CW: Am 30. November 1910, also genau heute vor hundert Jahren, wurde der Vorläufer der IBM Deutschland, die Deutsche Hollerith-Maschinen Gesellschaft mbH (DEHOMAG), ins Handelregister eingetragen. Ist es Zufall, dass Sie den Termin für ein Interview mit der COMPUTERWOCHE auf den heutigen Tag gelegt haben?
Jetter: Ich glaube, es hat einfach in unsere jeweiligen Kalender gepasst. Aber es ist natürlich schön, als eine der größten Tochtergesellschaften unserer Corporation über 100 Jahre so viel Know-how eingebracht zu haben. Wir betreiben eines der größten IBM-Forschungs- und Entwicklungszentren außerhalb Amerikas. Die IBM hat bisher fünf Nobelpreisträger hervorgebracht, drei davon sind Deutsche. Bis heute gehört unser Standort Böblingen zum Besten, wenn es um Forschung und Entwicklung geht. Unsere Experten dort kommen aus mehr als 40 verschiedenen Nationen. Das stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass man in Deutschland Spitzenleistungen erbringen kann.
CW: Gibt es unternehmensweit geltende Richtwerte für den Anteil der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen am Umsatz?
Jetter: In den vergangenen Jahren lagen unsere Aufwendungen immer bei zirka 6 Milliarden Dollar, bei einem Konzernumsatz von rund 95 Milliarden Dollar. Übrigens findet Forschung und Entwicklung ja nicht nur in der Technologie, sprich der Hard- und Software statt. Wir beschäftigen uns auch mit Grundlagenforschung; ein anderes Thema dreht sich explizit um Dienstleistungen. So haben wir vor zwei Jahren mit der Universität Karlsruhe den ersten Lehrstuhl für Dienstleistungsforschung eröffnet.
CW-Artikel zur Geschichte der IBM:
- IBM Deutschland-Chef Martin Jetter
100 Jahre IBM in Deutschland: Martin Jetter, Chef der deutschen IBM-Tochter, erklärt im Exklusiv-Interview mit der COMPUTERWOCHE, wie sich Big Blue auf die großen Veränderungen in der IT einstellt. - IBM Deutschland Zentrale in Ehningen
Stolz auf die Leistungen der IBM Deutschland: "Wir betreiben eines der größten IBM-Forschungs- und Entwicklungszentren außerhalb Amerikas", sagt Martin Jetter. "Die IBM hat bisher fünf Nobelpreisträger hervorgebracht, drei davon sind Deutsche." - IBM Zentrale in Armonk, USA
Seit dem Amtsantritt von Louis Gerstner im Jahr 1993 hat sich IBM immer mehr zum Dienstleistungsanbieter entwickelt. Jetter: "Heute arbeiten bei uns so viele Menschen im Bereich Dienstleistungen wie früher in der Produktion, die es heute in Deutschland nicht mehr gibt." - Martin Jetter
IBM und der Standort Deutschland: "Wenn es um Commodity-Produkte geht werden wir den Wettbewerb in Deutschland nicht gewinnen", sagt Jetter. "Arbeit wird nach unserer Überzeugung immer dahin gehen, wo sie wirtschaftlich und intellektuell am besten erbracht werden kann." - Martin Jetter
Jetter zur IBM-Belegschaft in Deutschland: "Die Anzahl der Mitarbeiter ist in den letzten Jahren stabil geblieben. In Wachstumsfeldern werden wir auch in Zukunft immer wieder gute Köpfe suchen." - IBMs Server-Strategie
Mit x86-Servern lässt sich längst nicht jede Anforderung der Unternehmens-IT abdecken, argumentiert IBM-Chef Jetter: "Wir sind davon überzeugt, dass es je nach Workload eine Plattform geben muss, die dafür optimal geeignet ist." - IBM und die Cloud
"Cloud Computing ist für mich ein Delivery-Modell mit verschiedenen Ausprägungen", sagt Jetter. Die Diskussion um eine deutsche Cloud hält er für irreführend: "Kein namhaftes deutsches Unternehmen beschränkt sich nur auf das Inland; alle arbeiten in irgendeiner Form globalisiert." - Zukunftsthema Analytics
Jetter hält Business Analytics für eines der wichtigsten Zukunftsthemen: "Die nächste große Herausforderung in den Unternehmen wird darin bestehen, die durch strukturierte und unstrukturierte Daten entstandene Komplexität zu beherrschen. Es geht darum, wie man aus großen Datenmengen Informationen gewinnt und daraus Wissen und Entscheidungen ableitet." - Harte Konkurrenz im Messaging-Markt
Beim Thema Messaging macht IBM vor allem der Konkurrent Microsoft das Leben schwer. Jetter relativiert die Bedrohung: "Es gibt vielleicht Konkurrenten, die lauter schreien als wir. Am Ende zählen aber Fakten. Es gibt genauso viele Unternehmen, die auf unsere Produkte wechseln." Mit den Lotus-Produkten besitze IBM eine sehr skalierbare Lösung, die nicht monolithisch aufgebaut sei.