Wenn Maschinen bei Maschinen einkaufen
Obwohl das Konzept von CargoChain sehr gut ankam, wurde mir klar, dass man als Startup im Trade Finance Space nur schwierig etwas erreichen kann. Alle VC's die mich kontaktierten, habe ich letztendlich abgelehnt, weil es für mich keinen Sinn ergab, das Projekt kommerziell weiterzuführen. Ich bin aber immer noch sehr daran interessiert, diese "Chain of Custody" in der Supply Chain durch IoT und Distributed Ledgers zu realisieren. Mit IOTA arbeiten wir bereits an einem Proof of Concept dafür.
Warum bist Du nach Berlin gegangen? Hat Berlin Deine Erwartungen erfüllt?
Schiener: Es wäre sinnlos, im Südtirol ein Blockchain-Unternehmen zu gründen. Berlin bietet wegen des Ecosystems einfach viel mehr Möglichkeiten, die Erfolgschancen für ein Startup zu erhöhen. Ich bin hier zwar immer den ganzen Tag vor dem Computer, aber für Meetings mit Unternehmen ist Berlin fantastisch - insbesondere weil viele Innovation Labs hier sind.
Du hast IOTA mitbegründet. Was macht IOTA, wer sind die Gründer und was will IOTA erreichen?
Schiener:IOTA kommt aus einem Hardware Startup, welches sich auf einen neuen Mikroprozessor für IoT fokussiert. Weil alle Gründer von IOTA (David Sønstebø, Sergey Ivancheglo, Sergei Popov und ich) seit 2010 - 2012 im Blockchain Space sind, wurden uns die wirklichen Beschränkungen der Blockchain-Technologie schon sehr früh klar. Um wirkliche Machine-to-Machine-Payments zu ermöglichen, haben wir dann eine neue Architektur entwickelt, welche nicht mehr auf einer Blockchain basiert, sondern auf einem DAG (Directed Acyclic Graph).
Durch diese Erfindung - dem Tangle - löst IOTA die Probleme, welche herkömmliche Blockchains haben, und ermöglicht es dadurch, neue Use Cases umzusetzen. IOTA ist die erste öffentliche "Blockchain", welche skalierbar ist, keine Transaktionsspesen hat. Sie ist vor Quantencomputern geschützt, da wir keine keine Elliptic Curve Cryptography benutzen. Und sie ermöglicht auch Offline-Transaktionen (Partitioning). Dadurch ist IOTA natürlich perfekt geeignet, um Micropayments für Millionen von Devices in asynchronen IoT- Netzwerken zu ermöglichen. Zusätzlich kann man durch IOTA auch Daten verschlüsselt transferieren beziehungsweise sichern. Und wir sind dabei, weitere Module zu entwickeln.
Unsere Vision von IOTA ist der Aufbau einer wirklichen "Machine Economy", in der Maschinen untereinander Daten, Ressourcen und Services kaufen und verkaufen. Speziell Computation, Storage, Bandwidth und Strom werden "on-demand" verfügbar sein. Das heißt, dass man pro Ressourcen-Einheit bezahlen muss, auch kleinste Beträge mit Micro Payments.
Was sind die Herausforderungen für die Bezahlung von M2M-Services? Wie adressiert IOTA diese Herausforderungen?
Schiener: Die größte Herausforderung ist es, Interoperabilität zu ermöglichen, damit es keine "Cluster" gibt und auch wirklich alle Maschinen untereinander bezahlen können. Genau aus diesem Grund haben wir das Tangle auch nicht patentieren lassen, sondern alles als Open Source Software entwickelt. Wir sind gerade dabei, die IOTA-Stiftung hier in Deutschland zu registrieren. Sie wird sich dann, ähnlich wie die Linux Foundation, um die Weiterentwicklung des Protokolls und dessen Standardisierung, zusammen mit Industry-Stakeholdern, kümmern wird.
Eine weitere Herausforderung ist natürlich die Frage, wie man dem Transaktionsnetzwerk beitreten kann. Hierfür muss man zunächst IOTA-Tokens erwerben. Das bedeutet, dass man einen effizienten Weg finden muss, um traditionelle Währungen wie Euros, Dollars, usw. in Tokens umzutauschen. Dieser ständige Tausch ist natürlich sehr wichtig für das On- and Off-Boarding, da man seine Kunden und Maschinen ja nicht ständig der Volatilität des Marktes aussetzen will. Um das zu ermöglichen haben wir schon mehrere konkrete Konzepte entwickelt. Meine Erfahrung mit Fiat-Exchanges trägt hier dazu bei, so etwas zu entwickeln.
Warum eine neue Währung? Kann die Bezahlung nicht mit Bitcoin oder Ether erfolgen? Werden Lightning oder Raiden nicht für die notwendige Transaktionsgeschwindigkeit sorgen?
Schiener: Kurze Version: "I'm looking forward to paying 20 Dollar fees to open a 200 Dollar payment channel for my 4 Dollar coffee."
Lange Version: On-Chain versus Off-Chain Scaling ist natürlich ein sehr umstrittenes Thema. Im IoT und in einer wirklichen Maschinenökonomie müssen die Maschinen in der Lage sein, auch kleinste Einheiten einer Ressource zu kaufen oder zu verkaufen. Wer ein Netzwerk mit Transaktionskosten verwendet, hat ein wirkliches Problem, den Preis der Ressourcen zu bestimmen. Wenn man vorher nicht weiß, wie viel man letztendlich nach Abzug der Transaktionskosten erhalten wird, kann man auch nicht bestimmen, ob sich das Geschäft überhaupt lohnt.
Payment Channels erhöhen auf Grund des Routings beziehungsweise der Transaktionskosten die Komplexität der Entwicklung von IoT-Anwendungen. Außerdem sind Payment Channels noch nicht wirklich gegeben - es gibt noch viele Probleme zu lösen, insbesondere beim Routing.
Mit welchen potenziellen Nutzern habt ihr bisher gesprochen? Wie war die Resonanz, insbesondere bei Industriekunden, die im Bereich IoT aktiv sind?
Nichts überstürzen
Schiener: Obwohl IOTA auch für Remittances und Web-Payments sehr gut geeignet ist, fokussieren wir uns im Moment hauptsächlich auf IoT- und Industry 4.0-Unternehmen. Hier haben wir schon mehrere Partnerschaften, wie zum Beispiel mit Innogy und Ubuntu. Mit Ubuntu waren wir auch zusammen auf dem Mobile World Congress. Wir haben aber noch mehrere Projekte mit Unternehmen, welche wir in den kommenden Wochen veröffentlichen werden.
Generell ist die Resonanz sehr gut, speziell, weil viele Unternehmen mit Ethereum beziehungsweise Bitcoin schon Prototypen entwickelt haben, und feststellen mussten, dass Blockchain noch viele Probleme hat. Wir sind eigentlich sehr pragmatisch und "hypen" nicht - was manchmal auch Nachteile haben kann. Unser Ziel ist es aber, als Erster wirkliche production-ready Anwendungen zu realisieren.
Was rätst Du deutschen Startups und Unternehmen, die die Entwicklung von Blockchain-Anwendungen planen?
Schiener: Man sollte nicht dem Hype folgen und erst ein vollständiges Verständnis für die Technologie, das Business und die Probleme entwickeln. Obwohl viele Blockchain-Anwendungen auf den ersten Blick Sinn ergeben, sieht die Realität oft anders aus. Vielfach wird versucht, Probleme zu lösen, welche keine wirklichen Probleme in Business und Gesellschaft sind.
Bei Blockchain-Anwendungen geht es zum Beispiel darum, Kosten einzusparen, neue Umsatzströme zu kreieren oder Transparenz zu schaffen. Viele Unternehmen platzieren "Blockchain" im Kern ihres Business Modells und hoffen, dass dadurch Kunden kommen werden. Bis jetzt gibt es meiner Meinung nach - happy to be proven wrong- noch kein Unternehmen oder Startup, das erfolgreich sein Blockchain-basiertes Produkt als SaaS oder lizenzbasiert verkauft. Die Einzigen, die im Moment Geld verdienen, sind die Berater. Deshalb muss man den Markt und die Probleme verstehen, um ein Produkt zu entwickeln, wofür Leute Geld bezahlen werden. Blockchain integrieren ist nicht genug.
Was planst Du als nächstes?
Schiener: Mein Hauptfokus ist IOTA und die IOTA-Stiftung. Ein ganzes Ökosystem aufzubauen, ist ja keine Kleinigkeit. Unsere geplanten Projekte und Partnerschaften mit Unternehmen, Startups und Universitäten sind darauf ausgerichtet, genau ein solches Ökosystem zu etablieren.
Neben IOTA haben wir noch mehrere DLT-Projekte (Distributed Ledger Technology), die von der IOTA Stiftung gesponsert und entwickelt werden. Hierzu werden wir mehr Informationen in den kommenden Monaten veröffentlichen.
- Ethereum
Eine weitere Kryptowährung, die auf dem Blockchain-Prinzip basiert. Bietet eine Plattform für programmierbare Smart Contracts. Die "Ether" werden von Fans als legitime Nachfolger der Bitcoins angesehen (siehe auch obiges Bild). - Cryptlet
Von Microsoft für die Azure-Cloud entwickelter Service, mit dessen Hilfe Anwender externe Daten in eine Blockchain einpflegen können, ohne ihre Sicherheit und Integrität zu zerstören. Cryptlets können als indvidualisierte Middleware auch von Azure-Anwendern selbst entwickelt werden - in jeder beliebigen Programmiersprache - und sollen die Brücke von der Blockchain hin zu neuen Business-Services in der Cloud schlagen. - Kryptowährung
Digitales Geld, ohne Münzen und Scheine. Mithilfe von Kryptografie wird ein verteiltes, sicheres und dezentralisiertes Zahlungssystem aufgebaut. Benötigt keine Banken, sondern Rechenpower und technische Hilfsmittel wie die Blockchain. - Blockchain
Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die eine stetig wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen vorhält. Die Datenbank wird chronologisch linear erweitert, vergleichbar einer Kette, der am unteren Ende ständig neue Elemente hinzugefügt werden (daher auch der Begriff "Blockchain" = "Blockkette"). Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt. Jeder Block enthält eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks. <br /><br /> Entwickelt wurde das technische Modell der Blockchain im Rahmen der Kryptowährung Bitcoin - als webbasiertes, dezentralisiertes, öffentliches Buchhaltungssystem aller Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden. - Bitcoin Core
Die Open-Source-Software validiert die gesamte Blockchain und wurde Anfang 2009 von einem gewissen <a href="http://www.computerwoche.de/a/neue-hinweise-auf-moeglichen-urheber-von-digitalwaehrung-bitcoin,3220391" target="_blank">"Satoshi Nakamoto"</a> unter dem Namen "Bitcoin" veröffentlicht. Bitcoin Core war in C++ zuächst vor allem für Windows-Systeme programmiert worden. Wenig später folgte die Portierung auf GNU/Linux. Weil die Entwickler sich zerstritten, existieren mittlerweile einige Derivate der Bitcoin-Software, unter anderem Bitcoin XT, Bitcoin Unlimited oder Bitcoin Classic. - BigchainDB
Die "skalierbale Blockchain-Datenbank" kann bis zu einer Millionen Schreibvorgänge pro Sekunde verwalten, Petabytes an Daten speichern und wartet trotzdem mit einer Latenzzeit von unter einer Sekunde auf - das alles dezentralisiert verwaltet und bei höchster Datenintegrität. Technische Grundlage ist die Blockchain-Technologie. - Distributed Ledger
Finanz-Fachbegriff für "verteilte Kontoführung". Bitcoin ist ein komplett neuer technischer Ansatz, um Informationen über bestimmte Zuordnungen zu verteilen. Es gibt hier kein klassisches Konto mehr, das zentral bei einer Bank geführt wird, sondern die "Kontoführung" basiert auf einem Netzwerk von kommunizierenden Systemen. - Smart Contract
Ein Computerprotokoll, das Verträge abbilden oder überprüfen oder die Verhandlung eines Vertrags technisch unterstützten kann. Könnte künftig den schriftlichen Vertragsabschluss ersetzen. - R3CEV
Das Startup R3 CEV baut die blockchainbasierte "Global Fabric for Finance". Mit rund 50 Finanzpartnern soll die größte Blockchain der Welt entwickelt werden - ein erster Testlauf mit elf Großbanken, darunter Barclays, Credit Suisse, HSBC, UBS und UniCredit wurde bereits erfolgreich absolviert. R3CEV ist eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um Blockchain-Infrastruktur und -Technologie in der Azure Cloud entwickeln zu können. - Ripple
Ein Open-Source-Protokoll für ein Zahlungsnetzwerk - derzeit noch in der Entwicklung. P2P-Zahlverfahren und Devisenmarkt in einem, basiert auf der Kryptowährung "XRP". Ripple-Nutzer sind jedoch nicht auf diese eine Währung festgelegt, sondern können jede beliebige Währung verwenden - also beispielsweise auch Euro, Dollar oder Yen.
Gibt es noch etwas, was Du den Lesern sagen möchtest?
Schiener: In diesem Blockchain-Space, weiß niemand was die Beteiligten wirklich machen. Obwohl es immer wieder Ankündigungen von neuen Konsortien, Partnerschaften und Investments von Großunternehmen gibt, heißt das noch lange nicht, dass wirkliche Probleme gelöst werden. Im Moment ist es noch zu früh, um zu sagen, welche Projekte Erfolg haben werden und welche nicht. Jedes Projekt - sei es Bitcoin, Ethereum oder IOTA - ist noch im Stadium des Proof of Concept. Oft verstehen die Core-Entwickler ja selbst nicht, was der eigentliche Nutzen ihrer Blockchain ist, siehe Bitcoin, 21 Inc., etc.
Mein genereller Tipp lautet: die Probleme und die Technologie müssen erst vollkommen verstanden sein, bevor man finale Entscheidungen trifft. Man muss offen sein, Neues auszuprobieren und mit verschiedenen Lösungen zu experimentieren. Einerseits um Erfahrung zu sammeln, und andererseits um Vergleiche zu haben, auf deren Basis man dann die Entscheidungen treffen kann.
Dominik, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei Deinen weiteren Aktivitäten.