Was bedeutet eigentlich der viel zitierte Begriff Cloud Readiness? Wie muss ein Unternehmen aufgestellt sein, um IT-Services aus der Wolke nutzen zu können? Mit diesen Fragen beschäftigte sich eine Diskussionsrunde, zu der die COMPUTERWOCHE und ihre Schwesterpublikation "TecChannel" Anwender eingeladen hatten.
Jedes Unternehmen hat seine eigenen Gründe, ob und, wenn ja, zu welchen Anlässen es IT-Infrastruktur, Speicherplatz oder Anwendungen aus der Cloud bezieht. Für die Aenova Holding GmbH lagen sie vor allem in der "stark fragmentierten IT-Landschaft als Folge einer Reihe von Mergern", berichtete Jens Hittmeyer, Senior VP Corporate IT des Auftragsherstellers für die Pharmaindustrie mit Hauptsitz in Starnberg: "Die Dynamik, die unsere Geschäftsleitung von der IT erwartet, kann ich nur mit Anwendungen aus der Cloud liefern."
Zu diesen Applikationen zählen bei Aenova vor allem die Microsoft-Anwendungen für Messaging und Collaboration, darunter Sharepoint und Skype for Business, aber auch die Enterprise-Software Dynamics CRM. "Einige Applikationen sind zu nah an der Produktion, die werde ich nicht migrieren können. Aber überall, wo es geht, unternehmen wir zumindest erste Schritt in die Cloud, um schnell genug zu sein", schilderte Hittmeyer seine Situation.
Ähnlich waren die Beweggründe der Smartrac Technology Group. Der erst vor 15 Jahren gegründete und inzwischen weltweit führende Hersteller von RFID-Transpondern wächst nach Angaben von Andreas Petrongari, Senior Vice President Corporate IT, schneller, als die IT-Infrastruktur skalieren könnte. Als Petrongari 2008 seinen Job antrat, konnte er quasi auf der grünen Wiese beginnen: Es gab noch keine Unternehmens-IT im eigentlichen Sinne. Doch er versuchte gar nicht erst, eine "mitwachsende" On-Premise-Infrastruktur aufzubauen: "Die Situation legte es nahe, sich frühzeitig mit der Cloud zu beschäftigen." Denn nur so lassen sich nach Überzeugung des IT-Chefs "die wichtigen IT-Services in der notwendigen Geschwindigkeit und Skalierbarkeit zur Verfügung stellen."
Neben der Infrastruktur wurden auch die Anwendungen auf die Möglichkeiten des Bezugs aus der Cloud abgeklopft. So bezieht Smartrac seine CRM-Applikationen von Salesforce.com, um sich, wie Petrongari es formulierte, "Transparenz in einem fragmentierten globalen Markt zu schaffen".
Eine flexible Cloud-Architektur soll Smartrac auch beim Aufbau eines neuen "digitalen" Geschäftsmodells unterstützen: Das Stuttgarter Unternehmen, das weltweit Produktionsanlagen betreibt, baut eine Plattform, über die seine Kunden die von rund zwei Milliarden Transpondern jährlich gesammelten Informationen abrufen, auswerten und für eigene Services verwenden können. "Smart Cosmos", so der Name des Projekts, kann laut Petrongari nur aus der Cloud heraus funktionieren.
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TU München: Cloud ja - aber in Grenzen
Die Technische Universität München (TUM) setzt auf zentrale hochverfügbare Services, um ihre drei bayerischen Standorte in München, Garching und Weihenstephan sowie ihren asiatischen Ableger in Singapur mit den für Forschung und Lehre notwendigen Anwendungen zu versorgen. Darüber hinaus arbeitet sie an Lösungen, um Kapazitäten für Peak-Zeiten zu zuschalten. "Was für Amazon das Weihnachtsgeschäft ist, sind für uns die ersten Tage jedes Wintersemesters", sagte Hans Pongratz, CIO und Vizepräsident der Universität.
Allerdings darf die TUM aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht alles in die Cloud geben, was möglich wäre. Wie Pongratz erläuterte, gelten für die TUM die Regelungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes, welche sich in einigen Punkten auch vom Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) unterscheide: "Deshalb geben wir einige Sachen nicht aus der Hand." Accounting und Human Resources werden beispielsweise mit on Premise installierter SAP-Software betrieben, für den E-Mail-Verkehr kommt eine Hybrid Cloud, betrieben vom Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, zum Einsatz. Andere Aufgaben bewegen sich in einem Ermessensbereich: "Hier nutzen die Mitarbeiter die Cloud quasi auf eigene Gefahr."
BMW nutzt gezielt Cloud-Anwendungen
Eine differenzierte Strategie fährt die BMW AG. "Wir beschäftigen uns seit Jahren mit der Cloud", so Jürgen Turek, Leiter Anwendungsplattformen in der Group IT. Dabei gehe BMW "bimodal" vor. Im produktionsnahen Bereich komme derzeit nur On-Premise-Software in Frage: "Hier bewegen sich die Reaktionszeiten im Millisekundenbereich", lautet seine Begründung.
Anwendungsbereiche, die nicht so zeitkritisch sind, deckt der Automobilkonzern auch aus der Cloud ab, beispielsweise durch die Verwendung von SaaS-Angeboten. Das Thema Infrastructure as a Service (IaaS) wird immer dann aktuell, wenn es um zeitlich befristete Projekte geht, für die es sich nicht lohnt, eine eigene Infrastruktur aufzubauen. Last, but not least tritt der Automobilhersteller auch selbst als Cloud-Provider innerhalb der Firma auf. Als interner Hosting-Partner stellt die IT beispielsweise die Systeme der BMW Bank bereit und betreibt sie.
Die Cloud ist laut Turek eine Möglichkeit, an jedem Standort präsent zu sein. Aber man müsse jeweils abwägen, was rechtlich möglich sei: "In manchen Ländern dürfen die Daten das Land nicht verlassen, dort müssen relevante Daten lokal bleiben." Diese Flexibilität will BMW auch strategisch verankern: "Wir arbeiten an einer Strategie, die es uns ermöglicht, frei zu entscheiden, wo wir welchen Service wie anbieten, aus der Cloud oder in eigenen Facilities."