So entwickelt sich der deutsche ERP-Markt
Der erneute deutliche Anstieg des durchschnittlichen Alters der ERP-Installationen in Deutschland legt einen Anstieg der Ersatzinvestitionen nahe. Gleichzeitig deuten die Studienergebnisse aber darauf hin, dass die Bereitschaft der Anwender weiter sinkt, den ERP-Anbieter beziehungsweise die Lösung zu wechseln. Sei es, weil sie mit dem bisherigen Partner zufrieden sind oder weil sie den erhöhten Umstellungsaufwand scheuen. Insofern ist das Alter der ERP-Installationen nur bedingt als Indikator für neue ERP-Projekte anzusehen.
Auch das zuletzt wieder steigende Durchschnittsalter der installierten Release-Stände deutet darauf hin, dass die ERP-Anwender den Aufwand scheuen, der mit den zum Teil offenbar gravierenden Umstellungen der alten Software-Releases einhergeht. Die damit verbundenen Vorteile einer aktuellen ERP-Installation scheinen sich den Anwendern nicht im gleichen Maße zu erschließen. Immer mehr Anbieter schaffen daher die technologischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine eher kontinuierliche Modernisierung der installierten Basis durch kleinere "Patches", "Updates" oder "Enhancement Packages" anstelle großer Release-Sprünge.
- Marktanteile
SAP sichert sich unter den Top-Anbietern den größten Marktanteil. Allerdings verlieren die drei Führenden ein paar Prozentpunkte. Der große Gewinner im Vergleich zur vorangegangenen Umfrage ist Infor. - Auf der Shortlist
Die hohen Marktanteile spiegeln sich auch in den Shortlists wider. SAP taucht hier am häufigsten auf ... - Auswahl gewonnen
... und in der Folge gewinnt SAP auch am häufigsten die Projekte, in denen es die Walldorfer in die engere Auswahl schaffen. - Einführungsdauer
Im Vergleich zur vorangegangenen Umfrage brauchen die Anwender länger, um ein neues ERP-System einzuführen. Am längsten dauert es mit Microsoft Dynamics - über zwei Jahre. 2014 schnitt der US-Konzern mit 12,5 Monaten noch am besten ab. - Verzögerungsgründe
Nachträgliche Projekterweiterungen sowie Probleme mit Technik, Daten und der Organisation sind die häufigste Ursachen dafür, dass Unternehmen ihre Zeitbudgets für die ERP-Einführung überschreiten. - Return on Invest (RoI)
Meist dauert es Jahre, bis sich ein neues ERP-System aus Perspektive der Anwenderunternehmen bezahlt macht. - Projektkosten
Oracle-Projekte kommen die Unternehmen am teuersten. In den meisten Projekten reicht das Geld nicht. Ausnahme Infor: Hier liegen die tatsächlichen Kosten für die ERP-Einführung im Durchschnitt niedriger als ursprünglich geplant. - ERP-Vorteile
Über ein Drittel der Unternehmen hat es im Zuge der ERP-Einführung geschafft, die Verfügbarkeit von Informationen zu verbessern. Auch die interne Zusammenarbeit und Integration wollen die Unternehmen mit einem neuen ERP-System effizienter machen. - Ziele erreicht?
Insgesamt scheinen die selbstgesteckten ERP-Ziele schwer zu erreichen. Gerade einmal jeder fünfte SAP- und Microsoft-Kunde schafft mehr als 50 Propzent Zielerreichungsgrad. Oracle mit 14 Prozent und Infor mit elf Prozent schneiden noch deutlich schlechter ab. - Funktionalität
Die meisten ERP-Funktionen bleiben ungenutzt. Ein Viertel bis die Hälfte der Anwenderunternehmen gaben an, höchstens 40 Prozent der mit dem ERP-System gelieferten Funktionalität auch zu nutzen. - Projektvorgehen
Der Umstieg in Phasen bleibt das präferierte Umstiegsmodell für die meisten ERP-Anwender. - Customizing
Das Customizing - eine der Hauptursachen für komplexe Anwendungslandschaften - nimmt ab. Gerade im SAP-Umfeld geben sich immer mehr Anwender mit den im Standard gebotenen Funktionen zufrieden. - Umstieg mit Unterbrechung
Die meisten ERP-Einführungen sind nach wie vor mit einer Unterbrechung des operativen Betriebs verbunden. - Unterbrechungsdauer
Und diese Unterbrechungen können dauern - teilweise sogar bis zu einem halben Jahr. - ERP aus der Cloud
Das Cloud-Modell will im ERP-Umfeld nicht so richtig in Schwng kommen. SAP kann zwar etwas zulegen, aber bei Microsoft und Oracle stagniert der Cloud-Anteil im Vergleich zur Umfrage vor zwei Jahren. - Kostenvorteile in der Cloud
Die zögerliche Cloud-Adaption mag auch daran liegen, dass die Kostenersparnisse aus Anwendersicht nur bei 40 Prozent und weniger liegen. - Zusammenfassung
ERP-Projekte dauern lange, kosten viel Geld und überschreiten in aller Regel Zeit- und Kosten-Budgets. Daran scheint sich wenig zu ändern, wie auch die aktuelle Umfrage wieder einmal gezeigt hat.
Im Hinblick auf die Anwenderzufriedenheit scheinen sich generell regionale und spezialisierte Anbieter auf dem Weg über eine ausgesprochen gute Kundenbeziehung mit ihren Lösungen vor internationaler "Einheitsware" zu platzieren. Gleichzeitig weist die Studie viele Handlungsfelder aus, die nur mit grundlegenden Innovationen der ERP-Software adressiert werden können, zum Beispiel Mobilität, Flexibilität, Internationalität. Die resultierenden hohen Entwicklungskosten der ERP-Plattformen dürften für viele kleine Anbieter in Zukunft kaum tragbar sein. Der Trend für das Zusammengehen von lokalen und globalen Anbietern in Form von regionalen und branchenbezogenen Entwicklungspartnerschaften wird daher anhalten. Entsprechend ist die immer wieder diskutierte Konsolidierung des ERP-Marktes zwar im Gange. Sie bezieht sich aber eher auf die ERP-Plattformen als auf die Anbieter. Es gibt daher nach wie vor ein sehr breites ERP-Angebot, das aufgrund unterschiedlicher Anforderungen und Präferenzen der Anwender auch eine Berechtigung und Existenzgrundlage hat.
Die starke Bündelung von Lösungskomponenten im Umfeld der großen ERP-Plattformen verspricht für die Zukunft eine wesentlich bessere und einfachere Integration der IT-Komponenten rund um die ERP-Software. Allerdings steigen damit die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter von ERP-Herstellern und Systemhäusern deutlich an. Die zunehmende Komplexität erfordert verstärkt, Spezialisten für einzelne Module und Komponenten auszubilden. Dies wiederum vergrößert den Umfang von Projekt-Teams und den Koordinationsaufwand.
Hintergrundinformationen zur Studie
Mit insgesamt mehr als 11.000 Teilnehmern bis 2016, ist die Studie "ERP-Praxis - Anwenderzufriedenheit, Nutzen & Perspektiven" (www.trovarit.com/erp-praxis) der nach Trovarit-Angaben größte anbieter-unabhängige Erfahrungsaustausch unter ERP-Anwendern. Die Studie wurde seit 2004 im Zweijahres-Rhythmus in Deutschland durchgeführt und bis zuletzt auf die Schweiz, Österreich und die Türkei ausgedehnt. Das Trovarit Research-Team wird dabei von einer internationalen Expertengruppe unterstützt. In dieser sind unter anderen das Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen, die 2BCS AG (Schweiz), Der ERP-Tuner (Österreich), pragmatiQ/Zoetermeer und Trovarit Danismanlik Ltd. (Türkei) vertreten.
Auf einer breiten empirischen Basis beleuchtet die Studie detailliert, welche Systeme in den Unternehmen wirklich installiert sind, wofür sie genutzt und wie sie bewirtschaftet werden. Schließlich weist die Studie die tatsächliche Zufriedenheit der Anwenderunternehmen in der Praxis des Tagesgeschäfts aus. Grundlage für die aktuelle Studie ist eine Datenerhebung, die zwischen März und Juli 2016 durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 2819 Fragebögen bearbeitet. Nach einer Qualitätsprüfung wurden insgesamt 2545 Bewertungen zur Auswertung zugelassen (plus sieben Prozent gegenüber 2014). Trotz eines Schwerpunkts im verarbeitenden Gewerbe (Anteil zirka 68 Prozent), verteilen sich die Teilnehmer über alle Branchen und Unternehmensgrößen, so dass man von einem umfassenden Überblick sprechen kann. Regional bildet Deutschland mit einem Anteil von knapp 70 Prozent einen Schwerpunkt der Untersuchung, gefolgt von der Schweiz (15 Prozent), Österreich (13 Prozent) und der Türkei (zwei Prozent).
Anhand von 39 Merkmalen haben die Anwender ihre Zufriedenheit mit den eingesetzten Systemen sowie mit dem Service der Software-Anbieter dokumentiert. Die Teilnehmer der Studie - in der Regel Geschäftsführer, IT-Leiter oder ERP-Fachverantwortliche - hatten die Möglichkeit, ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (mangelhaft) zum Ausdruck zu bringen. Die so gemessene "Zufriedenheit" ist eine durchweg subjektive Größe, deren Bewertung in erster Linie persönlich und individuell ist. Sie wird maßgeblich beeinflusst durch die Erwartungen des/der Befragten an das ERP- System sowie durch die Erfahrungen im Umgang mit der Lösung und dem betreuenden ERP-Anbieter. Über die große Anzahl an Teilnehmern und die Unterteilung in verschiedene Zufriedenheitsaspekte sind die Ergebnisse dennoch aussagekräftig. Die befragten Anwender vergaben sowohl für die Software als auch für die Dienstleistungen eine Gesamtnote "Gut". Konkret reihten sich alle 47 Systeme - in deutlicher Abhängigkeit von der typischen Größe der ERP-Installationen - zwischen einer "2+" und einer "2-" ein.
Den kompletten Studienbericht können Sie hier bestellen:
Studienbericht "ERP in der Praxis 2016/2017"
Herausgeber: Trovarit AG, Autoren: Dr. Karsten Sontow, Peter Treutlein, et al. Umfang: ca. 280 Seiten, PDF; Lieferbar ab Anfang Oktober 2016
Weitere Infos und Bestellmöglichkeit unter www.trovarit.com/erp-praxis oder direkt bei: Trovarit AG, Campus-Boulevard 57, 52074 Aachen, Tel.: 0241-40009-0, E-Mail: info@trovarit.com; Web: www.trovarit.com