Wenn ein Mitarbeiter in der IT überlastet ist, kann ich davon auf zwei Arten erfahren", unterscheidet Hartmut Willebrand, CIO für Deutschland, Österreich und die Schweiz beim Versicherungsmakler Aon in Hamburg: "Entweder indem er oder sein Teamleiter mir offiziell mitteilt, dass er zu viel auf dem Tisch hat - oder durch emotionale Äußerungen in der Kaffeeküche oder auf dem Flur." Der erste Weg sei strukturierter, der zweite aber oft einfacher, deshalb müsse ein Chef, auch wenn es noch so schwerfalle, für eine regelmäßige "Küchenpräsenz" irgendwie Zeit finden.
Überlastung hat oft mit ungewohnten Pflichten und durchbrochenen Rhythmen zu tun. Hier sieht sich Willebrand als einbindender Planer gefragt, der gemeinsam mit den Mitarbeitern die Aufgaben priorisiert: Kann jemand, der für den laufenden Betrieb zuständig ist, auch an einem Veränderungsprojekt mitarbeiten - und wenn ja, wie lange? "Ob das dann klappt, hängt sehr davon ab, wie gut ich den Mitarbeiter in diesen Planungsprozess einbeziehe."
In der IT sieht Willebrand überwiegend Menschen am Werk, "die stark zum Abstrahieren und unter Umständen zu technischem Machbarkeitswahn neigen". Diesen "IT-Persönlichkeitstyp" gelte es mit dem chaotischen Büroalltag zu versöhnen und ihm die Rolle des Business Enablers schmackhaft zu machen, der fachfremde Kollegen mit einfachen und zuverlässigen Werkzeugen versieht, mit denen sie ihre Probleme lösen können. Willebrand versucht es mit einer Kombination aus Wollen und Müssen: "Wenn ich jemanden überzeugen kann, dass das neue Projekt oder IT-Werkzeug, an dem er gerade arbeitet, eine super Lösung für ein großes Problem ist, fällt es ihm leichter, sich motiviert an die Arbeit zu machen." Auch dafür seien Küchen- und Flurgespräche wichtig.
Gut für sich sorgen
"Ins Einzelcoaching kommen zu mir vor allem Führungskräfte und Unternehmer", sagt Ilona Bürgel. "Oft haben sie viele Jahre über ihre Leistungsgrenze gelebt." Die studierte Psychologin vertritt ihr Konzept auch als Vortragsrednerin in Unternehmen. Es bezieht sich zwar auch auf das Berufsleben, setzt aber nicht unbedingt dort an. Bürgel will ihren Klienten helfen, "selbst etwas für sich zu tun. Nicht immer zu sagen: Mein Arbeitgeber müsste mal, mein Partner müsste mal, sondern es selbst anzupacken." Gestresste können mit ihr üben, ihren Alltag mit verlässlichen kleinen Freuden anzureichern und auf "konstruktives Denken" umzuschalten: "So wie wir denken, fühlen wir uns. Es geht nicht darum, sich Dinge schönzureden. Aber wir können etwas daran ändern, wie wir auf sie reagieren."
Bürgel argumentiert unter anderem mit der Studie "Burnout?" - "Nein, danke. Ich hab schon.", die die Psychologen Charlotte Kraus und Simon Hahnzog in der Open-Access-Zeitschrift Journal of Business and Media Psychology, Ausgabe 2/2013, veröffentlicht haben. Hahnzog und Kraus gebrauchen den Begriff Burnout mit der gebotenen Vorsicht. Für erwiesen halten sie erstens: Je mehr jemand von Burnout hört oder liest, desto eher hält er sich für gefährdet. Und zweitens: Burnout ist ansteckend. Menschen, die fünf Tage in der Woche zusammenarbeiten, können gar nicht anders, als sich Gefühle zu übertragen. Das gilt für schlechte wie für gute Stimmungslagen.
Insofern tut, wer seine eigene Laune verbessert, auch etwas für die am Arbeitsplatz. "Ich glaube nicht, dass Leute aus der IT-Branche spezifische Probleme haben", sagt Ilona Bürgel. "Der Faktor Mensch ist immer gleich, das Gehirn funktioniert immer gleich. Wenn wir nicht gut für uns sorgen, sind die Folgen immer ähnlich."
Nicht gleich wieder Projektleiter
Herbert Wittemer, Personalleiter beim Ismaninger Software- und Beratungshaus msg Systems, weiß, obwohl der Arbeitsdruck auch anderswo gestiegen ist, um die speziellen Arbeitsbedingungen in der IT: "Es kommen immer schneller neue Technologien und Trends auf. Die Projekte werden komplexer, zum Beispiel spielen Security und Compliance in jedem Projekt eine Rolle. Zugleich steigt der Kostendruck."
Viele IT-Experten mögen ihre Arbeit, weil sie interessant und erfüllend ist, und sind mit vorübergehender Mehrarbeit nicht kleinlich. Überlastet fühlen sie sich erst, wenn keine ruhigere Phase in Sicht ist. Bei msg Systems sorgt die Einsatzplanung für "Licht am Ende des Tunnels": "Ein Projektleiter übernimmt diese Rolle im nächsten Projekt zum Beispiel nicht unbedingt gleich wieder, sondern arbeitet dort als Berater", sagt Wittemer. Die Mitarbeiter müssen Höchstarbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten einhalten, und das wird auch kontrolliert. Vorträge und Workshops sensibilisieren Führungskräfte für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz.
Und wenn der Druck doch zu stark wird? In der IT-Branche wird viel gereist, so dass manche Chefs ihre Mitarbeiter selten sehen. Wittemer mahnt trotzdem zum persönlichen Kontakt: "Wenn jemand bedrückt wirkt, aber am Telefon oder gar per Mail mitteilt, es sei alles in Ordnung, glaube ich ihm vielleicht und unternehme nichts. Im persönlichen Gespräch dagegen transportieren Mimik und Gestik oft eine andere Botschaft als die Worte."
Wittemer versucht, an Wochenenden nicht zu arbeiten. Im Urlaub liest er keine Mails. Er wünscht sich, dass die anderen das auch so halten: "Um kein schlechtes Beispiel zu geben, verschicke ich außerhalb der üblichen Arbeitszeiten und an Feiertagen keine beruflichen Mails." (hk)
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Feine Unterschiede
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Überlastung: Jemand hat zu viel Arbeit. Nicht für jeden wird das zum Problem: Arbeitsberge, die den einen stressen, trägt der andere gelassen ab.
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Stress: Eine körperliche Reaktion auf Überlastung. Adrenalin wird ausgeschüttet, der Gestresste ist aufgeregt und bekommt feuchte Hände. Guter Stress ("Eustress") hilft, Aufgaben zu lösen, und kann als belebend empfunden werden. Anhaltend schlechter Stress ("Distress") hat oft zur Folge, dass der Betroffene nicht mehr abschalten kann, dauerhaft gereizt ist und schlecht schläft.
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Burnout: Kann unter anderem durch Stress bedingt sein: Nachdem der Betroffene über längere Zeit immer wieder aufgeregt und angespannt war, gerät er in eine unüberwindlich scheinende Erschöpfung mit stark eingeschränkter Arbeitsfähigkeit und vielen anderen Symptomen. Inwieweit sich der Burnout von einer Depression unterscheidet, ist umstritten. Burnouts sind behandelbar, hinterlassen jedoch oft bleibende Spuren.