Arbeitsplatz der Zukunft

Alles ändert sich - doch die E-Mail bleibt!

01.06.2018
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Deutsche Unternehmen sind zurückhaltend mit Home Office und flexiblen Arbeitszeiten. Auch halten sie oft noch an traditionellen Werkzeugen wie PC, Telefon und E-Mail fest. Doch die Dinge geraten in Bewegung.
  • Moderne Telefonanlagen bleiben wichtig, doch das Smartphone übernimmt die Regie
  • Für den schnellen Austausch erfreuen sich Slack & Co. großer Beliebtheit - aber sie ersetzen nicht die E-Mail
  • Plattformen für das Unified Endpoint Management gewinnen an Bedeutung

Wie sieht sie aus, die digitale Arbeitswelt der Zukunft? Einfache Antworten verbieten sich, denn Arbeit ist und bleibt vielfältig, sie unterscheidet sich beispielsweise nach Branchen, Unternehmensgrößen, Gesellschaftsformen oder Internationalität. Die Analysten von Crisp Research in Kassel wollten sich dennoch ein Bild machen und haben, unterstützt von Samsung, Anfang 2018 IT-und Business-Entscheider aus 309 Unternehmen befragt.

Organisations- und Arbeitskultur in Unternehmen
Organisations- und Arbeitskultur in Unternehmen
Foto: Crisp Research

Flache Hierarchien, agile Unternehmenskulturen, flexible Arbeitszeiten -und orte - diese und andere Trends wirken sich auf den "Future Workplace" aus. Doch warum sollten Unternehmen diese Ziele überhaupt anstreben? Welche Erwartungen verknüpfen sie damit?

Wer nun dachte, die Betriebe wollten angesichts der digitalen Herausforderung und Chance innovativer werden und ihr kreatives Potenzial wecken, wird enttäuscht. Manager erhoffen sich in erster Linie ganz klassisch geringere Kosten, effizientere Prozesse und mehr Umsatz. Erst mit einigem Abstand folgen Aspekte wie Mitarbeiterzufriedenheit, Innovationsfähigkeit, ein besserer Kundenservice oder eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber.

Home Office ist immer noch nicht Alltag

Vertrauen oder Kontrolle? Die meisten Unternehmen bevorzugen das zweite.
Vertrauen oder Kontrolle? Die meisten Unternehmen bevorzugen das zweite.

Das ist der Hintergrund, vor dem Unternehmen auch über Home Office und flexible Arbeitszeiten reden. Die meisten Unternehmen (65 Prozent) erlauben derzeit nicht einmal jedem vierten Mitarbeiter, im Home Office oder flexibel - beispielsweise im Coworking Space oder im Café - zu arbeiten. Crisp hat aber immer auch um eine Einschätzung gebeten, wie die Lage in vier Jahren aussehen könnte. Laut Umfrage wird sich bis dahin gut die Hälfte der Unternehmen weiter öffnen und Home Office auch in der Breite zulassen und unterstützen.

Ähnliches gilt für die Arbeitszeitregelungen: Geben heute noch 63 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern vor, sich an bestimmte Geschäfts- und Kernzeiten zu halten, soll dieser Anteil auf unter 40 Prozent zurückgehen. Die Vertrauensarbeitszeit, die heute schon in vier von zehn Unternehmen zum Einsatz kommt, wird sich demnach auf über 50 Prozent ausdehnen.

Die Welt der Arbeit verändert sich also doch, kulturell und organisatorisch - und damit notwendigerweise auch in der technischen Infrastruktur. Telefon, PC, Laptop, Smartphone, E-Mail - diese elementaren Zutaten für den digitalen Arbeitsplatz von heute werden auch in Zukunft den Ton angeben, doch diese Hilfsmittel entwickeln sich weiter. So wird das Telefon in Form einer Cloud-Telefon- und Collaboration-Anlage Teil der vernetzten Architektur bleiben. Durch SIP-Telefonie und neue Unified-Communication-Lösungen ist es teilweise so gut ausgestattet wie ein Smartphone.

Smartphone wird wichtigstes Endgerät

Trotz des Festhaltens an klassischer Telefonie setzen Unternehmen noch stärker auf Smartphones: 78 Prozent werden es künftig in der Breite einsetzen. Das Smartphone wird damit zum Endgerät Nummer eins. Viele Unternehmen, die heute noch eine hybride Bring-your-own-Device-(ByoD-)Strategie verfolgen, werden laut Crisp über Volumenprogramme und neue Management- und Anbieterverträge ihre Mitarbeiter mit Smartphones ausstatten.

Die Leistungsfähigkeit der Hardware ist das wichtigste Argument, wenn ein Smartphone für den Unternehmenseinsatz ausgewählt wird.
Die Leistungsfähigkeit der Hardware ist das wichtigste Argument, wenn ein Smartphone für den Unternehmenseinsatz ausgewählt wird.
Foto: Crisp Research

Die Analysten schließen nicht aus, dass sich Smartphones auch in immer mehr Fällen zu einem PC-Ersatz mausern werden. Mit Hilfe von Docking-Stationen und virtualisierten Desktops könnten sie die notwendigen Programme und Informationen bereitstellen und auch über externe Bildschirme mit Tastatur und Maus bedient werden. Die neueste Endgerätegeneration sei dazu von den verbauten Komponenten für Grafik- und Rechenleistung allemal in der Lage.

Eine wichtige Rolle spielen in vielen Betrieben auch weiterhin Tablets. Heute sind sie in 44 Prozent der Firmen ein wichtiges Element der Arbeitsplatzausstattung. Dieser Anteil wird sich kaum verändern. Form, Größe und Haptik sind vor allem in Gruppenarbeit und Brainstorming-Situationen beliebt. Oft fungieren die Flachmänner auch als Laptop-Ersatz. Allerdings konkurrieren sie hier mit hybriden 2-in-1-Geräten, die Notebook und Tablet in sich vereinen. Ihr Einsatz in den Unternehmen soll von derzeit 14 auf 29 Prozent im Jahr 2022 ansteigen.

Die Partizipation der Mitarbeiter bei der Technologieauswahl für den digitalen Arbeitsplatz ist meist erwünscht.
Die Partizipation der Mitarbeiter bei der Technologieauswahl für den digitalen Arbeitsplatz ist meist erwünscht.
Foto: Crisp Research

Auf dem Vormarsch sind auch neue Gerätetypen wie Augmented- oder Mixed Reality-Brillen, Wearables, digitale Whiteboards sowie ganze Video-Walls. All diese Geräte kommen in den Unternehmen derzeit in großen Sprüngen voran, allerdings auf noch recht niedrigem Niveau. Einsatzfelder sind etwa Kunden-Showcases, virtuelle Team-Besprechungen sowie neue Arbeitsweisen in Produktion und Wartung.

PCs und Laptops werden nicht verschwinden

Und was wird aus den klassischen PCs und Laptops? Der Trend, dass mobile Rechner Desktops ablösen, setzt sich mit hohem Tempo fort. Während heute beide Endgeräte noch etwa gleich stark genutzt werden, dürfte der Laptop dank seiner Mobilität in den meisten Unternehmen als High Performance Device überleben. Der PC bleibt an klassischen Office-Arbeitsplätze ein Faktor, doch Mitarbeiter, die viel unterwegs sind, brauchen ihn nicht mehr.

Kommen wir zu den Anwendungen, die am Arbeitsplatz genutzt werden. Ausgerechnet die so oft totgesagte E-Mail ist die wichtigste Anwendungskategorie - und das wird auch so bleiben. Zusätzlich kommen aber neue Chat- und Collaboration-Plattformen zum Einsatz, die in der Team- und Kundenkommunikation immer häufiger genutzt werden. Gerade für den schnellen Austausch oder in der Sprach- und Videokommunikation erfreuen sich Slack & Co. großer Beliebtheit. Auch in Office-Anwendungen, die für die meisten Mitarbeiter eine konstante Säule ihrer Arbeit darstellen, gehören Chat- und Collaboration-Funktionen inzwischen zum Standard.

Crisp stellt insgesamt fest, dass Unternehmen in der Ausstattung ihrer Mitarbeiter mit Anwendungen großzügiger geworden sind. Die Aufgeschlossenheit sei aber nicht ohne Risiko: Der Grat zwischen einem Gewinn an Produktivität und einer Überforderung der Mitarbeiter sei schmal. Diverse Management- und Security-Lösungen könnten aber helfen, Risiken rund um Zeitverschwendung und Sicherheit zu senken. Enterprise Mobility Management (EMM), Identity & Access Management (IAM) oder ganzheitliche Unified-Endpoint-Management-Plattformen würden besser und vollständiger.

Den größten Funktionsumfang haben demnach Unified-Endpoint-Management-Plattformen, die Client- und Mobile-Management vereinen. Sie werden derzeit von rund einem Drittel der Befragten eingesetzt und bieten eine einheitliche Management- und Betriebsgrundlage für alle Endgeräte und Anwendungen im Unternehmen. Für Nutzer ist eine einheitliche User Experience über alle Endgeräte und Anwendungen hinweg gewährleistet, und einzelne Policies und Berechtigungen können auch über verschiedene Betriebssysteme hinweg User-basiert angewendet werden.

Unified Endpoint Management ist im Kommen

Tatsächlich gehen Unternehmen, die sich heute für eine EMM-Lösung (45 Prozent) entscheiden, unbewusst auch den Weg in Richtung Unified Endpoint Management. Neuere EMM-Plattformen bieten ebenfalls den Zugriff auf andere Geräteklassen als Tablets und Smartphones. In beiden Plattform-Kategorien ist zumeist ebenfalls ein hoher Anteil von Security- (48 Prozent) und IAM-Lösungen (41 Prozent) integriert. Das Zusammenspiel aller Komponenten soll größtmöglichen Schutz bieten und eine Balance zwischen User Experience, Sicherheit, Datenschutz und Agilität gewährleisten.

Bestehende Anwendungen gelten als Asset und werden in den Digital Workplace eingebunden.
Bestehende Anwendungen gelten als Asset und werden in den Digital Workplace eingebunden.
Foto: Crisp Research

Generell erwarten alle Unternehmen, dass immer mehr und umfangreichere Anwendungen und Technologien ihre Digital-Workplace-Architekturen prägen werden. Deshalb wird die Diskussion über bestehende Anwendungen und Assets wichtiger. 60 Prozent der Entscheider geben an, dass ältere Applikationen und Lösungen weiterhin einen essenziellen Unternehmenswert darstellen werden. Neue Software steht demnach meistens nicht im Verdrängungswettbewerb mit den verwendeten Lösungen, sondern kommt hinzu und wird teilweise auch isoliert genutzt.

Über Virtual-Desktop-Infrastructure (VDI-)Lösungen dürften die bestehenden Anwendungen oft parallel zu einem neuen, Cloud-basierten Anwendungs-Stack betrieben werden. Über einheitliche Management-Plattformen können so auch Integrationen und Querverbindungen hergestellt werden, so dass ein gewisser Vernetzungsgrad zwischen bestehenden und neuen Technologien hergestellt werden kann. 15 Prozent der Unternehmen haben sich bewusst für eine Hybrid-Workplace-Strategie entschieden und somit die Weichen für eine vernetzte, vollständig integrierte Digital-Workplace-Architektur gestellt.

Alte Anwendungen abzulösen fällt oft schwer

Bestehende Anwendungen ganz oder teilweise ausmustern, um einen von Cloud-Diensten und Ersatzlösungen geprägten digitalen Arbeitsplatz einzurichten, wollen 21 Prozent der Befragten. Ein kleiner Teil von vier Prozent der Unternehmen schließlich möchte sich sogar schnellstmöglich auf eine Workplace-Architektur mit ausschließlich neuen Standards einstellen.

Einmal mehr fehlt es am richtigen Skillset.
Einmal mehr fehlt es am richtigen Skillset.
Foto: Crisp Research

Es zeigt sich also, dass die Unternehmen den Wandel der Technologie annehmen und in weiten Teilen auch konkrete Veränderungen vorantreiben. Die Ausgestaltung entscheidet sich aber je nach Einzelfall unterschiedlich, betreiben doch die meisten Unternehmen langjährig gewachsene Architekturen mit gefestigten Prozessketten. Sie können nicht von heute auf morgen eine 180-Grad-Wende hinlegen.

Die Crisp-Studie beschäftigt sich schließlich auch mit den konkreten Herausforderungen, denen sich Unternehmen auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt der Zukunft stellen müssen. Wie so oft ist die unpassende Qualifikation der IT-Mannschaft, die größte Herausforderung. Sollen neueste Endgeräte, Anwendungen und Management-Plattformen integriert werden, müssen die IT-Organisationen meistens neu aufgestellt, die Betriebsmodelle angepasst und die Aufgaben neu zugeteilt werden.

Dienstleister werden gebraucht, wenn es gilt, die Zielarchitektur auszuwählen und aufzubauen.
Dienstleister werden gebraucht, wenn es gilt, die Zielarchitektur auszuwählen und aufzubauen.
Foto: Crisp Research

Die Komplexität, bestehende Anwendungen in die neue digitale Arbeitswelt zu überführen, überfordert ebenfalls viele Unternehmen, vor allem solche mit langjährig gewachsenen oder durch viele Eigenentwicklungen fragmentierten Architekturen. Zu den technischen kommen organisatorische Probleme, etwa wenn die Entscheider einen Kontrollverlust fürchten, da sie die Vielzahl der Lösungen und Assets nicht mehr überblicken. Hierfür gibt es aber eine Reihe von Technologien, die diesen Bedenken entgegenwirken können und somit die notwendige Kontrolle an das Unternehmen zurückgeben.