Der Bachelor: einst gewünscht, jetzt skeptisch beäugt

23.05.2006
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Bachelor-Absolventen mit guten Noten soll der Weg zurück an die Universität und zum Master-Abschluss offen stehen. Doch bei dieser Frage melden viele Unternehmen Bedenken an: Sie wollen die ins Unternehmen integrierten Mitarbeiter nicht nach einigen Jahren zurück in die Hochschulen schicken. Christoph Reuther vom Softwarehaus sd&m favorisiert die Universitätsausbildung aus einem Guss: "Zum einen verlängert sich die Ausbildung gegenüber dem Diplom, wenn die Bachelor-Absolventen nach zwei bis drei Jahren an die Hochschulen zurückkehren. Zum anderen haben sie sich an ein gewisses Einkommen und einen bestimmten Lebensstandard gewöhnt, auf den sie wahrscheinlich nur schwer verzichten könnten." Auch das geforderte Lernpensum und die universitäre Umgebung würden manchem Anpassungsprobleme bereiten, befürchtet der sd&m-Mann.

Aus dem Betrieb zurück an die Uni?

Wirtschaftsinformatik-Professor Krcmar sieht es ähnlich. Wenn die Arbeitgeber den jungen Mitarbeitern attraktive Verdienst- und Karriereperspektiven bieten, bestehe kein Anlass für einen zweiten akademischen Titel. Diese Entwicklung sei auch im Sinne der Kultusministerkonferenz, die empfiehlt, dass nur ein Drittel der Bachelor-Absolventen einen Master-Titel anstrebt. Krcmar hält nichts von solchen Quoten; er schätzt, dass zirka die Hälfte einen weiteren akademischen Titel erwerben möchte.

Mittelständische Unternehmen dürften wenig begeistert reagieren, wenn es ihre gut integrierten Angestellten zurück an die Hochschulen zieht. "Für uns wäre das schwierig, denn wir investieren viel in die Weiterbildung unsere Mitarbeiter. Der Studienabschluss steht für uns nicht im Vordergrund"; erläutert Christian Buric vom Münchner IT-Dienstleister Beck et al.

Pluspunkt kürzeres Studium

Große Veränderungen dauern. Fertige Konzepte und ausgereifte Lehrpläne entstehen langsam und peu à peu. Hochschulen und Unternehmen dürfen in diesem Prozess weder die Geduld verlieren noch den Dialog meiden, denn beide Seiten tragen eine große Verantwortung gegenüber den Studenten. Der Zwiespalt zwischen akademischem Anspruch und Forderungen der Praktiker lösen auch die neuen Abschlüsse nicht. Etwas mehr Toleranz erleichtert jedoch die Zusammenarbeit. Manche Kritik aus Chefetagen und Personalabteilungen sollte auch weiter auf taube Professorenohren treffen. Wenn diese beispielsweise die mangelnde Reife der jungen Absolventen beklagen, kann der Münchner TU-Professor Krcmar nur müde lächeln: "Das Reifeargument zählt nicht; schließlich verlangen die Firmen immer jüngere Einsteiger. Jetzt entlassen wir Studenten früher und gut qualifiziert. Die Unternehmen müssen ihnen weniger zahlen. Das sind doch ideale Voraussetzungen und kein Grund zum Meckern."