Der Begriff des agilen Führens ist insofern unglücklich gewählt, weil im engeren Sinne "agil" keine Eigenschaft des Führens ist. Kann man überhaupt iterativ und inkrementell (= agil) führen? Viel korrekter wäre die Bezeichnung "Führen im agilen Umfeld", welche die geänderten Anforderungen an die Führungskräfte, die im agilen Umfeld tätig sind, beschreibt und die beiden Begriffe nicht vermischt. In diesem Beitrag werden wir mit ein paar Beispielen zeigen, wo sich die beiden Begriffe berühren und wieso agiles Führen als eigenständiger Führungsstil nicht existiert.
Brauchen wir noch Manager?
Bei diesem Gedanken erscheint unweigerlich das Bild von Che Guevara vor dem geistigen Auge. Es wäre jedoch zu früh für eine Revolution. Nehmen wir uns ein Beispiel. Es handelt sich dabei um ein Entwicklungsteam bei einer führenden deutschen Versicherung. Das Team ist cross-funktional besetzt und arbeitet nach Kanban. Das Team entscheidet selber, welche Aufgaben es als Nächstes umsetzt, und leitet eigenständig Verbesserungsmaßnahmen für seine Arbeit ein.
Neben dem Kanban-Team gibt es indirekt beteiligte Fachkräfte, z.B. Test Manager oder Lösungsarchitekten. Für das Team sind es externe Dienstleister. Das Team entscheidet in Eigenregie, wann und wie oft diese Fachkräfte konsultiert werden. Beteiligte Gruppenleiter sorgen für Räume, Arbeitsmittel, Zuteilung von Ressourcen und Staffing. Beteiligte Abteilungs- und Bereichsleiter können aus Sicht des Kanban-Teams als Stakeholder gesehen werden. Sie setzen "Spielregeln" und übergeordnete Rahmenbedingungen, koordinieren das Zusammenspiel mehrerer Teams und managen Lieferanten sowie Sourcing-Partner.
Das beschriebene Kanban-Team erfüllt eine bestimmte Rolle mit Rahmen eines größeren Projekts. Projekt- und Teilprojektleiter sind hier ebenfalls Stakeholder aus Sicht des Kanban-Teams. Sie koordinieren die Gesamterreichung der Projektziele und brechen sie auf einzelne Teams herunter.
Führungsaufgaben werden atomisiert und umverteilt
Die Führungsaufgaben bleiben also im System, werden jedoch atomisiert und umverteilt. Die Frage ist daher nicht, ob wir Manager brauchen, sondern was für welche? Eine geänderte Aufgabenteilung erfordert das Umdenken bei der Besetzung von Führungspositionen.