Vorbeugen ist besser als Krank schreiben
In Zeiten von Demografiewandel und Fachkräftemangel entdecken ITK-Unternehmen eine neue Ebene der Fürsorgepflicht. "Auch bei IT-Startups kommen die Mitarbeiter langsam in die Jahre", erklärt Ahmad. "Im Zuge dessen entdecken die Geschäftsleitungen, dass Tischfußball und Dartscheiben nicht ausreichen, um bei der Belegschaft Leistungsfähigkeit und Freude an der Arbeit zu erhalten."
Das sehen auch die großen Firmen der Branche so. "Mitarbeiter, die den Kopf voller Sorgen haben, schöpfen ihr Leistungspotenzial nicht aus", sagt Lars Gielg, HR Manager Integrated Health Services bei IBM in München. Daher liege es sowohl im humanistischen als auch im unternehmerischen Interesse, ihnen zur Seite zu stehen. Diese Einstellung ist mittlerweile Common Sense in der Branche. Bei der Deutschen Telekom heißt es: "Als Arbeitgeber sind wir auch ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn die Menschen in eine Arztpraxis gehen, ist es oft schon zu spät", sagt Anne-Katrin Krempien, ärztliche Direktorin beim Bonner TK-Riesen. "Wir versuchen gesundheitliche Belastungen frühzeitig zu erkennen und unsere Mitarbeiter dabei zu unterstützen, rechtzeitig gegenzusteuern."
- Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder:
"Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen." - Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten." - Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden." - Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder:
"Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie." - Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge:
"Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten." - Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder:
"Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden." - Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind:
"Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind." - Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder:
"Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."
Gut so, loben Experten. "Unternehmen sollten Probleme wie Sucht, Mobbing oder Burn-out in ihren Reihen nicht verleugnen", sagt Monika Heilmann, Management-Trainerin, Coach und Wirtschaftsmediatorin aus Leinfelden. "Heiße Eisen anzupacken, liegt im Eigeninteresse der Firmen." Denn Konflikte, die das Berufsumfeld stören, können Teams und Arbeitgeber mächtig belasten. Sie stören das Betriebsklima, bremsen die Produktivität, strahlen negativ auf das Image von Abteilung und Firma aus und verursachen erhebliche Krankheitskosten.
Gemäß dem aktuellen BKK Gesundheitsreport 2011 verbuchte die IT-Industrie im Jahr 2010 pro pflichtversichert Beschäftigtem 8,3 Arbeitsunfähigkeitstage, in der Telekommunikation lag der Wert sogar bei 15,3 Tagen.
Um auch künftig wettbewerbsfähig zu bleiben, setzen viele Firmen schon heute auf Prävention. So wie die Telekom. Um heikle Situationen rechtzeitig zu erkennen, hat das Unternehmen 2010 ein "Frühwarn-Cockpit" eingerichtet. Herzstück dieser Datensammlung ist - neben Fluktuations- und Arbeitsunfähigkeitsberechnungen - eine Mitarbeiterbefragung mit 50 Fragen zur psychischen Gesundheit. Der Gedanke dahinter: "Jeder Mitarbeiter, den wir frühzeitig stabilisieren können, bleibt motiviert und leistungsfähig und fällt damit womöglich gar nicht erst aus", so Krempien. Das Frühwarnsystem soll zudem verhindern, dass sich kranke Mitarbeiter zur Arbeit schleppen und dort vermeidbare Schäden anrichten. Personaler sprechen dabei von Präsentismus.
Anonyme Telefon-Hotline
Zur Vorbeugung dieses unerwünschten Phänomens arbeitet die Telekom mit rund 50 internen und externen Beratern zusammen, die auf seelische Probleme aller Art spezialisiert sind. Die Mitarbeiter erreichen die Psychologen und Coaches entweder per kostenfreier und anonymer Telefon-Hotline oder in Beratungsgesprächen - innerhalb oder außerhalb ihrer Arbeitszeit.
Zudem offeriert der Konzern neben Seminaren zu Themen wie Sucht oder Stress auch spezielle Resilienz-Workshops, in denen die Teilnehmer lernen, mit belastenden Themen umzugehen. Schon mehr als 1000 Angestellte haben hier Hilfe gesucht.