Freelancer, Cloud-Worker, Heimarbeiter

Chaos im Team

24.05.2012
Von 
ist freie Wirtschaftsjournalistin in London.

Kaffeerunde war gestern

In dieser flexiblen Arbeitswelt sieht Liebmann seine Aufgabe darin, aus den weit verstreuten Mitarbeitern ein Team zu formen, das zusammenhält, auch wenn es nicht zusammensitzt. "Früher ließen sich die Mitarbeiter bei der morgendlichen Kaffeerunde einschwören", sagt der IBMer. Heute muss er mehr planen und organisieren, um sein Team am Laufen zu halten. Liebmann reist öfter, telefoniert viel, auch über die regelmäßigen Statusgespräche hinaus. Care-taking nennt er das. Andere sprechen von individualisierter Führung. Jeder Mitarbeiter will in seiner eigenen Persönlichkeit wahrgenommen und betreut werden - egal, ob er im Nebenbüro oder im Home-Office sitzt, ob er Vollzeit oder halbtags arbeitet, als Freelancer, Cloudworker oder Praktikant.

René Büst: "Nicht jeder Mitarbeiter kann mit den neuen Freiheiten umgehen."
René Büst: "Nicht jeder Mitarbeiter kann mit den neuen Freiheiten umgehen."
Foto: Rene Büst

Zum Care-taking gehört immer auch das richtige Fingerspitzengefühl. "Denn nicht jeder Mitarbeiter kann mit den neuen Freiheiten umgehen", warnt René Büst, Cloud-Computing- und Technologieanalyst im westfälischen Langenberg. Die Aufgabe von Vorgesetzten sei es daher, genau zu erkennen, wer im Team mehr Anleitung braucht und wer weniger. Das ist zeitaufwändig und oft auch ein "Trial und Error", so Büst. Doch den Aufwand ist es Wert - genauso wie das Eingehen auf Sonderwünsche der Teammitglieder nach Teilzeit oder Home-Office-Tagen. "Solche Wünsche sollten Chefs nicht als abgekoppelte Sozialleistung sehen, sondern als Zufriedenheitsturbo", sagt Arbeitszeitberater Schlottfeldt. Leute, die in Einklang mit ihrer Familiensituation und ihrem Biorhythmus arbeiten dürfen, werden mehr Motivation an den Tag legen als andere Kollegen. Und das wiederum steigert die Produktivtität.

Davon ist auch Michael Born überzeugt. Als Leader Managed Services Factory bei Computacenter in Kerpen verantwortet er das Wartungsbestandsgeschäft des IT-Infrastrukturdienstleisters. Sein Team besteht aus acht Mitarbeitern an fünf Standorten, vier davon arbeiten in Teilzeit. "Bei der Führung solch eines Teams muss man nahe dran sein an den Mitarbeitern - auch wenn die Schreibtische 500 Kilometer auseinanderstehen", sagt er. Alle vier bis sechs Wochen besucht Born seine Mitarbeiter an den verschiedenen Standorten, versucht, "Stimmungen aufzufangen, bevor die Dinge eskalieren", wie er sagt. Natürlich setzt er im Tagesgeschäft auch auf Telepräsenz. "Technik ist notwendig, um Nähe herzustellen", sagt der 51-Jährige. "Aber sie ist nicht alles."