Agiles Unternehmen

Wie Organisationen beweglich werden

23.02.2017
Von 
Klaus Kissel ist einer von zwei Geschäftsführern des ifsm Institut für Sales & Managementberatung in Urbar bei Koblenz, das unter anderem Unternehmen im Prozess der Nachfolgeregelung unterstützt und begleitet. Kissel ist Mitautor des Buches "Das Prinzip der minimalen Führung".

Eine agile Struktur und Kultur entwickeln

Beim Entwickeln einer agilen Unternehmensstruktur und -kultur stellen sich unter anderem folgende Fragen, die teilweise einen Paradigmenwechsel erfordern.

  1. Welchen Werten entspringt unser neuer Führungsgedanke? Was heißt das für unsere Rituale und unser Handeln? Damit eine neue Kultur entstehen kann, braucht es einen neuen Wertekodex, der hierarchieübergreifend entwickelt werden sollte. Diesen gilt es dann in gemeinsamen Ritualen mit Leben zu füllen.

  2. Welche Daseinsberechtigung hat das mittlere Management noch? In einer fluiden Organisation werden die Kernleistungen weitgehend von Teams erbracht. Diese benötigen eine projekthafte Führung, die das kurzfristige Entstehen, aber auch Auflösen von Teams fördert. Hieraus erwächst die Frage: Welche Funktion haben dann die Team-, Abteilungs- und Bereichsleiter noch? Inwieweit sind sie überhaupt noch nötig?

  3. Wie messen und entlohnen wir künftig die (individuelle) Leistung? Wenn die Leistung in Teams beziehungsweise Beziehungsnetzwerken erbracht wird, stellt sich die Frage, wie die individuelle Leistung erfasst und gerecht entlohnt werden kann. Auch in einer fluiden Organisation muss sichergestellt sein, dass jeder Mitarbeiter seine Leistung einbringt und sich nicht Einzelne auf Kosten des Teams "ausruhen". Hier gilt es Transparenz zu schaffen.

    Im digitalen Zeitalter ist eine solche Kontrolle aber nicht mehr durch die Führungskraft nötig. Sie kann auch mittels einer digitalen Messlatte erfolgen, die ähnlich wie im privaten Bereich der Konto-Auszug einer Bank anzeigt: Wie groß ist mein "Haben", und wie weit ist mein Überziehungskredit ausgereizt? Es braucht dann jedoch auch ein daran gekoppeltes wirksames Konsequenzen-Management.

  4. Welche Funktion hat Führung in agilen Strukturen? Klar ist: Führungskräfte müssen in vernetzten Strukturen mehr Beziehungs- als Schnittstellenmanager sein. Außerdem müssen sie sich, wenn sich die fachliche Entscheidungskompetenz auf die operative Ebene verlagert, vom fachlichen Mentor zum Coach beziehungswiese Agilitäts-Coach entwickeln.

  5. Wie sehen die Arbeitsräume/-plätze künftig aus? Wie erzeugen wir ein Feel-Good-Klima? Die Arbeitsumgebung und das Arbeitsequipment sind wichtig. Sie müssen den neuen Anforderungen angepasst werden. Nötig sind unter anderem Meetingräume und flexible Arbeitsplätze, die jederzeit auf- und abbaubar sind. Fachkräfte und Spezialisten werden für Unternehmen immer bedeutsamer, zumal sie die volle Kundenverantwortung übernehmen. Deshalb muss im Betriebsalltag sichergestellt sein, dass sich die Führungskräfte mit Leidenschaft um ihre Mitarbeiter kümmern. Sie müssen ein Art Feel-Good-Management betreiben, um die Mitarbeiter zu binden.

Die neue Hülle mit Leben füllen

Richard Branson, der Gründer der Virgin Group, sagte einmal: "Clients do not come first. Employees come first. If you take care of your employees, they will take care of the clients." Dieses Denken müssen Führungskräfte verinnerlichen.

Eine wirklich flexible Organisation entsteht erst, wenn die Leitungsebene eines Unternehmens sich mit diesen Fragen befasst, individuelle Antworten findet und diese auch sichtbar umsetzt. Erst dann wird das Unternehmen zu einer Hülle, in der Bewegung entstehen kann.