Edge Computing statt Cloud?
Andere IT-Player wie etwa Cisco sehen dagegen die Cloud nicht als erste Wahl für die Datenverarbeitung, sondern präferieren das Edge Computing. Dank Maschinennähe ließen sich die Daten hier effizienter und schneller verarbeiten. Zudem habe der Edge-Ansatz zwei Vorteile: Zum einen ließen sich hier wirklich im Gegensatz zur Cloud Daten in Echtzeit verarbeiten. Zum anderen könne mit der Bearbeitung der Daten im Edge das Übertragungsvolumen deutlich reduziert werden. Das spare nicht nur Zeit, sondern verhindere auch, dass das eigene WAN an seine Grenzen stößt und so ein teures Upgrade erforderlich wird.
Ganz undogmatisch gehen Maschinenbauer wie Siemens, Bosch Rexroth oder Festo an die Frage heran. Sie haben meist eigene Edge-Lösungen im Portfolio und warten zudem häufig mit eigenen Cloud-Angeboten auf - wobei die Cloud-Infrastruktur häufig von einem der drei großen Cloud-Betreiber AWS, Microsoft und Google stammt. So heißt es etwa bei Festo, dass dieDatensammlung und Überwachung durch die intelligente Softwarelösung entweder on Edge oder on Premises stattfinden kann, oder über ein IoT-Gateway in der Festo Cloud erfolgen kann. Für den Einsatz von KI on Edge oder on Premises spricht laut Festo, dass alle Daten im eigenen Haus bleiben, ohne Sicherheitsrisiken oder Verzögerungen der Datenströme durch Netzlatenzen. Wichtig sei aber, dass ausreichend strukturierte Daten vorliegen, um diese mit dem Werkzeug KI sinnvoll analysieren zu können. Die Cloud wiederum biete mit ihren sehr hohen Rechenkapazitäten gute Auswerteergebnisse über mehrere, verteilte Produktionsstandorte hinweg.
Die drahtlose Fabrik
Apropos Netz, verfolgt man die derzeitigen Diskussionen um die flexible, smarte Fabrik, dann drängt sich der Eindruck auf, dass ohne 5G künftig nichts mehr in der Fertigung geht. Egal ob es sich um autonom bewegende Roboter, flexibel einsetzbare Produktionsanlagen etc. handelt, nichts scheint künftig ohne den neuen Mobilfunkstandard zu funktionieren. Sicher, Punkte wie QoS, lizenzierte Frequenzbänder oder Echtzeitfähigkeit sprechen für den neuen Standard, doch zu welchem Preis? Sollen die Unternehmen noch ein zusätzliches Netz managen, wo ihnen doch bereits häufig die Ressourcen fehlen, um die vorhandenen LANs und WLANs zu administrieren, argumentierten in Hannover die klassischen Netzausrüster. Und noch etwas führen sie ins Feld: Der WLAN-Standard 802.11ax - auch als WiFi 6 bekannt - biete alle diese Vorteile ebenso, ohne sich wie bei 5G eine weitere neue Technologie ins Haus zu holen.
Und noch etwas sollte bei den Diskussionen um die digitale Fabrik beachtet werden: Es ist Zeit, KI/Ml zu entmystifizieren, um so zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen, welche Möglichkeiten KI/ML wirklich offeriert. Denn nicht für alles sind KI/ML-Projekte erforderlich. Viele Problemstellungen lassen sich bereits mit klassischem Analytics und statistischen Methoden lösen. Und last but not least sollte in den Augen von McKinsey-Manager Schmitz, der Messen wie die HMI als zu sehr "technology forwarded" kritisierte, eines nicht vergessen werden, "wie steht es um die Wertgenerierung und welchen Beitrag zur Produktivitätssteigerung leistet eine Technologie wirklich."
Lernende Roboter
Ungeachtet aller offenen Fragen, eines bringt die Digital Factory auf alle Fälle mit sich: Die Trennung von Roboter und Mensch ist Vergangenheit. In der modernen Produktion arbeiten beide Seite an Seite, wobei Kollege Roboter dank KI/ML immer vielfältiger einsetzbar und in der Lage sein wird, einfache Aufgabenstellungen wie ein kleines Kind durch ausprobieren selbst zu lösen. Allerdings mit einem Unterschied: Das Erlernte kann der Roboter in Sekundenbruchteilen an seine vernetzten Kollegen weitertransferieren. Zudem erlernt er jetzt zunehmend das Greifen von Dingen, was ganze neue Einsatzmöglichkeiten eröffnet. Die Roboter assemblieren, montieren künftig Bauteile und Produkte. Optimisten sehen darin bereits die Chance, etwa die Smartphone-Produktion wieder nach Deutschland zurückzuholen.