Ob seine Mitarbeiter bei der Arbeit Startrek gucken oder facebooken ist Hans Christian Boos egal. "Hauptsache, sie liefern", sagt der Gründer des Arago Instituts für komplexes Daten-Management in Frankfurt am Main. "Als Chef kaufe ich nicht ihre Zeit, sondern Ergebnisse." Boos kennt die neue Arbeitswelt, und er hat seine Rolle als Führungskraft kompromisslos daran angepasst. Diese Herausforderung kommt momentan auf alle Vorgesetzten in der IT zu. Feste Arbeitszeiten, -orte und -abläufe sind Vergangenheit. Projekte und Teams finden sich heute immer wieder neu zusammen: aus Festangestellten und Freelancern, Cloudworkern und Beratern, Teilzeitlern und Zeitarbeitern. Zwischen Büro und Home-office, ICE und Coffeeshop, Waschsalon und Flughafenlounge.
- Sieben Trends zur Arbeit von morgen
Die Studie "Evolving Workforce Research" von Dell und Intel beschreibt, wie die Arbeit von morgen aussehen könnte und nennt sieben Trends. - 1. Crowd-Sourcing
In der Arbeitswelt von morgen arbeiten Menschen in <b>virtuellen Teams</b> zusammen, oft ohne sich zu kennen. Diese Teams werden kurzfristig zusammengestellt und sind über moderne Kommunikationsmittel verbunden. Anders als in vielen heutigen Projekten definiert sich diese Crowd vor allem funktional und weniger durch Hierarchien. Pervasive IT und Cloud Computing bieten dafür eine technische Grundlage. Die Mitarbeiter in solchen virtuellen Teams gehen oft <b>kein festes Beschäftigungsverhältnis</b> ein, sind flexibel und daran gewöhnt, mit stark schwankenden Einkommensverhältnissen zurechtzukommen. Das kann zwar kurzfristig zu einer Steigerung der Produktivität führen, langfristig können Unternehmen aber auch Schwierigkeiten bei der Bindung von Spezialisten bekommen. - 2. Das Ergebnis muss stimmen
War die Arbeitswelt bisher primär über die vertraglich geregelte Arbeitszeit organisiert, so rückt jetzt das <b>Arbeitsergebnis</b> in den Fokus. Da sich die Produktivität der Arbeitsprozesse gerade unter den Bedingungen des Crowdsourcings nur unzureichend über die Anzahl aufgewendeter Stunden erfassen lässt, werden zunehmend <b>Output-orientierte Messmethoden</b> eingeführt. - 3. Einsatz von mobilen Geräten
In Unternehmen werden <b>unterschiedliche Endgeräte</b> und Betriebssysteme verwendet, die auf die jeweiligen Einsatzbereiche abgestimmt sind. Cloud Computing bietet dafür eine Fülle von Möglichkeiten, da die jeweiligen Endsysteme damit auf einen <b>praktisch unbegrenzten Vorrat</b> an Daten und Anwendungen zugreifen können. Kompatibilität, Interoperabilität und Datensicherheit sind dabei entscheidende Faktoren. Nur solche Systeme werden sich durchsetzen, die sich nahtlos in die IT-Landschaften integrieren lassen. - 4. Generationenkonflikte
Die Generationen sind einen <b>unterschiedlichen Umgang</b> mit IT und mit Kommunikationstechnik gewohnt. Das kann zu Spannungen zwischen erfahrenen und jüngeren Mitarbeitern führen. Letztere sind vielleicht Digital Natives, haben aber nicht den Erfahrungsschatz ihrer älteren Kollegen. Generell werden die <b>Arbeitsteams künftig heterogener</b> zusammengesetzt sein, nicht nur hinsichtlich des Alters, sondern auch was den kulturellen oder ethnischen Hintergrund betrifft. Erfolgsentscheidend wird auch sein, ob es gelingt, den Wissensaustausch zwischen Generationen und Gruppen voranzubringen. - 5. Werte versus Regeln
Die IT gibt Unternehmen Möglichkeiten, die Leistung ihrer Mitarbeiter umfassend zu analysieren. Arbeitsprozesse werden auf dieser Basis reglementiert und kontrolliert. Da ein gutes <b>Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer</b> elementar ist, müssen beide Seiten einander vertrauen. Zukunftsorientierte Firmen könnten daher eher auf ein werte- als auf ein regelbasiertes Modell bauen. - 6. Innovative Mitarbeiter
Innovationen werden künftig weniger vom Management eingebracht als von Mitarbeitern, die ihre privaten Geräte und Anwendungen auch im beruflichen Umfeld nutzen. Diese Beschäftigten sind mit IT sozialisiert und wollen ihren selbstbestimmten Lebensstil beibehalten, wozu der <b>Gebrauch von privaten Notebooks, Smartphones</b> ebenso gehören kann wie Social-Media-Aktivitäten. Die Mitarbeiter sind mit den Systemen in der Regel bestens vertraut und können mit ihnen effizient arbeiten, so dass Restriktionen von Seiten der Unternehmen kontraproduktiv wären. Sie müssen daher <b>Verfahren entwickeln</b>, um diese privaten Systeme in ihre IT-Strukturen zu integrieren. - 7. Neue Aufgaben für die IT
Mit dieser Consumerization entstehen <b>neue Anforderungen</b> an die IT. Sie muss die Entwicklungen und die Bedürfnisse der Mitarbeiter aufgreifen und dabei bedenken, dass sich neue Mitarbeiter bewusst wegen der <b>Verfügbarkeit moderner Systeme</b> für einen Arbeitgeber entscheiden. Die IT-Verantwortlichen sollten solche über herkömmliche IT-Themen hinausreichenden Aspekte in ihren Aufgabenkatalog aufnehmen. - Fazit
Da der Wandel durch die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnik vorangetrieben wird, sollen Arbeitgeber den Hebel an dieser Stelle ansetzen und <b>individuelle Konzepte</b> zum Umgang damit entwickeln. Die <b>Integration der sozialen Medien</b>, die Bereitstellung einer umfassenden Kommunikationsstruktur und die Einbindung privat genutzter Geräte bieten Chancen, um Arbeitnehmer an ein Firma zu binden und die Arbeit effektiv zu gestalten.
Flexibilität heißt das Zauberwort. Und das fordern auch die Beschäftigten immer stärker für sich ein. Die Folge: Vorgesetzte werden mit zahlreichen Sonderwünschen konfrontiert. Der eine Mitarbeiter kann wegen der Kindergartenöffnungszeiten montags und mittwochs nur bis 15 Uhr bleiben, der nächste will drei Tage die Woche vom Home-Office aus arbeiten, der dritte peilt ein dreimonatiges Sabbatical an. Dazu kommt, dass die Leiter eines Projekts nicht automatisch die disziplinarischen Vorgesetzten der Teammitglieder sind, was zusätzlich Verwirrung stiften kann.
Vorgesetzte alter Schule müssen umdenken
Keine Frage: "Flexible Teams machen ihren Vorgesetzten mehr Arbeit als früher", sagt Udo Konradt, Professor für Arbeits- und Organisationspychologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Damit in dem ganzen Wirrwarr aus Flexibilität und Extrawürsten nicht das Chaos ausbricht, sollten Chefs das eigene Führungsrepertoire in Frage stellen. Wer sich über Macht und Status definiert, wird sein Team schnell enttäuschen. "Das Leitbild des Platzhirschs im Büro ist passé", sagt Christian Schlottfeldt, Rechtsanwalt und Inhaber der Arbeitszeitkanzlei in Berlin. Loslassen ist gefragt. "Vor allem Vorgesetzte alter Schule, die sich als Befehlsgewalt über eine große Zahl von festen Mitarbeitern definieren, müssen umdenken", so Schlottfeldt.
Eine der neuen Tatsachen: Flexible Teams legen eine ungewohnte Dynamik an den Tag. So führten sich Mitarbeiter plötzlich selbst, sagt Arbeitspsychologe Konradt. "Die Aufgabe ihrer Vorgesetzten ist es, dieses Potenzial an Selbstführung anzustoßen und auszuschöpfen."
Genau das versucht auch Heinz Liebmann. Als Verantwortlicher für Personalprogramme bei IBM in Ehningen führt er ein Team aus 80 Mitarbeitern von Elmshorn bis Erfurt und von Berlin bis Tutzing. "Als Vorgesetzter muss ich nicht jedem Mitarbeiter täglich den Puls fühlen", sagt er. Der 57-Jährige glaubt fest daran, dass die neuen Techniken und Arbeitsmöglichkeiten Teams neu sozialisieren. Web-Konferenzen, Collaboration Tools und die Cloud bieten Projektmitgliedern viele neue Möglichkeiten, ihre Aufgaben untereinander abzustimmen, Dokumente zu bearbeiten und Probleme zu klären.