Alternativen zu Entlassungen

Wie IT-Firmen ihre Personalkosten senken

02.06.2009
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Wenn Anwender wie Praktiker massiv Kosten einsparen, schlägt dies auf die Lieferanten durch. Lizenzumsätze rauschen in den Keller, und margenträchtige Services stehen auf dem Prüfstand. Sofort rückt der Personalaufwand als größter Kostenblock ins Visier. Bereits im Herbst kündigte SAP Einsparungen an. Nach dem Motto: "Kleinvieh macht auch Mist" wurde zunächst das Reise- und Verköstigungsbudget gekürzt. "Allein für Kunden-Meetings darf der Caterer gerufen werden", erläutert SAP-Sprecher Günther Gaugler.

SAP zahlt hohe Abfindungen

Als im ersten Quartal die Softwareerlöse um ein Drittel sanken, wurde die zweite Restrukturierungsrunde eingeläutet: Medienberichten zufolge gibt es erstmals in der SAP-Geschichte eine Nullrunde beim Gehalt, rund 45 Millionen Euro spart SAP damit ein. Bis Ende 2009 soll die Mitarbeiterzahl von weltweit 51.500 auf 48.500 sinken, nach Angaben der Gewerkschaft Verdi entfallen allein in Deutschland 640 Stellen. Um Mitarbeitern den Abgang zu versüßen, würden hohe Abfindungssummen in Aussicht gestellt. Mit dem Betriebsrat vereinbart seien für die ersten 15 Jahre Betriebszugehörigkeit zwei Monatsgehälter pro Jahr. Ab dem 16. Jahr kommen ein volles Monatsgehalt dazu, heißt es bei Verdi.

Die Maßnahme kommt so gut an, dass mehr Mitarbeiter ausscheiden wollen als vorgesehen. Gaugler zufolge wird jeder Fall geprüft, das Management kann sein Veto einlegen: "Schließlich wollen wir nicht unsere Schlüsselkräfte verlieren." Weniger zimperlich gegenüber Beschäftigten ist Hewlett-Packard. Tausende Arbeitsplätze vor allem bei der HP-Tochter EDS sollen wegfallen. In betroffenen Regionen schalteten sich deutsche Ministerpräsidenten ein.

Dass internationale IT-Konzerne trotz hoher Gewinne Personal abbauen wollen, ist für Helga Schwitzer, im Vorstand der IG Metall für die IT-Branche zuständig, nicht nachzuvollziehen. "Viele Firmen interessiert nicht die Bohne, dass Tausende Mitarbeiter in anderen Ländern wegen der Shareholder-Value-Politik ihre Arbeitsplätze verlieren." Wenn Beschäftigte eines von Schwitzer nicht namentlich genannten amerikanischen Konzerns freiwillig auf drei bis fünf Prozent Gehalt verzichten sollten und Vorgesetzte gleichzeitig Abbaugespräche führten, "ist das pure Erpressung". Schwitzer meint, viele Manager würden auf der Krisenstimmung "mitsurfen". Ohne von der Krise betroffen zu sein, werde mit Gehaltssenkung, Sozialabbau und Kündigungen gedroht.

IBM spart an Freiberuflern

Bei IBM scheint man solche Kritik ernst zu nehmen. Die internen Arbeitsplätze sind sicher - noch: Um Kosten zu sparen, wurden jüngst zahlreiche Verträge mit IT-Freiberuflern vorzeitig gekündigt. Und wer ab August bei IBM einen Arbeitsvertrag unterschreibt, erhält keine betriebliche Altersversorgung mehr. In guten Zeiten würden solche Einschnitte Belegschaften auf die Barrikaden treiben. In der Krise indes wird die Politik der kleinen Schritte begrüßt, solange es keine Kündigungen gibt. Nur neun Prozent der deutschen Personalleiter, ergab eine Umfrage des Freiburger Haufe-Verlages, Herausgeber des "Personal-Magazins", erwägen betriebsbedingte Kündigungen.

Itelligence fliegt zweiter Klasse

Dass das Management in der IT-Branche meist kühlen Kopf bewahrt, zeigt auch Dieter Schoon, Personalchef der Bielefelder Itelligence. Er senkt zum Beispiel das Personalbudget, indem Trainings kaum noch extern stattfinden und Mitarbeiter dafür genauer ausgewählt werden. Zudem werde zweiter Klasse geflogen und nur im Einzelfall mit Headhuntern zusammengearbeitet. Auch dies ist in der Krise nötig: "Zum Kicken treffen wir uns nicht mehr wie früher freitags um zwei, sondern erst am Samstag."

Dieter Schoon, Itelligence: 'Der Freitagnachmittags-Kick ist auf Samstag verschoben.'
Dieter Schoon, Itelligence: 'Der Freitagnachmittags-Kick ist auf Samstag verschoben.'

Nicht gespart wird hingegen an den geldwerten Nebenleistungen. Wer einen BMW als Firmenwagen fahre, müsse nicht befürchten, in Kürze in einen Passat gedrängt zu werden. Freilich ist Gespür für Kosten gefragt: "Ehe drei Berater mit drei Autos zum Kunden fahren", erwartet Schoon, "sollten sie sich gemeinsam in einem Wagen auf die Reise begeben." Viele IT-Dienstleister würden diese Politik der kleinen Schritte befolgen, beobachtet Hartmut Lüerßen vom Marktforscher Lünendonk. Personal, das wegen auf Eis gelegter Projekte nicht eingesetzt werden kann, baue Zeitkonten ab, nehme Urlaub und qualifiziere sich gezielt weiter. Lüerßen: "Manchmal müssen Berater auch Vertriebsaufgaben übernehmen, zum Beispiel Neukunden akquirieren und Angebote erstellen."