Interview mit Cisco-Manager Rowan Trollope

Wie Cisco das Collaboration-Geschäft wiederbelebte

23.09.2016
Von John Dix und


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Rowan Trollope wurde vor vier Jahren von Cisco eingestellt, um der Collaboration Group neues Leben einzuhauchen. Dies klappte so gut, dass Trollope zusätzlich noch die Verantwortung für das Thema Internet of Things (IoT) übertragen wurde. John Dix, Chefredakteur der US-Schwesterpublikation Network World, sprach mit dem Senior Vice President und General Manager IoT & Applications.

Network World: Was machte Sie zu einem geeigneten Kandidaten für die Leitung von Ciscos Collaboration Group?

Trollope: Als ich zu Cisco kam, sagte ich sowas Ähnliches wie 'Jungs, ich verstehe nichts von Voice over IP oder irgendwas aus diesem Technologie-Stack und weiß nicht, ob ich die richtige Person für den Posten bin'. Ich war damals dafür bekannt, ein design-orientierter Technologieführer zu sein, der etwas von User Experience und Design versteht. Wenn Sie auf meine Historie blicken, war ich ein Softwareentwickler, der Frontends gebaut hat, die schön und einfach zu bedienen waren.

Rowan Trollope, Senior Vice President und General Manager IoT & Applications bei Cisco.
Rowan Trollope, Senior Vice President und General Manager IoT & Applications bei Cisco.
Foto: Cisco

Die meiste Zeit in meiner Karriere verbrachte ich dabei, das Empfindungsvermögen der Verbraucher in den Enterprise-Technologie-Stack einzubringen und aus hässlichen Dingen schöne, glatte, aufregende Technik zu machen, die Anwender in Unternehmen wirklich verwenden möchten. Meine These, als ich zu Cisco kam, war: 'Ihr Jungs seid die Marktführer bei dieser Technologie, aber fast niemand hat Zugang zu ihr. Lasst uns die Technik neu beleben und auf eine ganz neue Ebene übertragen und Kommunikationstechnologie für das Business an der Spitze der Technologieentwicklung setzen.'

Network World: Sie kamen Mitte 2012 zu Cisco, also einem Zeitpunkt, wo das Collaboration-Geschäft der Company zehn Quartale in Folge stagnierte oder schrumpfte. Was trafen Sie dort an?

Trollope: Nichts lief gut, ich glaube in der zweiten Woche im neuen Job kam die Nachricht auf, dass Cisco den Geschäftsbereich verkaufen will. Das war die Arbeitsumgebung, die ich vorfand, und die Manager gaben sich die Klinke in die Hand - nach und nach wurden vier Stück gefeuert.

Was ich schnell begriff, war, dass wir für alles, was wir unternehmen, eine Cloud-Infrastruktur benötigen. Ich kann Ihnen sogar noch den genauen Zeitpunkt nennen: Ich hatte meine Assistentin angerufen und ihr gesagt, dass ich mich mit meinen direkten Mitarbeitern treffen müsse. Ich bat sie also, die Flüge zu planen und meinen Kalender zu blockieren, weil ich dachte, ich müsste nun zwei Wochen in der Welt herumfliegen. Sie sagte: 'Jeder hier macht Videokonferenzen.' 'Okay', sagte ich darauf, 'das habe ich bereits versucht, aber die Qualität ist nicht gut, und ich glaube nicht, dass das eine gute Idee für die ersten Meetings ist.' Sie sagte: 'Nein, vertrauen Sie mir, Sie sollten es auf diese Weise tun.'

Ich bekam also ein Videokonferenzsystem von Cisco nach Hause geliefert und einen IT-Menschen zum Einrichten. Ich schickte ihn weg und sagte, dass ich das selbst herausfinden möchte. Ich erkannte aber schnell, dass das Ding wirklich schwer einzurichten war.

Danach war die Erfahrung aber überwältigend. Ich führte den ganzen Tag Gespräche mit erstaunlich hoher Qualität mit einem Gerät, das Cisco auf meinen Schreibtisch zuhause gestellt hatte und aussah wie ein Monitor - und das zuhause über eine Internet-Verbindung von Comcast und nicht über ein besonderes privates Cisco-Netz. Am Ende des Tages lehnte ich mich zurück und sagte zu mir: 'Was könnte ich erreichen, wenn alle anderen Knowledge Worker diese Erfahrung hätten? Das ist alles, was ich tun muss.'

Witzigerweise kam gerade dann mein Nachbar in meine umgebaute Garage und fragte, was das für ein Ding sei. Ich erklärte es ihm, er machte einen Testanruf und war total begeistert. Dann fragte er nach dem Preis. Gute Frage, sagte ich, ging online und fand heraus, dass der Preis 14.400 Dollar betrug. Ich dachte zunächst, es ist ein Fehler, aber sagte ihm dann: 'Die Dinger sind nicht wirklich für Dein Unternehmen entwickelt,' weil er ein kleines Unternehmen mit 24 Personen führt. Aber das war der Anfang der neuen Strategie.

Ich dachte mir, was wäre, wenn das System statt 14.400 nur 1400 Dollar kosten würde, und kein IT-Spezialist erforderlich ist, weil für die Einrichtung nur drei Schritte nötig sind? Was, wenn keine Host-Infrastruktur gebraucht wird, weil sich alles in der Cloud befindet wie bei Skype?

Der Plan stand fest: Wir werden alle Video-Endpoints aktualisieren und den Preis um Faktor Zehn reduzieren. Das war damals aber nicht in der DNA von Cisco. Die DNA von Cisco war vergoldete Hardware mit großer Gewinnspanne. Das ist gut, aber ich würde lieber das gleiche Geld mit der zehnfachen Menge und nur einem Zehntel der Marge verdienen.

Die nächste Version des gleichen Desktop-Geräts kostete dann 1400 Dollar und wir begannen sie auf den Markt zu bringen und bauten einen Cloud-Service dafür auf. Es dauerte zwei Jahre, bis der Cloud-Dienst skalierte und in diesem Jahr wird er tatsächlich weltweit ausgerollt.

Network World: Konnten Sie nicht einfach auf einen bestehenden Cloud-Service aufsetzen?

Trollope: Es stellte sich heraus, dass es keinen SaaS-Dienst in der Cloud für Echtzeit-Kommunikation gab. Als wir den Dienst aufbauten, beschlossen wir, ihn offen zugänglich zu machen, weil andere Anbieter weltweite Video-Netzwerke aufgebaut hatten, die geschlossen waren. Man konnte nicht einfach zu Skype gehen in der Art "Ich habe da was gebaut und möchte es mit Ihrem Netz verknüpfen". Niemand hatte ein Netz, mit dem wir uns verbinden konnten, daher bauten wir unser eigenes auf.

Als Cisco kamen wir natürlich günstig an die Ausrüstung und investierten viel Geld, um das Netz weltweit auszurollen. Wir launchten es unter dem Namen Spark und das ist nebenbei bemerkt auch die Infrastruktur, auf der wir dieses Telefonat führen. Der gesamte Audio-Verkehr läuft über unsere Server, die zusätzlich auch Video unterstützen. Und es ist offen, damit Menschen Software entwickeln und ihre eigenen Kommunikations-Apps bauen können.

Eine andere Sache, die ich unternahm, damit die Geschäftsbereiche wachsen, war die Entscheidung, dass wir nicht so viele Produkte brauchen. Wir reduzierten das Portfolio bei den Videosystemen von 65 auf 15 Artikel und konnten damit die Dinge besser handhaben. Wir gewannen sogar alle Arten von Auszeichnungen für Hardware-Designs.