Social Media im Unternehmen

Wenn Mitarbeiter Social Networker werden

08.05.2012
Von 
Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch" und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.
Über Soziale Netze haben Mitarbeiter ganz andere Möglichkeiten als früher, Informationen zu verbreiten. Firmen sind verunsichert, wie sie mit dieser Kommunikationsmacht umgehen sollen.
In Zeiten von Social Media haben auch Mitarbeiter eine neue (Kommunikations-) Macht.
In Zeiten von Social Media haben auch Mitarbeiter eine neue (Kommunikations-) Macht.
Foto: rikilo, Fotolia.de

Die Zeiten des klassischen Marketings sind vorbei. Moderne Unternehmen treten heute über Social Media in einen echten Dialog mit ihren (Noch-nicht-)Kunden. Das betonen die meisten Marketing- und Kommunikationsexperten. Und sie versprechen den Verantwortlichen in den Unternehmen: Geschickt organisiert und gesteuert könnt ihr euch mit Social Media eine Fangemeinde aufbauen, die nicht nur treu eure Produkte kauft, sondern auch bei Noch-nicht-Kunden für euch wirbt.

Weniger beachtet wird hingegen, inwieweit sich durch die Omnipräsenz der sozialen Medien das Verhältnis der Arbeitgeber zu ihren Mitarbeitern verändert. Befasst man sich etwas näher mit dieser Frage, dann zeigt sich: Social Media ist für Unternehmen ein zweischneidiges Schwert - unabhängig davon, ob es sich um soziale Netzwerke wie Facebook und Xing, um Arbeitgeberbewertungsportale wie Kununu oder ob es sich um Kurznachrichtendienste wie Twitter handelt.

Und noch etwas hat sich durch den Siegeszug von Social Media geändert. Den Mitarbeitern stehen nicht nur mehr Kanäle zur Verfügung, um ihre Gedanken zu verbreiten und ihr Wissen mit anderen zu teilen, sie werden von den Betreibern dieser Medien sowie deren Mitgliedern regelrecht zum Mitmachen stimuliert und dazu aufgefordert, das was sie bewegt, anderen Menschen mitzuteilen - zum Beispiel in Experten- oder Branchenforen.

Die Gefahr der Experten-Chats

Entsprechend groß ist die Versuchung, sich in Chats durch pointierte Aussagen zu profilieren - insbesondere wenn dies anonym und somit (scheinbar) gefahrlos geschieht. Ähnlich verhält es sich, wenn sich Mitarbeiter eines Unternehmens an einem Experten-Chat im Web beteiligen. Erfolgt dann eine Resonanz wie "Hochinteressant, was Du schreibst - zeugt von einer hohen Fachkompetenz. Kannst Du mir nähere Infos geben?", dann ist die Gefahr groß, dass der so gelobte Mitarbeiter dies tut, ohne zunächst zu reflektieren:

  • Wer ist mein Gegenüber und warum möchte er "nähere Infos" haben?

  • Welche Konsequenzen hat dies für meinen Arbeitgeber (und eventuell für mich), wenn ich diese Information Dritten oder gar einer breiten Öffentlichkeit zugänglich mache?

Ganz gleich, aus welchen Motiven (Ex-)Mitarbeiter, Firmeninterna oder -geheimnisse ausplaudern, Fakt ist: Nicht nur aufgrund der Existenz der sozialen Netze löst sich aus Unternehmenssicht die Grenze zwischen interner oder externer Kommunikation zunehmend auf. Früher waren die internen Kommunikationsabteilungen die Gralshüter darüber, welche Infos nach draußen gehen, heute können sie diese Funktion nur noch bedingt erfüllen.

Diese Erfahrung musste zum Beispiel im Januar 2012 Apple-CEO Tim Cook sammeln. Nachdem sein Unternehmen in mehreren Print- und Online-Medien heftig dafür kritisiert worden war, dass es seine Produkte (wie seine Mitbewerber) unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen in Fernost produzieren lässt, schrieb er eine Mail an die Apple-Mitarbeiter, in der unter anderem stand: "Jeder Unfall berührt uns zutiefst und die Arbeitsbedingungen verdienen unsere Aufmerksamkeit. Jede Unterstellung, dies sei anders, ist falsch und ehrverletzend." Kaum hatte Cook diese Mail an die Mitarbeiter versandt, tauchte sie in zahlreichen Online-Portalen und Blogs auf, und Cook wurde heftig kritisiert. Seine Aussagen seien scheinheilig. Apple seien seit Jahren die Arbeitsbedingungen zum Beispiel bei seinem Lieferanten Foxconn bekannt. Das Unternehmen habe jedoch nichts dagegen getan, etc.

Durch den Entrüstungssturm im Internet entstand Apple zumindest erkennbar kein Schaden - unter anderem, weil das Unternehmen eine sehr große und treue Fangemeinde hat, die es wenig schert, wie das neuste iPhone produziert wird ("Hauptsache, ich kann es mir leisten"). Das Beispiel zeigt jedoch, wie schnell Firmeninterna den Weg nach draußen finden und welch "Empörungswelle" sich hierdurch aufbaut. Dies kann für Unternehmen, die anders als Apple keine stabile Fangemeinde und deren Produkte für die Nutzer keinen Kultstatus haben, das Aus bedeuten.

Noch höher war die Empörungswelle, als im März 2012 ein Ex-Mitarbeiter von Goldman Sachs in einem Gastbeitrag in der "New York Times" publik machte, dass Mitar-beiter der Investment-Bank in der internen Kommunikation immer wieder Kunden als "Muppets"(also "Idioten") bezeichnen und damit prahlen, wie sie diese über den Tisch gezogen haben. Noch vor wenigen Jahren wäre dieser Artikel vermutlich nur von den Lesern dieser Zeitung zur Kenntnis genommen worden und sie hätten ihn mit einem kopfschüttenden "Das haben wir uns schon immer gedacht" kommentiert. Und eventuell wäre er noch voller Häme in irgendwelchen Expertenkreisen herumgereicht worden.