Aufstieg, Krisen und Skandale

Die Geschichte der Telekom

18.01.2016
Von 
Ariane Rüdiger ist freie Autorin und lebt in München.

Aus vier mach drei: Noch eine neue Strategie

2004 wird schon wieder eine neue Strategie verkündet: Wegen der finanziellen Erfolglosigkeit von T-Online soll sich das Geschäft fortan auf nur noch drei Säulen stützen: Breitband/Festnetz, Mobilfunk und Geschäftskunden. Warum, erklärt Kai-Uwe Ricke in der Computerwoche. Ersteren Bereich verantwortet der ehemalige IBM-Deutschland-Chef Walter Raitzner. Neue Umsätze soll das UMTS-Netz bringen, das T-Mobile als zweiter Anbieter deutschlandweit im März freischaltet.

Gleichzeitig verstärkt die Regulierungsbehörde gezielt den Wettbewerb: Ab 2004 muss die Telekom ihre DSL-Zuleitungen für den Resale durch andere Anbieter öffnen. Unabhängige DSL-Angebote, vorläufig noch gekoppelt an einen Telekom-Hauptanschluss, schießen aus dem Boden. Folgen hat die neue Linie 2005 zunächst für die damals bei zirka acht Euro an der Börse notierende T-Online: Im April kauft die Telekom 20,4 Prozent des Unternehmens zurück.

Auf der jährlichen Hauptversammlung beschließen die Telekom-Aktionäre, T-Online wieder ganz ins Mutterhaus zu holen. Aktionäre von T-Online sollen für ein Papier 0,52 Telekom-Aktien erhalten. Sie meutern und klagen vor Gericht, weil sie sich angesichts des hohen Emissionspreises übers Ohr gehauen fühlen. Erst 2006 genehmigt der Bundesgerichtshof die Verschmelzung. 2010 erhalten ehemalige T-Online-Aktionäre als Draufgabe eine einmalige Zuzahlung von 1,15 Euro pro T-Online-Aktie diese Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht erst im laufenden Jahr 2011 abgesegnet.

Von 2002 bis 2006 steuerte Kai-Uwe Ricke als Telekom-Vorstand die Geschicke des Unternehmens.
Von 2002 bis 2006 steuerte Kai-Uwe Ricke als Telekom-Vorstand die Geschicke des Unternehmens.
Foto: Telekom

Im November 2005 verkündet Ricke, weitere 32000 Mitarbeiter im Telekom-Konzern müssten gehen. Die Gewerkschaft protestiert und kann im Rahmen eines Beschäftigungspaketes 14000 Arbeitsplätze bis 2008 sichern. Gleichzeitig werden fürs Geschäftsjahr 2004 52 Cent Dividende ausgeschüttet.

Tragisches gibt es von T-Systems zu vermelden: Vollkommen unerwartet verstirbt Konrad F. Reiss, der Vorstand von T-Systems. Im Verlauf des Jahres übernimmt Lothar Pauly das Geschäft mit den 160000 Geschäftskunden. Er lenkte zuvor die Geschicke des Siemens-Kommunikationstechnikbereichs und verschlief dabei den rechtzeitigen Einstieg in die IP-Telefonie. Gegen Jahresende übernimmt Pauly die VW-IT-Sparte Gedas für rund 450 Millionen Euro -abgewickelt wird dieser Kauf aber erst 2006.

Lichtblick Technik

Am 1. Januar 2005 startete die LKW-Maut, an deren Realisierung T-Systems maßgeblich beteiligt war.
Am 1. Januar 2005 startete die LKW-Maut, an deren Realisierung T-Systems maßgeblich beteiligt war.
Foto: Toll Collect

Die Technik sorgt mal wieder für Lichtblicke: Die LKW-Maut, an deren Umsetzungskonsortium Toll Collect die Telekom mit 45 Prozent beteiligt ist, startet. In Berlin eröffnet die Deutsche Telekom eine neue Forschungs- und Entwicklungsstätte, die Deutsche Telekom Laboratories. Hier soll in Kooperation mit der TU Berlin zukünftige IuK-Technik entstehen. T-Mobile demonstriert als einer der ersten Provider HSDPA (Highspeed Downlink Packet Access). Damit können Daten mit bis zu 7,2 MBit/s auf mobile Geräte heruntergeladen werden.

2006 gibt es 72 Cent Dividende: Die Telekom ist aus dem Tal und hat 2005 das beste Geschäftsjahr in finanzieller Hinsicht hinter sich gebracht. T-Online wird nach viel rechtlichem Geplänkel zur Organisationseinheit "Products & Innovation" im strategischen Geschäftsfeld Breitband/Festnetz der Deutschen Telekom. Der Bund verkauft 4,5 Prozent der Telekom an die Blackstone-Gruppe und erlöst dafür 2,3 Milliarden Euro.

Der Dienstleister T-Systems mit seinen vielen Tochterunternehmen, darunter die für 160000 KMUs zuständige T-Systems Business Services, hängt weiter in den Seilen: Die Zahlen stimmen nicht. Deshalb sollen die Mitarbeiter sich nun vor allem in höherwertigen Tätigkeiten wie Projektmanagement üben; die Programmierung wird künftig verstärkt im Billig-Ausland abgewickelt.

Immerhin gibt es technische Highlights. Schon im Mai 2006 ist die HSDPA-Technologie im gesamten UMTS-Netz verfügbar, für GSM stellt T-Mobile EDGE (Enhanced Datarates for GSM Evolution) zur Verfügung, was immerhin 220 KBit/s im Down- und 110 KBit/s im Upload bedeutet. Während es im eigenen Unternehmen viele Baustellen und auf dem flachen Lande gewaltige Lücken im DSL-Netz gibt, drängt es die Deutsche Telekom in die Zukunft: Gesucht wird die T-City, eine Stadt zwischen 25.000 und 10.0000 Einwohnern, die hochmoderne Breitbandtechnik erhalten soll. Gewinner, so verkündet das Unternehmen im Februar 2007, ist Friedrichshafen am Bodensee.