Da Automobilhersteller für ihre Produktion in der Regel viele unterschiedliche Teile zukaufen müssen, arbeiten sie mit zahlreichen Zulieferern zusammen. Daher sind ihre Beschaffungsorganisationen oft so stark aufgegliedert, dass die einzelnen Geschäftssegmente eigene Einkaufsbereiche unterhalten - die zum Teil nichts voneinander wissen. Die Folge: Dann existiert eine große Zahl an Lieferantenverträgen, die sich auf verschiedene Medien - von Festplatten über Software-Lösungen bis hin zu Aktenordnern - verteilen und damit schwer zu organisieren, zu pflegen und zu aktualisieren sind.
Intransparenz führt zu Werteverlusten
Die daraus resultierende Intransparenz kann gravierende Folgen für einen Autobauer haben. So fand eine McKinsey-Studie heraus, dass einem Unternehmen durch mangelnde Investitionen in das Vertragsmanagement in der Beschaffung bis zu neun Prozent des Jahresumsatzes verloren gehen können. Ein Grund dafür ist, dass die einzelnen Abteilungen bei denselben Zulieferern ähnliche oder sogar gleiche Materialien zu unterschiedlichen Konditionen beziehen. So besteht zum Beispiel die Gefahr, dass vorhandene Rahmenverträge nicht eingehalten werden. Weiß eine Beschaffungsorganisation nichts davon, dass im Unternehmen bereits bestimmte Produktpreise, Anreize und Rabatte mit einem Lieferanten vereinbart wurden, läuft sie Gefahr, ungünstigere Einkaufsbedingungen auszuhandeln.
Ein weiteres Problem unzureichenden Vertragsmanagements sind übersehene Kündigungsfristen. So musste ein Autobauer von einem Zulieferer im Rahmen einer Vendor-Managed-Inventory (VMI)-Vereinbarung noch monatelang ein bestimmtes Bauteil abnehmen, obwohl das entsprechende Teil gar nicht mehr gebraucht wurde, weil die Produktion der Baureihe zwischenzeitlich komplett eingestellt worden war.
Fehlender Abgleich kann teuer werden
Empfindliche Einbußen können Unternehmen im Einkauf auch hinnehmen, wenn es keinen unternehmensweiten Überblick über vereinbarte Vertragsstrafen gibt. Zum Beispiel kostete einen Automobil-Hersteller ein geplatzter Liefertermin mehrere Millionen Euro, weil er mit dem Kfz-Abnehmer 30 Prozent, mit dem zentralen Zulieferer jedoch nur 20 Prozent Vertragsstrafe vereinbart hatte. Da die Einkaufsabteilung die beiden Verträge nicht abgeglichen und aufeinander abgestimmt hatte, blieb das Unternehmen auf einem gewaltigen Differenzbetrag sitzen.
Druck durch verschärfte Compliance-Vorschriften
Auch von gesetzlicher Seite wächst der Druck auf die Beschaffungsorganisationen, für mehr Transparenz bei der Gestaltung und Verwaltung ihrer Zuliefererverträge zu sorgen. Jüngstes Beispiel ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das Unternehmen zur Dokumentation der Menschenrechtskonformität ihrer Lieferanten und Vorlieferanten verpflichtet: ob Schutz vor Kinder- und Zwangsarbeit oder Antikorruptionsrichtlinien, aber auch ausgewählte Umweltaspekte.
Lesetipp: Neues Lieferkettengesetz - Sorgfaltspflicht für Menschenrechte
Hinzu kommen steigende Compliance-Vorgaben zur nachhaltigen Unternehmensführung. So muss jeder Automotive-Konzern auf eine möglichst günstige CO2-Bilanz seines Zuliefernetzwerks achten und dies bei Audits rechtssicher nachweisen können. Das setzt einen direkten Zugriff auf alle entsprechenden Verträge mitsamt ihren Anhängen voraus, der ohne systemische Unterstützung kaum durchführbar ist.
Schnelle Vertragsabschlüsse im Visier
Doch genau daran hapert es vielerorts noch in den Beschaffungsabteilungen, die mit SAP-Einkaufslösungen arbeiten - gerade in der Automobilindustrie. So zeigt die Praxis, dass es vielen Einkäufern in dieser Branche vorrangig um möglichst schnelle Vertragsabschlüsse geht, um drohende Produktionsstillstände zu vermeiden. Aktuelles Beispiel ist die Beschaffung von Microchips, die infolge der steigenden Elektromobilität weltweit zur Mangelware geworden sind. Ist eine entsprechende Vereinbarung erst einmal unter Dach und Fach, wird sie vom Einkäufer abgelegt und frühestens dann wieder hervorgeholt, wenn es zu Problemen kommt.