Die GFT SE hat ihren Geschäftsschwerpunkt in der Bankenwelt. Diese Branche ist aber in den vergangenen Jahren durch die Finanzkrise und deren Folgen massiv unter Druck geraten. Sie erinnern sich sicher an den Deutsche-Bank-Chef John Cryan, der zu seinem Amtsantritt die IT-Infrastruktur seiner Bank als eines der Kernprobleme ausmachte.
Marika Lulay: Cryans These war, dass die IT-Infrastruktur der Deutschen Bank zu komplex geworden sei. Das liegt unter anderem daran, dass es sich hierbei um eine große Universalbank handelt, die mit ihren IT-Systemen alle Formen von Bankgeschäften abdecken muss. Sie muss außerdem den Regularien in sämtlichen Ländern genügen - allein das ist schon eine riesige Herausforderung. Das gilt vor allem im Vergleich mit einem Spezialinstitut, das entweder weniger Märkte adressiert oder nicht so viele Bankdienstleistungen anbietet.
Folge der Finanzmarkt-Krise: mehr Komplexität
Mit Komplexität müssen aber auch andere große Allround-Banken umgehen.
Lulay: Man muss die Gesamtsituation der Branche betrachten. Alle Banken sind nach der Finanzmarkt-Krise nahezu gleichzeitig mit zwei Themen konfrontiert worden: einer beispiellosen Regulierungswelle, die dazu führte, dass sehr viele Systeme erschaffen, Daten gesammelt und Reports angefertigt werden mussten - wiederholbar und nachvollziehbar. Das hat die Komplexität der Systeme weiter erhöht. Hinzu kam der wachsende Kostendruck, der notwendige Investitionen in neue Systeme erschwerte. Dabei ist heute klar, dass die Systeme schlanker, schneller, besser werden müssen. Einige Banken sind das Thema früher angegangen, andere etwas später - das hing auch davon ab, unter welchem Druck sie standen.
Was bedeutet dieses Marktumfeld für Sie als GFT?
Lulay: Für uns als Dienstleister war das nicht die schlechteste Ausgangslage. Wir haben den Banken zunächst geholfen, die Regulierungen zu implementieren und jetzt helfen wir ihnen, das Thema Digitalisierung voranzutreiben, beispielsweise mithilfe von Microservices oder API-Plattformen.
Es läuft auf die Microservices-Architekturen hinaus
Gibt es eine Art Zielarchitektur für die Banken? Cloud-first, Microservices, Legacy-Welt, Innovationsthemen - den Umbau zu managen und klar zu identifizieren, wohin man eigentlich will, scheint nicht ganz einfach.
Lulay: Was vor ein paar Jahren die Serviceorientierte Architektur (SOA) war, ist heute die Mircoservices-Architektur - sie ist sozusagen eine Spezialisierung der SOA: Sie macht die Systeme flexibler, erhöht aber auch die Komplexität, weshalb es wichtig ist, sie durch entsprechende API-Management-Plattformen zu überwachen. Die Microservices-Architektur kann man durchaus als Zielarchitektur bezeichnen.
Gleichzeitig gilt es, die eigenen Systeme im Sinne des Lift-and-Shift-Ansatzes in die Cloud zu bringen. Die Migration an sich ist relativ einfach, denn die Datenbank und Anwendungen werden nahezu unverändert in die Cloud gehoben. Im Anschluss stellen die Beteiligten jedoch meistens fest, dass nun in Performance- und Skalierungsthemen investiert werden muss, damit in der Cloud alles reibungslos funktioniert.
Wie bringen Sie Ihre Kunden in die schöne neue Microservices-Welt?
Lulay: Wir müssen unsere Kunden dort abholen, wo sie sind - und das ist nicht die grüne Wiese. Wir transferieren Schritt für Schritt und Applikation für Applikation. Unsere Kunden identifizieren zum Beispiel 300 oder 400 Applikationen, die dann verändert werden müssen. Die Vorgehensweisen dabei sind ganz unterschiedlich. Die einen renovieren erstmal ihre Architektur, die anderen gehen Customer Journey für Customer Journey vor und modernisieren bei der Gelegenheit auch ihre Architektur. Kurz gesagt: Der eine baut erstmal das Fundament neu, der andere orientiert sich an der Customer Journey. Die Idee ist am Ende die gleiche.
- Blockchain
Blockchain wird in den kommenden Jahren zur Schlüsseltechnologie in der IT werden. - (1) Transaktion
Die Transaktion ist die elementare Grundeinheit der Blockchain. Zwei Parteien tauschen Informationen miteinander aus. Dies kann der Transfer von Geld oder Vermögenswerten, der Abschluss eines Vertrags, eine Krankenakte oder eine Urkunde sein, die digital gespeichert wurde. Transaktionen funktionieren im Prinzip wie das Versenden von E-Mails. - (2) Verifizierung
Die Verifizierung prüft, ob eine Partei die entsprechenden Rechte für die Transaktion hat. Die Prüfung erfolgt augenblicklich oder es wird in eine Warteschlange geschrieben, die die Prüfung später durchführt. An dieser Stelle werden Knoten, also Computer oder Server im Netzwerk, eingebunden und die Transaktion verifiziert. - (3) Struktur
Die Transaktionen werden zu Blöcken zusammengefasst, wobei diese mit einer Hash-Funktion als Bit-Nummer verschlüsselt werden. Die Blöcke können durch die Zuweisung des Hash-Wertes eindeutig identifiziert werden. Ein Block enthält einen Header, eine Referenz auf den vorhergehenden Block und eine Gruppe von Transaktionen. Die Abfolge der verlinkten Hashes erzeugt eine sichere und unabhängige Kette. - (4) Validierung
Bevor die Blöcke erzeugt werden, müssen die Informationen validiert werden. Das am meisten verbreitete Konzept für die Validierung von Open-Source-Blockchains ist das „Proof of Work“-Prinzip. Dieses Verfahren stellt in der Regel die Lösung einer schweren mathematischen Aufgabe durch den Nutzer beziehungsweise dessen Computer dar. - (5) Blockchain Mining
Der Begriff Mining stammt aus der Bergbau und meint das „Schürfen“. Bei diesem Vorgang wird der Block erzeugt und gehasht. Um zum Zug zu kommen, müssen die Miner ein mathematisches Rätsel lösen. Wer als Erstes die Lösung hat, wird als Miner akzeptiert. Der Miner erhält für seine Arbeit ein Honorar in Form von Kryptowährung (Bitcoin). - (6) Die Kette
Nachdem die Blöcke validiert wurden und der Miner seine Arbeit verrichtet hat, werden die Kopien der Blöcke im Netzwerk an die Knoten verteilt. Jeder Knoten fügt den Block an der Kette in unveränderlicher und unmanipulierbarer Weise an. - (7) Verteidigung
Wenn ein unehrlicher Miner versucht, einen Block in der Kette zu ändern, so werden auch die Hash-Werte des Blockes und der nachfolgenden Blöcke geändert. Die anderen Knoten werden diese Manipulation erkennen und den Block von der Hauptkette ausschließen.
Architektur oder Customer Journey?
Engagiert man nicht eine GFT, damit die einem diese Entscheidung abnimmt?
Lulay: Selbstverständlich, doch es gibt eben keinen Königsweg. Entscheidend ist immer, wie die Bank sich positionieren will. Sie kann zum einen entweder Produktanbieter sein oder zum anderen Abwickler von Finanztransaktionen über eine Service-Plattform. Es gibt sogar eine dritte Möglichkeit, bei der die Bank sagt: 'Ich besetzte die Kundenschnittstelle und kaufe mir Banking-Services im Backend ein!' Das sind große Unterschiede, die differenzierte Herangehensweisen erfordern: Konzentriert man sich auf die Customer Journey oder kümmert man sich zunächst um die Architektur?
Wie stellt sich eine GFT auf, um diesen verschiedenen Kundeninteressen gerecht werden zu können?
Lulay: Wir arbeiten mit Client Units, die einen oder mehrere Kunden betreuen können. Das sind kleine Einheiten mit sechs bis sieben Leuten auf Senior-Level. Sie verstehen den Kunden, kennen seine Ziele und Vorhaben, seine Budgetplanung und die Denkweise des Managements. Im Hintergrund werden sie von unseren Consultants unterstützt, das sind Programmierer, Architekten, Programmleiter etc. Diese sind weltweit in sogenannte Professional-Services-Units aufgeteilt, die sich wiederum in Practices aufsplitten - und zwar nach technischen Kompetenzen und fachlichen Themen. Wenn jetzt eine Client Unit sagt: Mein Kunde möchte etwas zum Thema Architektur machen, kann sie sich aus den Professional Services Units weltweit ein Team zusammenstellen, das die nötige Kompetenz mitbringt.
Wie austauschbar sind die Leistungen, die Sie weltweit erbringen? Die Märkte sind unterschiedlich, die regulatorischen Anforderungen erst recht.
Lulay: Fachlich gibt es große Übereinstimmungen, aber auch Differenzen - ein Kontoeröffnungsprozess in Brasilien folgt anderen Autorisierungsvorschriften als in Deutschland. Aber im Grundsatz funktioniert vieles ähnlich und unsere Mitarbeiter, die auf diese Branche spezialisiert sind, verstehen schnell, was übernommen werden kann und was individuell entwickelt werden muss. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Details zur Problematik bei der Kontoeröffnung in Brasilien müssen vom lokalen Team kommen. Deshalb ist es so wichtig für uns, unsere fast 5000 Mitarbeiter global verteilt einzusetzen, nur so können wir die lokalen Besonderheiten verstehen. Die Technologie dahinter ist weniger problematisch. Ob sie jetzt mit einer Atlassian-Suite arbeiten oder mit irgendwelchen IBM-Tools, folgt im Prinzip dem gleichen Schema.