Staatsministerin Dorothee Bär

Wie wollen wir in Zukunft leben, lernen, arbeiten?

12.08.2020
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
Welche Chancen die Digitalisierung bietet, warum sie auch eine soziale Revolution ist und wie man mehr Frauen für MINT-Berufe gewinnen kann, darüber haben wir mit Dorothee Bär, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung gesprochen.
Dorothee Bär, Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung: "Die Digitalisierung ist neben der rein technischen Seite, für die ich mich auch sehr interessiere, auch die Notwendigkeit der Gestaltung von Zukunft mit allen soziokulturellen Auswirkungen. Wie wollen wir in Zukunft leben, lernen, arbeiten oder uns fortbewegen? Ich möchte diese Zukunft in unserem Land mitgestalten und damit dafür sorgen, dass Digitalisierung das Leben verbessert."
Dorothee Bär, Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung: "Die Digitalisierung ist neben der rein technischen Seite, für die ich mich auch sehr interessiere, auch die Notwendigkeit der Gestaltung von Zukunft mit allen soziokulturellen Auswirkungen. Wie wollen wir in Zukunft leben, lernen, arbeiten oder uns fortbewegen? Ich möchte diese Zukunft in unserem Land mitgestalten und damit dafür sorgen, dass Digitalisierung das Leben verbessert."
Foto: Bundesregierung / Denzel

Frau Bär, wie wird man eigentlich Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung?

Dorothee Bär: Schon vor über 20 Jahren, also vor meiner politischen Karriere, habe ich damit begonnen, mich für Digitalisierung zu engagieren. Als ich in den Bundestag gewählt wurde, war die einzige Möglichkeit, sich politisch diese Themen betreffend zu engagieren, ein Sitz im Unterausschuss für Neue Medien. Erst viele Jahre später wurde ich Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, weil in den Verkehrsbereich auch der Digitalbereich integriert wurde. Als es um den Posten der Beauftragten der Bundesregierung für Digitalisierung ging, wurde ich aufgrund meiner langjährigen Kenntnisse ganz bewusst von meinem Parteivorsitzenden ausgewählt.

Studiert haben Sie ja eigentlich Politikwissenschaft …

Bär: Die Digitalisierung ist neben der rein technischen Seite, für die ich mich auch sehr interessiere, auch die Notwendigkeit der Gestaltung von Zukunft mit allen soziokulturellen Auswirkungen. Wie wollen wir in Zukunft leben, lernen, arbeiten oder uns fortbewegen? Ich möchte diese Zukunft in unserem Land mitgestalten und damit dafür sorgen, dass Digitalisierung das Leben verbessert. Meine ersten Berührungen mit digitalen Themen kamen über meinen Bruder, der Informatiker ist und mich schon von Kindesbeinen an mit seiner Technikbegeisterung angesteckt hat. Damit meine ich nicht seine tagelangen LAN-Parties, sondern vor allem die wissenschaftlichen Abhandlungen zu digitalen Themen, die er referierte und die mich schon früh fasziniert haben.

Welche Skills mussten Sie sich konkret aneignen für dieses Amt?

Bär: Man braucht ein technisches Grundverständnis und die Leidenschaft, sich in digitale Themen und eben auch in die technischen Einzelheiten einzuarbeiten. Da die Digitalisierung immer voranschreitet, wird man da nie ausgelernt haben. Meine Aufgabe sehe ich im Koordinieren und Führen der verschiedenen Ministerien vom Kanzleramt aus. Dafür muss die für die Umsetzung digitaler Vorhaben notwendige Änderungsbereitschaft geschaffen werden. Man braucht ein Gespür für das, was wichtig ist und wie dies am besten umgesetzt wird. Es geht also um Informieren, Erklären und Überzeugen, dies versuche ich, um ein Beispiel zu nennen, im Rahmen des von mir organisierten Runden Tisch Blockchain, an dem Vertreter nahezu aller Ressorts sitzen.

Gibt es ein Tool oder eine Anwendung, die Ihnen besonders Spaß macht? Und warum?

Bär: Ich schätze alle Tools, die es mir ermöglichen, direkt, unkompliziert und bürgernah zu kommunizieren und alles, was zu einer ganz großen Lebenserleichterung beiträgt. Ansonsten stehe ich auf Gadgets jeglicher Art und bin ein Gamification Junkie.

Wie sieht eigentlich ein typischer Arbeitstag in ihrem Leben aus?

Bär: Kein Tag ist wie der andere. Es gibt einige feststehende Termine, gerade in Sitzungswochen, oder wenn Kabinettsitzung ist. Ansonsten ist der Arbeitstag von Terminen mit Politikerinnen und Politikern, Vertretern von Wirtschaft und Medien oder auch mit Bürgerinnen und Bürgern geprägt. Gerade jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, realisiere ich viele dieser Aufgaben mit Hilfe digitaler Kommunikationstools.

Ohne Digitalisierung geht heute nichts mehr, das merken wir nicht erst seit der Corona-Krise. Aber jetzt umso mehr. Stichwort Home Office und Home Schooling: was nehmen Sie aus dieser Zeit mit?

Bär: Auf einmal ist im Bereich der Digitalisierung vieles möglich, was lange als undenkbar galt. Es zeigte sich leider sehr schmerzlich, dass die Firmen, die bereits in der Digitalisierung vorangeschritten waren, viel besser durch die Krise kommen als die Firmen, die mit der digitalen Transformation noch nicht begonnen haben. So waren manche Firmen oder Behörden gar nicht oder nur unzureichend auf das Thema Home Office eingestellt. Und auch im Bereich der digitalen Bildung rächt es sich nun, dass es keine einheitlichen Standards für das Home Schooling gibt und die Schullandschaft in dieser Hinsicht eher ein Flickenteppich ist. Es zeigt sich, dass es für die Kinder und Eltern besser gewesen wäre, wenn wir bereits bundesweit einheitliche Mindeststandards für diese Form der Unterrichtsgestaltung erreicht hätten.

Die moderne digitale Welt braucht nicht nur Technik, sondern auch Talente - Stichwort IT-Fachkräftemangel. Gerade Frauen sind in MINT-Berufen aber immer noch Mangelware. Warum, glauben Sie, ist das so?

Bär: Es liegt mit daran, dass es versäumt wird, den Frauen bereits als jungen Mädchen diese Themen näher zu bringen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es gut wäre, bereits in der Grundschule den Kindern digitale Kompetenzen bis hin zum Erlernen einer Programmiersprache zu vermitteln. Hierdurch würde erreicht, dass diese für die Zukunft so wesentlichen Fähigkeiten zu einem normalen Bestandteil der Bildung unserer Kinder würden und damit auch die spätere Berufsauswahl, gerade auch bei jungen Frauen mit Blick auf die MINT-Berufe, anders aussähe als heute.

Was finden Sie an IT und Digitalisierung spannend?

Bär: Digitalisierung ist nicht nur eine technische Revolution, sie ist auch eine soziale. Sie wirft Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe sowie rechtliche und ökonomische Fragen auf. Es entstehen völlig neue Horizonte. Wir haben jetzt die Chance, dieses Zeitalter mitzugestalten. Diese Chance sollten wir nutzen, und nicht nach China oder in die USA wie das Kaninchen auf die Schlange schauen.

Welchen Rat oder Karrieretipp haben Sie für den Nachwuchs - ob männlich oder weiblich?

Bär: Nicht auf das Gerede anderer hören. Ratschläge nur von denen annehmen, die man auch fragen würde. Traut Euch was, seid mutig, geht auch mal Wege, die andere vielleicht nicht mitgehen, lasst Euch begeistern und begeistert andere.