Virtuell zusammenarbeiten

Von der Videokonferenz ins Metaverse?

Kommentar  04.11.2022
Von 
Rob Enderle ist Geschäftsführer der Enderle Group und arbeitet dort als Principal Analyst. Zuvor war er als Senior Research Fellow bei Forrester Research und der Giga Information Group tätig. Bei IBM hatte er zudem lange Jahre verschiedene Positionen inne - unter anderem im Auditing, in der Wettbewerbsanalyse, im Marketing, der Buchhaltung und im Security-Bereich.
Der durch die Pandemie entfachte Videokonferenz-Boom hat sich etwas abgeschwächt, aber der Trend ist weiter intakt. Die große Frage ist, wie sich die Technologie weiterentwickeln wird.
Damit unsere Business-Meetings so aussehen (dann hoffentlich mit Beinen), muss im VR-Bereich noch einiges passieren - meint unser Autor.
Damit unsere Business-Meetings so aussehen (dann hoffentlich mit Beinen), muss im VR-Bereich noch einiges passieren - meint unser Autor.
Foto: naratrip - shutterstock.com

Ich beschäftige mich schon seit den späten 1980er Jahren mit Videokonferenz-Technik: Damals durfte ich im Auftrag von AT&T ein frühes Deployment bei Apple beaufsichtigen, das leider spektakulär scheiterte. Ein Jahrzehnt später beobachtete ich, wie ähnliche Bemühungen von Intel und HP ebenfalls im Misserfolg endeten.

Ausgelöst durch die Pandemie und den Remote-Work-Umschwung haben Videoconferencing Tools in den vergangenen zwei Jahren mehr Fortschritte gemacht, als in den zwei Jahrzehnten zuvor. Mit Blick auf den nächsten großen Schritt - die Zusammenarbeit in der virtuellen Realität (VR) und eventuell im Metaverse - sollten Unternehmen keine Zeit verlieren und jetzt prüfen, was in diesem Bereich nötig, machbar und sinnvoll ist. Essenziell ist es dabei, die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu berücksichtigen.

Remote zugehörig fühlen?

Das überzeugendste Argument für virtuelle Meetings ist die Tatsache, dass sie einen Zeitvorteil bringen. Die Kehrseite der Medaille: Mitarbeiter im Außendienst sind durchaus mit Problemen konfrontiert. Für deren Management kommt es mehr denn je darauf an, klare Ziele zu definieren und Meilensteine zu setzen.

Auch für das Onboarding neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Online-Konferenzen nur begrenzt tauglich. Können sich die Neuen nur digital zuschalten, fällt es ihnen schwer, die erforderlichen Beziehungen aufzubauen und Karriere zu machen. Der dadurch entstehende Mangel an Zugehörigkeitgefühl kann im schlimmsten Fall sogar zu unternehmensfeindlichem Verhalten führen - vor allem, wenn das Gefühl entsteht, gegenüber den Beschäftigten im Büro vor Ort benachteiligt zu werden.

Wenn Sie also dauerhaft ein Remote- oder Hybrid-Work-Modell planen, sollten Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Rüstzeug für einen Erfolg an die Hand geben. Stellt sich dieser erfolg ein, sollten Sie auch nicht mit Gehaltserhöhungen und Beförderungen geizen. Vermitteln Sie außerdem Ihren Managern, dass sie Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Remote-Mitarbeitern haben sollen.

Darüber hinaus gilt es, die online eingebundenen Beschäftigten dabei zu unterstützen, Beziehungen zum Unternehmen und vor allem zu den Kollegen aufzubauen. Das kann zum Beispiel im Rahmen virtueller Veranstaltungen geschehen. Virtuelle Teambuilding-Maßnahmen sind gerade für Remote Worker ausgesprochen wichtig, sie sollten keinesfalls vernachlässigt werden.

Welche Rolle VR künftig spielen kann

VR-Headsets kommen in der Arbeitswelt nicht gut an. Der letzte größere Misserfolg manifestierte sich in der 3D-TV-Technik, obwohl diese im Vergleich zu anderen Augmented- und Virtual-Reality-Lösungen relativ preiswerte und leichte Headsets zur Verfügung stellte. Es gäbe zwei theoretische Möglichkeiten, um dieses Problem anzugehen:

  • Die eine besteht darin, auf ein Headset zu verzichten und langfristig auf andere Technologien wie Hologramme oder LED-Wände zu setzen. Die erstgenannte Möglichkeit ist allerdings noch nicht marktreif, die zweite ist noch zu teuer und deswegen nicht praktikabel.

  • Der wahrscheinlichere Weg ist daher der Einsatz moderner Headsets, die breiter einsetzbar sind als die bisherigen Modelle. Das bedeutet, dass sie nicht nur angenehm zu tragen sind, sondern auch einen (überzeugenden) zusätzlichen Mehrwert bieten, etwa in Sachen Videounterhaltung, Privatsphäre oder Sicherheit.

Die aktuellen Headsets sind unbequem und bieten zu wenig Abstand zu den oft intensiven VR-Erfahrungen. Sie haben keine Chance, zum Mainstream zu werden. Die Zukunft verspricht attraktivere, preiswertere und leichtere Modelle. Das eigentliche Problem war aber bislang die sogenannte Motion Sickness: VR-Nutzer hatten mit körperlichen Symptomen wie Kopfschmerz, Schwindel oder Schweißausbrüchen zu kämpfen, weil sie sich von den dargebotenen Inhalten und Bewegungen nicht ausreichend distanzieren konnten. Ob neuere Headsets damit besser fertig werden, bleibt abzuwarten.

Damit Remote Work für Unternehmen und deren Mitarbeiter genauso erfolgreich wird, wie die physische Zusammenarbeit, müssen sich die VR-Optionen in so gut wie allen Bereichen verbessern. Die Geräte müssen mehr Nutzwert bieten und vor allem - von den Benutzern gerne getragen werden.

Das Metaverse ist - trotz des Wirbels, den Hersteller wie Meta darum veranstalten - in seinen bislang sichtbaren Ausprägungen noch nicht überzeugend. Zum "Next Big Thing" kann es nur werden, wenn die Hardware und die verfügbaren Lösungen die Bedürfnisse der Benutzer erfüllen. Gelingt das nicht, wird Zuckerbergs Vision scheitern, und viele Metaverse-Unternehmen werden mit in den Abgrund gerissen. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.