Erfahrungsbericht eines CIOs

Der Weg aus dem Burnout

25.04.2012
Von Nicolas Zeitler

Neben der Therapie weitergearbeitet

Als der schwere Erschöpfungszustand bei Wöhren diagnostiziert worden war, bot ihm ein Arzt an, ihn für sechs Wochen krankzuschreiben. "Ich wollte das nicht", sagt Wöhren. Stattdessen entschied er sich, neben der Therapie weiterzuarbeiten, aber unter anderen Bedingungen. Er informierte das IT-Team und den Firmenchef über seinen Burnout - und übte in den folgenden sechs Monaten in den Therapiesitzungen mit einer Ärztin Verhaltensmuster ein, um die Auswirkungen von äußerem Druck zu verringern.

Psychotherapie und Entspannungstechniken hielt der IT-Chef für Quatsch. Mit der Zeit merkte er, dass es hilft.
Psychotherapie und Entspannungstechniken hielt der IT-Chef für Quatsch. Mit der Zeit merkte er, dass es hilft.
Foto: Ambrophoto - Fotolia.com

Ein Freund psychotherapeutischer Methoden und Entspannungstechniken war der IT-Leiter bis dahin nicht. "Ich habe anfangs gesagt, das ist doch Quatsch - aber mit der Zeit habe ich gemerkt, es hilft", sagt Wöhren heute. Er lernte progressive Muskelentspannung. Bewusst spannt der Patient dabei Muskelpartien an und entspannt sie wieder. Ein Zustand tiefer Entspannung lässt sich damit erreichen. "Man kann sich damit gut selbst wieder herunterholen", sagt Wöhren.

Mit seiner Therapeutin machte er sich außerdem die Automatismen bewusst, die für ihn zu einem Teufelskreis geworden waren: von außen Druck zu spüren, sich körperlich anzuspannen, sich große Mühe bei einer Aufgabe zu geben - und manchmal trotzdem zu scheitern oder keinen Dank zu erhalten. An konkreten Situationen aus seinem Arbeitsalltag spielte er diese Abläufe mit der Therapeutin durch. "Entscheidend ist, dass man bewusst den typischen Ablauf durchbricht, dann kann man am Ende auch darüber lachen", sagt Wöhren.

Es sei ihm gelungen, das eingeübte Verhalten im Beruf zu übernehmen. Ingenieure, die jetzt mit kurzfristigen Anfragen zu ihm kommen, lässt Hannes Wöhren auch einmal ins Leere laufen. "Man kann viel möglich machen, aber wenn jemand auf den letzten Drücker kommt, geht eben auch mal etwas schief", sagt er. Diese Gelassenheit habe er zuvor nicht gehabt. Es sei ein großer Unterschied, ob man sich bei Aufgaben Mühe gebe und dabei natürlich immer wieder unter "gesundem Stress" stehe oder ob man sich permanent im Streben nach Perfektion verrenne, sagt der IT-Chef.

Seinen Schreibtisch drehte Hannes Wöhren so, dass er mit dem Rücken zum offenen Raum sitzt. Dass andere ihm jetzt auf den Bildschirm schauen können, stört ihn nicht. Wichtiger sei, nicht mit jedem, der vorbeilaufe oder das Büro betrete, Blickkontakt zu haben. Die Hemmschwelle sei jetzt höher, ihn zu unterbrechen. "Eine typische Situation war vorher: Man ist hochkonzentriert, programmiert etwas, und Leute kommen rein und fangen einfach an zu reden", sagt Wöhren. Tut das jemand trotzdem noch, hilft ihm heute die einstudierte Geste mit der aufgestellten Hand.