Die Zeiten des klassischen Marketings sind vorbei. Moderne Unternehmen treten heute über Social Media in einen echten Dialog mit ihren (Noch-nicht-)Kunden. Das betonen die meisten Marketing- und Kommunikationsexperten. Und sie versprechen den Verantwortlichen in den Unternehmen: Geschickt organisiert und gesteuert könnt ihr euch mit Social Media eine Fangemeinde aufbauen, die nicht nur treu eure Produkte kauft, sondern auch bei Noch-nicht-Kunden für euch wirbt.
Weniger beachtet wird hingegen, inwieweit sich durch die Omnipräsenz der sozialen Medien das Verhältnis der Arbeitgeber zu ihren Mitarbeitern verändert. Befasst man sich etwas näher mit dieser Frage, dann zeigt sich: Social Media ist für Unternehmen ein zweischneidiges Schwert - unabhängig davon, ob es sich um soziale Netzwerke wie Facebook und Xing, um Arbeitgeberbewertungsportale wie Kununu oder ob es sich um Kurznachrichtendienste wie Twitter handelt.
Und noch etwas hat sich durch den Siegeszug von Social Media geändert. Den Mitarbeitern stehen nicht nur mehr Kanäle zur Verfügung, um ihre Gedanken zu verbreiten und ihr Wissen mit anderen zu teilen, sie werden von den Betreibern dieser Medien sowie deren Mitgliedern regelrecht zum Mitmachen stimuliert und dazu aufgefordert, das was sie bewegt, anderen Menschen mitzuteilen - zum Beispiel in Experten- oder Branchenforen.
Die Gefahr der Experten-Chats
Entsprechend groß ist die Versuchung, sich in Chats durch pointierte Aussagen zu profilieren - insbesondere wenn dies anonym und somit (scheinbar) gefahrlos geschieht. Ähnlich verhält es sich, wenn sich Mitarbeiter eines Unternehmens an einem Experten-Chat im Web beteiligen. Erfolgt dann eine Resonanz wie "Hochinteressant, was Du schreibst - zeugt von einer hohen Fachkompetenz. Kannst Du mir nähere Infos geben?", dann ist die Gefahr groß, dass der so gelobte Mitarbeiter dies tut, ohne zunächst zu reflektieren:
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Wer ist mein Gegenüber und warum möchte er "nähere Infos" haben?
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Welche Konsequenzen hat dies für meinen Arbeitgeber (und eventuell für mich), wenn ich diese Information Dritten oder gar einer breiten Öffentlichkeit zugänglich mache?
Ganz gleich, aus welchen Motiven (Ex-)Mitarbeiter, Firmeninterna oder -geheimnisse ausplaudern, Fakt ist: Nicht nur aufgrund der Existenz der sozialen Netze löst sich aus Unternehmenssicht die Grenze zwischen interner oder externer Kommunikation zunehmend auf. Früher waren die internen Kommunikationsabteilungen die Gralshüter darüber, welche Infos nach draußen gehen, heute können sie diese Funktion nur noch bedingt erfüllen.
Diese Erfahrung musste zum Beispiel im Januar 2012 Apple-CEO Tim Cook sammeln. Nachdem sein Unternehmen in mehreren Print- und Online-Medien heftig dafür kritisiert worden war, dass es seine Produkte (wie seine Mitbewerber) unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen in Fernost produzieren lässt, schrieb er eine Mail an die Apple-Mitarbeiter, in der unter anderem stand: "Jeder Unfall berührt uns zutiefst und die Arbeitsbedingungen verdienen unsere Aufmerksamkeit. Jede Unterstellung, dies sei anders, ist falsch und ehrverletzend." Kaum hatte Cook diese Mail an die Mitarbeiter versandt, tauchte sie in zahlreichen Online-Portalen und Blogs auf, und Cook wurde heftig kritisiert. Seine Aussagen seien scheinheilig. Apple seien seit Jahren die Arbeitsbedingungen zum Beispiel bei seinem Lieferanten Foxconn bekannt. Das Unternehmen habe jedoch nichts dagegen getan, etc.
Durch den Entrüstungssturm im Internet entstand Apple zumindest erkennbar kein Schaden - unter anderem, weil das Unternehmen eine sehr große und treue Fangemeinde hat, die es wenig schert, wie das neuste iPhone produziert wird ("Hauptsache, ich kann es mir leisten"). Das Beispiel zeigt jedoch, wie schnell Firmeninterna den Weg nach draußen finden und welch "Empörungswelle" sich hierdurch aufbaut. Dies kann für Unternehmen, die anders als Apple keine stabile Fangemeinde und deren Produkte für die Nutzer keinen Kultstatus haben, das Aus bedeuten.
Noch höher war die Empörungswelle, als im März 2012 ein Ex-Mitarbeiter von Goldman Sachs in einem Gastbeitrag in der "New York Times" publik machte, dass Mitar-beiter der Investment-Bank in der internen Kommunikation immer wieder Kunden als "Muppets"(also "Idioten") bezeichnen und damit prahlen, wie sie diese über den Tisch gezogen haben. Noch vor wenigen Jahren wäre dieser Artikel vermutlich nur von den Lesern dieser Zeitung zur Kenntnis genommen worden und sie hätten ihn mit einem kopfschüttenden "Das haben wir uns schon immer gedacht" kommentiert. Und eventuell wäre er noch voller Häme in irgendwelchen Expertenkreisen herumgereicht worden.
- 1. Social Media muss abteilungsübergreifend organisiert werden:
Im Umgang mit Social Media sind "Hobby-Lösungen mit Praktikanten" vorbei. Social Media wird zum Alltag und muss daher abteilungsübergreifend organisiert werden. Der BVDW sieht nicht nur die IT, sondern vor allem auch die Unternehmenskommunikation in der Pflicht. - 2. Employer Branding 2.0:
Künftig reicht es nicht mehr, eine eigene Jobbörse auf der Homepage zu schalten und Stellenanzeigen aufzugeben. Bewerber informieren sich in den Netzen über potenzielle Arbeitgeber - und erfahren dabei auch, wie diese von anderen Nutzern bewertet werden. - 3. Neue Dynamik in der Produktentwicklung:
Unternehmen lassen immer mehr Informationen in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen einfließen. Social Media liefert Input zur Produktentwicklung und ermöglicht intern wie extern schnelles Feedback. Der BVDW spricht hier von "Adaptive Engineering". - 4. Customer-Relationship-Management (CRM) verschmilzt:
Schon in diesem Jahr verschmelzen verschiedener CRM-Bereiche mit Social Media-Komponenten. Leadmanagement, Kundenservice und Kundenbindung sind die ersten Bereiche, in denen Social Media eine zunehmende Rolle spielt. - 5. Unternehmen aus der zweiten Reihe springen auf:
2011 werden auch kleinere und mittlere Player auf den Zug aufspringen. Mittelständler, Verbände oder auch Non-Governmental-Organisationen (NGOs) können aus Erfahrungen der "Großen" lernen. - 7. Erfolgsfaktor "Social Intelligence":
Social Media Monitoring war bereits voriges Jahr ein großes Thema. Nun geht es darum, Tools weiter zu optimieren. Dabei kreist alles um die Frage, wie und wofür die Daten eingesetzt werden können. Von einer adaptiven Aussteuerung der Kommunikation über die Produktentwicklung bis zur Kundensegmentierung - die Informationen aus dem Social Web bieten viele Möglichkeiten. - 8. Auf der Suche nach dem Return on Investment (ROI):
Die Messbarkeit der Maßnahmen gewinnt 2011 an Bedeutung. Bisher mag es ausgereicht haben, dabei zu sein - in Zukunft muss Social Media Ergebnisse erzielen, die messbar sind. - 9. Neue Berufsbilder entstehen:
Die Nutzung von Social Media erfordert von den Mitarbeitern neue Fähigkeiten. "Mit Social Media wollen neue Tools und Infrastrukturen bedient werden, zudem muss ein neuer Kommunikationsstil geprägt werden", schreibt der BVDW. - 10. Mit dem Launch eines Produktes beginnt die Arbeit erst:
Die klassischen Werbe-Kampagnen reichen nicht mehr aus. Unternehmen nutzen das Engagement und Feedback von Verbrauchern, um an ihren Marken zu arbeiten.