umsatz aber nicht wesentlich steigern. Im Jahr 2010 erwirtschaftet SIS einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro. Davon werden mehr als 75 Prozent mit Kunden außerhalb des Konzerns erzielt. In früheren Jahren lag der Umsatz von SIS schon einmal bei 5,4 Milliarden Euro.

Atos Origin - Wachstum durch Übernahmen

Atos Origin entsteht im Jahr 2000 durch die Fusion von Atos und Origin. Das neue Unternehmen wächst in den folgenden Jahren stetig durch Akquisitionen und Outsourcing-Verträge mit Personal- und Technologietransfers. Im Jahr 2002 entsteht aus der Übernahme des Beratungsgeschäfts von KPMG in Großbritannien und den Niederlanden die Firma Atos Consulting. Damit sichert sich der Konzern ein starkes Standbein im Beratungssegment des IT-Marktes.

Foto: Atos

Seit den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City ist Atos Origin weltweiter IT-Partner des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das Unternehmen kümmert sich um die IT-Infrastruktur der Olympischen Spiele und ist so maßgeblich verantwortlich für die Übermittlung von Ergebnissen, die Übertragung von Veranstaltungen und Informationen an Zuschauer und Medien auf der ganzen Welt. Am 25.05.2009 verlängern IOC-Präsident Jacques Rogge und Thierry Breton, CEO von Atos Origin, den Partnerschafts-Vertrag. Er umfasst jetzt auch die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, Russland, und die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro, Brasilien.

Im Januar 2004 erwirbt Atos Origin von Schlumberger die Sema-Gruppe und formt damit eines der größten europäischen Unternehmen für IT-Dienstleistungen. Zum Zeitpunkt der Akquisition hat Sema 20.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von rund 2,4 Milliarden Euro. Atos Origin erwirtschaftet mit 26.500 Beschäftigten einen Jahresumsatz von über drei Milliarden Euro.

Im Jahr 2004 übernimmt Atos Origin zudem den Rechenzentrumsbetrieb von Itellium, der IT-Tochter des Arcandor-Konzerns mit den Rechenzentren in Nürnberg und Essen. Im Zuge der Auslagerung wechseln rund 900 Mitarbeiter zu Atos Origin. Im gleichen Jahr integriert das Unternehmen die IT-Sparte des Mobilfunkanbieters E-Plus und damit rund 180 weitere Mitarbeiter. 2005 überträgt der Fernsehsender Premiere Teile seiner IT an Atos Origin. Im Rahmen dieser Aktion übernimmt Atos Origin rund 100 Mitarbeiter. 2007 folgen weitere 200 Mitarbeiter, als Atos Origin den Zuschlag für die Wartung und Weiterentwicklung der IT-Applikationen der Dresdner Bank erhält.