Welche Infrastrukturmaßnahmen sind in Sachen Distributed Ledger geplant?
Im Rahmen des oben erwähnten Konsultationsprozesses kam bei einigen Teilnehmern die Forderung nach einer staatlichen Infrastruktur für Blockchain-Anwendungen auf. Sie solle Unternehmen bei der Entwicklung von spezifischen Anwendungen unterstützen. Andere halten behördliches Engagement hier nicht für notwendig, es reiche aus, wenn der Staat Nodes betreibe.
Aktivitäten des Staates wurden aber im Bereich der Interoperabilitätsstandards und der Governance-Strukturen für dezentrale Netzwerke gewünscht. Außerdem gab es die Forderung, der Staat solle eine dezentrale Public-Key-Infrastruktur zur Verfügung stellen, um den sicheren Austausch von Zertifikaten zu ermöglichen.
Konkret beteiligt sich der Bund im Rahmen der Europäischen Blockchain-Partnerschaft am Aufbau der Europäischen Blockchain Services Infrastruktur (EBSI). Dort sollen Anfang 2020 erste Anwendungsfälle abgebildet werden, zu denen dann auch der Austausch von Zeugnissen und ein Blockchain-basiertes Register des Europäischen Rechnungshofs zählen. Perspektivisch wird die Infrastruktur auch privatwirtschaftlichen Akteuren zur Verfügung stehen heißt es. Die Bundesregierung wolle aktiv an der EBSI mitarbeiten.
- Diskussion um die Blockchain
Experten vom Professor bis zum Praktiker haben sich Anfang Februar in der Computerwoche-Redaktion versammelt, um den Mythos Blockchain zu zergliedern. - Olaf Stöwer, Faizod
„Das Gute am Hype um die Blockchain ist, dass wir bestehende Paradigmen infrage stellen“, sagt Olaf Stöwer, Head of Operations der Dresdner Firma Faizod. - Raimund Gross, SAP
Raimund Gross, Innovation Manager Blockchain bei SAP: „Wir bewegen uns weg von zentralisierten Systemen hin zum Dezentralen. Das erfordert neues Denken und Handeln in Netzwerken. Das fällt vielen schwer.“ - Andrea Martin, IBM
Andrea Martin, Chief Technology Officer bei IBM: „Interesse bekommen wir nur über Use Cases.“ - Robert Bosch, Bearingpoint
Dr. Robert Bosch, Partner bei Bearingpoint: "Viele Marktteilnehmer zäumen das Pferd von hinten auf, nach dem Motto: ,Wir haben eine neue Technologie. Was können wir jetzt damit machen?'" - Dr. Rainhard Z. Bengez, Capgemini
Professor Rainhard Z. Bengez, Senior Manager bei Capgemini Consulting: "Wir versuchen, Misstrauen zu kommerzialisieren." - Burkhard Blechschmidt, Cognizant
Burkhard Blechschmidt, Head of CIO Advisory bei Cognizant: "Es handelt sich um eine geniale Kombination von teils lange bekannten Technologien und mathematischen Modellen“. - Franz Nees, Hochschule Karlsruhe
Professor Franz Nees, Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft: "Geht es um neue Wertschöpfungsmodelle – oder ,nur' um mehr Effizienz?"
Wie sieht die Blockchain-Agenda des Bundes im Finanzsektor aus?
Im Finanzsektor will der Bund das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen. So sollen elektronische Wertpapiere - zunächst beschränkt auf elektronische Schuldverschreibungen - auch auf einer Blockchain begeben werden können. Die Einführung einer elektronischen Aktie und elektronischer Investmentfonds-Anteile will die Regierung im nächsten Schritt prüfen.
Noch in diesem Jahr soll zudem ein Gesetzentwurf zur Regulierung des öffentlichen Angebots bestimmter Krypto-Token veröffentlicht werden. Damit will der Bund sicherstellen, dass ein öffentliches Angebot bei bestimmten, zu definierenden Krypto-Token erst erfolgen darf, wenn der Anbieter zuvor ein von der BaFin genehmigtes Informationsblatt veröffentlicht hat. Davon verspricht sich der Bund ein hohes Anlegerschutzniveau und Rechtssicherheit über die mit bestimmten Token-Ausgestaltungen verbundenen Rechtsfolgen.
Der Bund hat ferner angekündigt verhindern zu wollen, dass sogenannte Stablecoins, etwa Facebooks geplante Digitalwährung "Libra", eine Alternative zu staatlichen Währungen werden. Stablecoins sind an staatliche Währungen oder liquide Vermögenswerte gebunden und gelten damit als besonders stabil. Offener ist der Bund, wenn es um die Einführung von digitalem Zentralbankgeld auf einer Blockchain geht. Hier wolle man den bereits bestehenden Dialog mit der Deutschen Bundesbank weiter ausbauen und die Entwicklung ausloten.
Wie sehen die Blockchain-Pläne für die Energiewirtschaft aus?
Die Bundesregierung hält die Blockchain-Technologie für relevant, wenn es um die Energiewende geht, fürchtet aber einen ausufernden Energieverbrauch. Deshalb gebe es Forschungsbedarf, der von Blockchain-basierten virtuellen Großspeichern für PV-Anlagenbetreiber über den Energiehandel durch Blockchain-Technologie, bis hin zum Peer-to-Peer-Handel auf Basis von Blockchains reiche.
Der Bund hat zudem mit den Vorbereitungen für eine Blockchain-basierte Energieanlagen-Anbindung an eine öffentliche Datenbank begonnen, die Projektphase soll 2020 starten. Geplant ist außerdem ein technologieübergreifendes Pilotierungslabor (New Technology Lab) für den Energiesektor, wo Stromerzeuger, Gesellschaft und Behörden anhand ausgewählter Anwendungsfälle "systemische Effizienzgewinne" untersuchen und Technikfolgeabschätzungen vornehmen sollen. Der Bund hofft, potenziell negative Folgen der Blockchain - wie etwa einen hohen Energieverbrauch - durch andere neue Technologien wie KI und Big Data abfedern zu können.
In der Energiewirtschaft haben Smart Contracts ein besonders großes Potenzial für Automatisierung und Effizienzsteigerung. Die Regierung will daher ein Register aufbauen, das vertragliche Sachverhalte der Energiewirtschaft aufführt und so das Erfassen und Systematisieren von Smart Contracts ermöglicht. Dazu ist eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Energie-Agentur (dena) und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft geplant.
Gemeinsam möchte man eine öffentlich zugängliche Plattform errichten, deren Inhalte permanent gesichtet, bewertet, diskutiert und kommentiert werden können. Das Register werde Entwickler bei der Ausgestaltung von Smart Contracts unterstützen, indem auf ähnliche Anwendungsfälle zurückgegriffen werden könne, heißt es.
Das Smart-Contracts-Register in der Energiewirtschaft soll ein Beispiel für andere Wirtschaftssektoren geben und die Basis für den Aufbau weiterer Register bilden. Ferner denkt der Bund über die Einführung akkreditierter Zertifizierungsverfahren nach, die Anbieter nutzen können, um das Vertrauen in ihre Smart-Contracts-Anwendungen zu erhöhen.