Machine-to-Machine-Kommunikation

Vernetzte Kühe

06.11.2013
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Sinkende Preise, Wettbewerbsvorteile und nicht zuletzt der Druck durch Regulierung sorgen dafür, dass Machine-to-Machine-Kommunikation nach langen Jahren endlich seine Nischenposition verlassen könnte.

Was haben die Kuh "Dana", Amazons Kindle-Geräte, Drive-Now-Autos, Claas-Erntemaschinen oder die On-Board-Units (OBU) von Toll Collect gemeinsam? Sie alle senden und empfangen Informationen über Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M). Warum es sich bei dem Thema um einen der aktuell größten IT-Wachstumsmärkte handelt, wird klar, wenn man einen genaueren Blick darauf wirft: Direkt mit M2M verbunden sind nämlich absolute Trendfelder: Mobility, Cloud und - im Idealfall - Data Analytics/Big Data.

Dennoch sind sich Marktexperten darin einig, dass M2M vom Potenzial her gerade erst die Spitze des Eisbergs erreicht hat. "Viele Unternehmen haben noch nicht die Auswirkungen von M2M auf das Business erkannt und befinden sich in Wartestellung", erklärte Dr. Thomas Kießling, Chief Product und Innovation Officer (CPIO) bei der Deutschen Telekom, auf dem Branchen-Event M2M-Summit, der Mitte September mit knapp 1000 Besuchern in Düsseldorf stattfand.

Angelehnt an den "Hype Cycle" von Gartner sieht er M2M im Business derzeit in der Wachstumsphase. Im Consumer-Umfeld spricht er ausgehend von den ersten Erfahrungen mit Wearables von einer Phase der Ernüchterung. Die Ergebnisse, welche private Anwender etwa mit Smartwatches machten, seien aktuell noch nicht zufriedenstellend, so Kießling. Er rechnet aber damit, dass die zweite Welle mit Google Glass und ähnlichen Geräten den Wandel einläutet hin zu einem Netzwerk aus Geräten und Menschen.

Kießling erwartet, dass schon bis 2018 mehr als acht Milliarden vernetzte M2M-Systeme existieren. Er setzt dabei vor allem auf den Automobil-Markt - dank eCall und Infotainment-Systemen könnte künftig jedes neue Auto mit mindestens einer SIM-Karte ausgestattet sein.

Der Telekom-Manager ist dabei noch optimistischer als die Marktbeobachter von Analysys Mason. Diese prognostizieren, dass die Anzahl der weltweiten M2M-Verbindungen, die Geräte und Maschinen miteinander vernetzen, von rund 100 Millionen Ende 2011 bis 2021 auf 2,1 Milliarden anwachsen wird.

Der Mittelstand entdeckt M2M

Welche Faktoren für ein deutliches Wachstum des Bereichs in den nächsten Jahren sprechen, hat das Analystenhaus Circle Research in Auftrag vom Telekom-Wettbewerber Vodafone ermittelt. So wird erwartet, dass die Kosten für M2M-Komponenten - Hardware, Software und Datenverbindungen - in den nächsten Jahren weiter fallen werden. Dieser Umstand erlaube es damit auch kleine und mittelgroße Unternehmen, die bisher zögerten, in M2M zu investieren. Bis 2015, so die Prognose von Circle Research, sollen sie bereits die Großkonzerne überholt haben.

Als dritten Trend prognostizieren die Verfasser des Reports, dass die Bereiche Fertigung und Unterhaltungselektronik das stärkste Wachstum bei M2M-Anwendungen sehen werden. Zum einen würden immer mehr Anbieter wegen der wachsenden Nachfrage nach vernetzten Geräten ihre Produkte mit M2M-Technologien ausstatten - Beispiele dafür sind etwa E-Reader (etwa Amazon Kindle) oder Smart TVs.

Zum anderen versuchten die Hersteller dem Bericht zufolge, sich mit innovativen M2M-Anwendungen in ihren Geräten vom Wettbewerb aus dem Niedrigpreissegment differenzieren. Ein bekanntes Beispiel dafür sind etwa vernetzte Drucker für Unternehmen. Hier verwandelt M2M den Käufer in einen Abonnenten, der - anstatt eine Einmalzahlung zu leisten - regelmäßig eine Gebühr für Papier, Toner und Wartung überweist.

Ein weiteres überraschendes Ergebnis der Studie ist, dass Unternehmen häufig mit M2M andere Vorteile erzielen, als sie vor Projektstart erwarteten. So stünden vor der Einführung häufig Kosten- und Effizienzargumente im Vordergrund, Unternehmen, die bereits M2M einsetzen, geben jedoch an, dass sie zusätzlich auch Flexibilität und den Kundenservice verbessern konnten. Insgesamt geht es laut Studie fast allen Unternehmen darum, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und innovativer als die Konkurrenz zu sein: 82 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass "Early Adopter" der M2M-Technologie Wettbewerbsvorteile am Markt erzielen können.

Last, but not least hat der Branchenverband M2M Alliance (www.m2m-alliance.de) im Sommer 4.800 Experten und Entscheider nach ihrer Einschätzung zum Thema M2M befragt. Die Studie ergab, dass über 95 Prozent der Unternehmen ein Wachstum für ihren M2M-Bereich erwarten, 73 Prozent schätzen sogar, dass dieses zweistellig ausfallen wird. Außerdem gaben 55 Prozent der Unternehmen an, dass sie sich von M2M-Lösungen die Erschließung neuer Geschäftsfelder versprechen, jeweils rund 40 Prozent erhoffen sich zudem eine Reduktion von Kosten beziehungsweise eine Steigerung bei der Produktivität. Tatsächlich M2M im Einsatz haben allerdings erst 52 Prozent der Umfrageteilnehmer, weitere 46 Prozent befinden sich in der Implementierung- oder Planungsphase.

Unterschiedliche Wertschöpfungstiefen

Für Jan Geldmacher, CEO von Vodafone Global Enterprise, ist M2M ein Topthema seines Unternehmens.
Für Jan Geldmacher, CEO von Vodafone Global Enterprise, ist M2M ein Topthema seines Unternehmens.
Foto: Sönke Peter/M2M Alliance

Welche Ergebnisse man mit M2M erzielt, hängt offensichtlich stark von der Implementierungstiefe ab. So unterscheidet Jan Geldmacher, CEO von Vodafone Global Enterprise, dem Bereich mit den weltweiten Top-1500-Kunden des Carriers, zwischen vier verschiedenen Ebenen:

  • Level 1: Einfache Anbindung von Maschinen zwecks Remote Control, Track & Trace

  • Level 2: Integration in Geschäftsprozesse

  • Level 3: Analyse, um mehr über Kunden zu lernen

  • Level 4: Transformation in neue Services oder sogar neue Geschäftsmodelle

Am einfachen Beispiel Verkaufsautomaten erläutert, ist dabei der Standardprozess, dass integrierte Sensoren bei Leerstand ein Signal an den Betreiber senden, damit Servicetechniker den Warenbestand auffüllen. Echte Wertschöpfung kommt laut Geldmacher aber erst durch die Erfassung von Daten und deren Analyse hinzu: Wo sind die besten Plätze für Verkaufsautomaten, wie hoch ist die Conversion Rate (gemessen an der Zahl von Menschen, die vorbeikommen), wie wirkt sich Werbung auf den Absatz aus, etc.?

"Es gibt für M2M viele Use Cases, die aber sich nur schwer in Business Cases umwandeln lassen", stellt Jürgen Hase, Leiter des M2M Competence Center bei der Telekom, bei einer Podiumsdiskussion auf dem M2M Summit klar.Häufig würde M2M nur dann eingesetzt, wenn man damit Geld sparen oder mehr Sicherheit oder Zusatzdienste anbieten könne. Entsprechend mache es im Kundengespräch häufig keinen Sinn, mit dem Produktmanager zu sprechen, so Hase. Der bessere Ansprechpartner sei vielmehr die Serviceabteilung. Dabei seien für M2M vielfältige Nutzungsszenarien denkbar, etwa für Werbung, Wartung, On-Demand-Angebote oder generell die Möglichkeit, die Kundenbeziehung zu verbessern.

Derzeit hängt es laut Vodafone-Manager Geldmacher noch stark von der jeweiligen Branche ab, woher der Auslöser für den M2M-Einsatz kommt - von innen (Geschäftsprozesse) oder vorn außen (Regulierung und Gesetzgebung). Als Beispiele für Bereiche, die durch Regulierung zu ihrem M2M-Glück praktisch erst gezwungen werden, nennt der Topmanager etwa die Automobilbranche (e-Call, Toll Collect), Finanzdienstleistungen (Pay-as-you-drive), Energie (Smart Metering), Gesundheitswesen und öffentliche Dienste. Andere Segmente wie die Sicherheitsbranche, Unterhaltungselektronik, Transport/Logistik, Fertigung und die Konsumgüterindustrie seien teilweise schon weiter, hier ist die treibende Kraft die Möglichkeit (oder der Druck), mit M2M die Geschäftsprozesse zu verbessern.