Lösungen für das Enterprise Resource Planning (ERP) bleiben das zentrale Instrument zur Unternehmenssteuerung. Sie haben sich in nahezu allen Firmen etabliert, wenn es darum geht, die Effizienz und Transparenz der Aufgaben und Abläufe im Finanzwesen ebenso wie wesentlicher anderer Bereiche wie Auftragsabwicklung (Vertrieb, Waren-/Materialwirtschaft, Produktionsplanung und -steuerung und Projektmanagement) zu steigern. Zudem spielen ERP-Lösungen eine maßgebliche Rolle im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung von Unternehmensprozessen: Sie dienen als "Single Source of Truth", wenn es um zentrale Stamm- und Bewegungsdaten entlang der Wertschöpfungskette geht wie zum Beispiel Material-, Artikel- und Kundenstamm.
Seit nunmehr 12 Jahren untersucht die Trovarit-Studie "ERP in der Praxis. Anwenderzufriedenheit, Nutzen & Perspektiven" regelmäßig, wie Anwender ERP-Lösungen einsetzen, welche Erfahrungen sie während Implementierung und Betrieb machen und wie zufrieden sie mit der eingesetzten Software sowie dem Wartungspartner sind. Im Zentrum der Studie steht die Frage nach der Anwenderzufriedenheit. Die Ergebnisse zeigten auch in diesem Jahr wieder deutlich, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anwenderzufriedenheit und dem Nutzen einer ERP-Lösung für den Anwender besteht. Daher stellt die Anwenderzufriedenheit eine zentrale Mess- und Steuerungsgröße sowohl für ERP-Anwender als auch für ERP-Anbieter dar: Aus Anwendersicht repräsentiert sie einen wichtigen Indikator für den Nutzen und auch die Wirtschaftlichkeit des ERP-Einsatzes. Für ERP-Anbieter ist die Anwender- und damit Kundenzufriedenheit eine der wesentlichen Steuerungsgrößen in den Bereichen Produktmanagement beziehungsweise -entwicklung, Vertrieb, Beratung und After-Sales-Service.
ERP-Lösungen in Deutschland: veraltet und teuer
Der ERP-Markt hierzulande ist generell sehr unübersichtlich, so ein Ergebnis der Studie. Zufriedenheit, Wahrnehmung, effektive Installationszahlen beziehungsweise -charakteristik vieler ERP-Lösungen weichen von dem vor allem durch Presseberichterstattung und Marketing der Anbieter geprägten Bild zum Teil deutlich ab. Das durchschnittliche Alter der ERP-Installationen ist erneut gestiegen. Die untersuchten Systeme waren zum Abschluss der Untersuchung durchschnittlich seit 10,2 Jahren (2014: 8,9 Jahre) im Betrieb - einige Installationen nur wenige Monate, andere dagegen schon seit über 30 Jahren. Entsprechendes gilt für das durchschnittliche Alter der aktuell eingesetzten Releases, das zum Abschluss der Studie bei 2,2 Jahren lag (2014: 1,9 Jahre).
Bei einer hohen Durchdringung des Marktes mit ERP legt das steigende Alter einen Rückgang des Marktvolumens im Neugeschäft nahe, bilanzierten die Marktforscher. Gleichzeitig eröffnet eine Ausweitung des ERP-Einsatzes innerhalb der Unternehmen Perspektiven im Bestandskundengeschäft. Die Durchdringung der Unternehmen mit ERP-Software steigt bezüglich der unterstützten Aufgabenbereiche im Unternehmen als auch im Hinblick auf den Anteil der ERP-Nutzer an der Belegschaft, ergab die Studie.
Das Neukundengeschäft im ERP-Markt ist angesichts immer längerer Lebenszyklen von ERP-Installationen allerdings durch einen harten Wettbewerb unter den Anbietern geprägt. Dennoch sind die durchschnittlichen Anschaffungskosten je Software-Arbeitsplatz für Lizenzen und Implementierungsdienstleistungen zuletzt wieder spürbar gestiegen.
Schwachpunkt: Mobiler ERP-Einsatz
Die Gesamtbewertung in der aktuellen Studie lag - im Vergleich zu 2014 im Wesentlichen unverändert - bei der Schulnote "Gut". Offensichtlich werden die Erwartungen der Anwender in der Gesamtschau betrachtet sehr ordentlich erfüllt. Ein Blick auf die 39 einzelnen untersuchten Zufriedenheitsaspekte zeigte allerdings ein sehr viel differenzierteres Bild.
Lag die Zufriedenheit mit der mobilen Einsetzbarkeit der ERP-Systeme schon vor zwei Jahren an letzter Stelle, sank sie 2016 nochmals spürbar. Offensichtlich geht die Schere zwischen der Erwartung der Anwender, was Mobile-ERP betrifft, und dem, was Anwender in der Praxis mit ihren ERP-Systemen erleben, immer weiter auseinander. Während im privaten Anwendungsbereich gilt: "zu jeder Zeit, an jedem Ort und über jedes Endgerät", tun sich die aktuell im Einsatz befindlichen ERP-Lösungen mit diesem Anspruch offensichtlich verhältnismäßig schwer.
Den Anwendern reicht es längst nicht mehr, per Laptop und Webzugang auf ihre ERP-Lösung zugreifen zu können. Vielmehr verlangen sie zusätzlich eine einfache (Touch-)Bedienung über Apps auf dem Smartphone beziehungsweise dem Tablet. Eine Umstellung von ERP-Software auf eine App-artige Nutzungscharakteristik bringt jedoch eine Vielzahl technologischer Herausforderungen mit sich, zum Beispiel Plattformunabhängigkeit, kontext-sensitive Benutzeroberfläche sowie eine Use Case-spezifische "Applifizierung" umfassender Business Software-Lösungen. Angesichts der Dauer der damit verbundenen notwendigen Entwicklungsarbeiten sowie der Modernisierung der ERP-Installationen im Zuge von Release-Wechseln wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf breiter Front geschlossen werden kann.